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Wer sucht, der findet?

Vor dem EU-Sondergipfel zur Besetzung der beiden neuen Spitzenposten in der Union, des Ratspräsidenten und des Außenbeauftragten, ist keineswegs klar, wer das Rennen machen wird. Zu vielen Anforderungen müssen die Kandidaten für die EU-Topjobs gerecht werden.

Von Volker Finthammer und Doris Simon | 18.11.2009
    Der Spanier Luis Zapatero wird der erste Regierungschef eines EU-Landes sein, der mit dem neuen Ratspräsidenten an der Spitze der EU auskommen muss. Bislang sind die sechs Monate, in denen ein Land jeweils die Geschäfte der EU führt, oft genug auch ein gemeinsamer Laufsteg mit den Großen der Welt.

    Der schwedische Regierungschef Frederik Reinfeldt konnte das in den vergangenen Wochen und Monaten noch voll und ganz erleben. Treffen mit US-Präsident Barack Obama oder bei internationalen Konferenzen für ganz Europa zu sprechen, danach sehnt sich jeder Regierungschef.

    Erst recht, wenn es sich um Politiker kleinerer Länder handelt, die diese Gelegenheit selten bekommen. Als Ratspräsident der Europäischen Union hat im halbjährlichen Wechsel bislang jeder Regierungschef die Möglichkeit, am großen Rad der Weltgeschichte für eine begrenzte Zeit mitzudrehen. Den Ehrgeiz haben alle. Von Malta bis Deutschland, von Lettland bis Spanien. Auch Angela Merkel hat die sechs Monate der deutschen Präsidentschaft voll genossen und ihre Trittfestigkeit auf internationalem Parkett bewiesen. Die Regierungschefs der kommenden Triopräsidentschaft, Spanien, Belgien und Ungarn, waren deshalb die Ersten, die den Stuhl des neuen Ratspräsidenten ins angemessene Licht rücken wollten:

    "Ich denke, wir brauchen einen Präsidenten, der Europa nach außen repräsentieren kann. Zweitens sollte das einer sein, der allen zuhören kann, und jemand, der Kompromisse schmieden kann und drittens muss das jemand sein, der die Balance akzeptiert, auch die rotierenden Präsidentschaften, damit da kein unnötiger Streit ausgetragen wird."

    Sagt der ungarische Regierungschef Gordon Bajnai.

    Die Geburt des ständigen Präsidenten des Europäischen Rates hat ein konkretes Datum. Den 15. Januar 2003 und zwei Väter, die sich zur Vaterschaft bekennen. Joschka Fischer und Dominique de Villepin. Die beiden Außenminister reichten an diesem Tag ihren deutsch-französischen Beitrag über die institutionelle Architektur der Union ein und forderten:

    Wie die Kommission und das Europäische Parlament muss auch der Europäische Rat einen dauerhaften Vorsitz erhalten. In einem erweiterten Europa muss die Leitung des Europäischen Rates durch Kontinuität, Stabilität und Sichtbarkeit geprägt sein.

    Zur Begründung erklärte der damalige deutsche Außenminister Josef Fischer im Jahre 2003:

    "Ich bin der Meinung, dass eine rotierende Präsidentschaft in einer Union der 25 schlicht und einfach ein dramatisches Funktionalitätsdefizit aufwerfen wird. Die Hauptaufgabe eines Vorsitzenden sollte die Vorbereitung und Leitung der Sitzung des Europäischen Rates sein."

    Ein zentrales Motiv für diesen Vorstoß lag auf der Hand. 2004 sollte die EU auf 25 Staaten anwachsen. Das System der halbjährlich rotierenden Ratspräsidentschaften wurde daher als Hindernis für eine kontinuierliche Politik im Europäischen Rat angesehen. Mit einem Präsidenten an der Spitze soll dieses Defizit behoben werden und zudem würde ein Präsident die Selbstständigkeit des Europäischen Rates gegenüber den anderen Institutionen, dem Parlament und der Kommission, deutlich machen. Doch über diesen Vorschlag wurde im Konvent, dem Organ, das den Verfassungsentwurf für die EU entwerfen sollte, lange Zeit gestritten.

    "Bisher haben 101 Mitglieder einen Antrag gegen eine dauernde Ratspräsidentschaft gestellt und 15 Regierungen. Reicht das? Oder müssen wir uns noch Wochen mit diesem Plan, der hier keine Mehrheiten hat, niemals einen Konsens haben wird, abquälen?"

    So der österreichische Grüne Josef Voggenhuber. Vor allem den kleineren und den künftigen Beitrittsländern ging der Vorschlag zu weit, weil sie damals schon fürchteten, zu sehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. Dimitri Rupel, der Außenminister des im Jahr 2003 noch als Beitrittskandidat mitverhandelnden Sloweniens:

    "Für Slowenien als eines der kleinen neuen Mitgliedsländer ist es wichtig, dass die EU die Gleichheit der EU-Staaten beachtet. Klein und groß, alt und neu. Die Balance ist ein notwendiges Moment der Legitimität der europäischen Integration. Deshalb unterstützen wir die Beibehaltung des Rotationsprinzips bei der EU-Präsidentschaft. So werden die Gleichheit und die angemessen Vertretung aller EU Staaten in den Institutionen sichergestellt, und das erlaubt den Bürgern, sich mit der EU zu identifizieren."

    Die Kritik blieb nicht ohne Konsequenzen. Der Präsident ist zwar geblieben, doch seine Kompetenzen wurden deutlich zurechtgestutzt. Die Definition des Amtes ist vage, die Stellenbeschreibung kurz. Nur wenige Zeilen finden sich im Vertrag von Lissabon, der sich in diesem Punkt in keinem Wort von dem ursprünglichen Verfassungsvertrag unterscheidet.

    Der Europäische Rat wählt seinen Präsidenten mit qualifizierter Mehrheit für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren, heißt es da. Der Präsident kann einmal wieder gewählt werden. Im Alltag obliegt ihm der Vorsitz der vier Tagungen des Europäischen Rates im Jahr, wo er den versammelten Staats- und Regierungschefs Impulse geben soll. Ansonsten sorgt er gemeinsam mit dem Präsidenten der EU-Kommission für die inhaltliche Vorbereitung dieser Treffen und soll Zusammenhalt und Konsens fördern.

    Neben dem künftigen Außenminister soll der Präsident in eingeschränktem Maße auch in der Außenpolitik tätig werden können. Für nationale Ämter scheidet die Person künftig aus. Um allzu große Abhängigkeiten zu vermeiden, kann er bei Nichtgefallen mit qualifizierter Mehrheit wieder abgesetzt werden. Mehr steht in der Stellenbeschreibung nicht drin. Doch schon die Väter ahnten, dass das schwierig werden könnte:

    "Die Aufgaben müssen klar vom Kommissionspräsidenten und vorm europäischen Außenminister abgegrenzt sein, weil es sicher große Problemen mit sich brächte, wenn wir einen Apparat bekämen, sozusagen: Ein Präsident, der existiert, sucht sich dann seine Aufgabe, weil er nicht genügend zu tun hat, und schafft damit eine Verdoppelung des Apparates. Ich glaube, das wäre gegenüber der Kommission aber auch gegenüber den Integrationserfordernissen nicht gerade sehr positiv."

    Das von Joschka Fischer beschriebene Problem aber ist bis heute nicht gelöst. Deshalb hängt zugleich viel von der ersten Präsidentin oder dem ersten Präsidenten des Europäischen Rates ab. Zeremonienmeister für die Staats- und Regierungschefs oder das Gesicht Europas in der Welt? Das ist die Spannbreite des Amtes, die der erste Amtsinhaber wird definieren müssen. Folgt man den Beschreibungen gewichtiger Regierungschefs, dann wird der ständige Ratspräsident in erster Linie mit internen Fragen befasst sein:

    "Das muss natürlich ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten sein. Die Meinung jedes Mitgliedsstaats in kurzen Gesprächen sofort verstehen, zu hundert Prozent umsetzen und trotzdem keinen Streit verursachen. Das wünschen wir uns von dem Ratspräsidenten."

    Lauten die Vorstellungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy geht sogar noch einen Schritt weiter:

    "Wir sind uns einig mit Frau Merkel, dass wir die gleichen Vorstellungen haben, ja sogar den gleichen Kandidaten. Und ich glaube, das es sehr wichtig ist, dass Deutschland und Frankreich da eine gemeinsame Wahl treffen, um einen gemeinsamen Weg aufzuzeigen."

    Diesen Vorstellungen entsprechen in der Reihe der bislang bekannt gewordenen Namen der Belgier Herman van Rompuy, der Niederländer Jan Peter Balkenende oder auch der Luxemburger Jean Claude Juncker. Der Fokus dieser drei könnte dem ersten Anschein nach mehr auf die Binnenstruktur der EU gerichtet sein. Den Counterpart dazu, das außenpolitische Gesicht Europas würde dagegen der früher britische Premierminister Tony Blair abgeben, der aber nur noch einen öffentlich wahrnehmbaren Fürsprecher hat. Seinen Nachfolger Gordon Brown:

    "Die britische Regierung glaubt, dass Tony Blair ein exzellenter Kandidat für das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates sein würde. Seine Fähigkeiten sind bekannt, seine internationalen Fähigkeiten auch. Seine Kompetenzen in Umweltfragen, in wirtschafts- und sicherheitspolitischen Belangen kennt man in Europa und der ganzen Welt."

    Doch der britische Sozialdemokrat wurde bereits von seien eigenen Parteifreunden in Europa aufs Abstellgleis gesetzt. Denn der einflussreichere Posten des Außenministers ist ihnen ungleich wichtiger, zumal Europas neuer Chefdiplomat zugleich Vizepräsident der EU-Kommission sein soll. Der Präsident des EU-Parlaments, Jerzy Buzek, wirbt zudem für ein Kriterium in der Besetzung, das in der Balance der neuen Spitzenämter in Brüssel bislang ganz unterzugehen droht:

    "Ich schlage mit voller Überzeugung vor, dass wir ernsthaft über eine Frau an der Spitze des Europäischen Rates nachdenken sollten, ohne dass ich einen Namen nennen will. Denn das wäre ein schönes Signal, wenn wir das tun könnten, ein großes symbolisches Signal."

    Die frühere lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga ist da im Rennen, ebenso wie die finnische Präsidentin Tarja Halonen und die Präsidentin Litauens, Daila Grybauskaite. Im EU-Parlament stehen Abgeordnete aus fast allen Fraktionen hinter diesem Appell.

    Unabhängig vom Namen, der Ratspräsident wird sich in der Außenpolitik bescheiden geben müssen, erwartet der christdemokratische Europaabgeordnete Elmar Brok:

    "Es muss klar sein, dass der Präsident des Europarates nur die Koordinierung des Europarates hat und ansonsten nach außen nur eine zeremonielle Rolle spielt, wie das ein nichtgewählter Präsident in unseren Mitgliedsstaaten ist."

    Die entscheidende Rolle soll der neue europäische Außenminister spielen. Die Absicht ist klar - eine einheitliche neue EU-Außenpolitik. Mit einem Gesicht und einer Stimme, mit Einfluss, Geld und einer Telefonnummer für den Rest der Welt. Bisher dominiert das Nebeneinander. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok:

    "Wir haben den Außenkommissar, der das Personal und das Geld hat. Wir haben den Hohen Beauftragten, der kein Geld und kein Personal, aber das Verhandlungsrecht hat. Und wir haben den halbjährlich wechselnden Vorsitzenden des Außenministerrates. Und dieses wird nun alles in einer Person zusammengeführt. Und unter dieser einen Person geben wir all die Verwaltungen zusammen, die an den drei verschiedenen Stellen sind."
    Der Europäische Auswärtige Dienst EAD soll einmal 12.000 Mitarbeiter im EU-Dienst beschäftigen. Die 135 EU-Delegationen in aller Welt sollen zu diplomatischen Vertretungen ausgebaut werden.

    Die Diskussion über die genauen Aufgaben des EAD ist derzeit voll im Gang, viele inhaltliche und Organisationsfragen wird erst der Europäische Außenminister selbst klären. Der Europäische Auswärtige Dienst soll der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten zuarbeiten. Dabei sei entscheidend, sagt der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff, "dass die Orientierung der EU- Außenpolitik, die bisher sehr stark auf Handel- und Wirtschaftsfragen orientiert wird, dass das ergänzt wird durch eine echte politische Dimension, eine sicherheits- und entwicklungspolitische Dimension. Das erwarten die anderen von uns. Der EAD soll das Instrumentarium werden, mit dem der europäische Außenminister das auch leisten kann."

    Doch nach derzeitigem Stand soll sich der europäische auswärtige Dienst nur um die klassische Außenpolitik sowie um die Sicherheits- und Verteidigungspolitik kümmern, die jetzt schon bei der EU ist. Die Entwicklungspolitik dagegen soll fürs erste in der Europäischen Kommission bleiben. Für viele eine verpasste Chance: Denn der EU-Entwicklungskommissar verfolgte bisweilen vor Ort eine andere Politik als der Außenbeauftragten der EU, eine Zusammenlegung hätte dem ein Ende bereitet. Streit gibt es auch darüber, ob der neue diplomatische Dienst der EU eine eigene Einrichtung werden soll, möglichst weit weg von der EU-Kommission und damit der Parlamentskontrolle. So wollen es die Mitgliedsländer. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn:

    "Außenpolitik ist in allen Mitgliedsländern Sache der Regierung. Und das muss auch sich europäisch übersetzen. Das Parlament hat eine wichtige Rolle ex ante und nicht ex post zu spielen."

    Ein Auswärtiger Dienst ohne Parlamentarische Kontrolle – bei dieser Vorstellung drohen einige Europaabgeordnete bereits jetzt, der neuen Kommission die Bestätigung zu verweigern. Darüber können die Mitgliedsländer nicht einfach weggehen, denn der Europäische Außenminister steht institutionell auf doppeltem Boden: Er wird zwar ernannt von den Staats- und Regierungschefs und sitzt den monatlichen Treffen der 27 Außenminister vor. Zugleich ist er aber auch Vizepräsident der Europäischen Kommission und muss deshalb - wie die gesamte Kommission – vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Diese Verzahnung im institutionellen Gefüge der EU stärkt den Europäischen Außenminister, verlangt aber zugleich einen Amtsinhaber, der im Geflecht der unterschiedlichen Interessen von Mitgliedsstaaten und europäischer Politik nicht hängen bleibt.

    Doch das ist längst nicht die einzige Anforderung.

    "Die Europäische Union ist ein Superstar und deshalb brauchen wir auch Superstars als Repräsentanten. Aber sie müssen natürlich über Verantwortung und Feingefühl verfügen, auch gegenüber den Kleinen in der EU," sagt Vygaudas Usackas, der als Außenminister Litauens ein kleines EU-Land vertritt. Für Spaniens Regierungschef Zapatero spielt das Parteibuch des ersten Europäischen Außenministers eine wichtige Rolle:

    "Die europäischen Sozialisten haben sich klar dafür entschieden, den Hohen Vertreter der EU zu stellen, der auch Vizepräsident der Kommission ist. Beide Funktionen sind von großer Bedeutung."

    Seit zwei Wochen versucht die schwedische EU-Ratspräsidentschaft, das Angebot an Kandidaten mit dem Anforderungsprofil zusammen zubringen. Es gibt offizielle Kandidaten wie den finnischen Noch-Erweiterungskommissar Olli Rehn und den estnischen Staatspräsidenten Thomas Ilves. Andere hätten durchaus europäische Unterstützung, sind aber von ihrer Regierung nicht nominiert - zum Beispiel der frühere Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Sein luxemburgischer Freund und Außenministerkollege Jean Asselborn bedauert das:

    "Es war einer, der verstanden hat, dass wir zu 27 zu funktionieren haben in der EU, vor allem auch in der Außenpolitik. Und es war einer, der sehr klare Ansichten hatte gegenüber Amerika und der Zusammenarbeit, gut und freundschaftlich, aber auch kritische Zusammenarbeit, auch positive mit Russland."
    Und manche wollen oder können nicht Europäischer Außenminister werden:

    "Nein, ich bin kein Kandidat, ich habe einen Job und bin stolz darauf, den zu machen," sagt der britische Außenminister David Miliband. Jung und dynamisch ist Miliband der Wunschkandidat vieler Regierungen für den europäischen Außenminister. Aber er will nicht antreten - der Mann hat dabei wohl vor allem seine politischen Chancen in Großbritannien im Blick.

    Nun soll es Massimo d´Alema machen: Der Sozialist hat Italien als Außenminister und Ministerpräsident gedient und scheint jetzt sogar auf die Unterstützung Silvio Berlusconis rechnen zu können. Der italienische Premierminister, sonst kein Freund der Linken, hofft wohl darauf, mit der Geste zum größeren Ruhme Italiens bei seinen Landsleuten zu punkten. Doch Massimo d´Alemas eurokommunistische Vergangenheit könnte ihm Probleme bei einigen Regierungschefs aus dem Osten der EU bereiten. Martin Schulz, der Vorsitzende der Sozialisten im Europaparlament und ein früher Unterstützer des Italieners, will darin kein echtes Hindernis erkennen:

    "Dass es da in Osteuropa Leute gibt, die skeptisch sind, das habe ich auch gehört. Ich weiß aber von Gesprächen, die Massimo d´Alema mit osteuropäischen Politikern geführt hat, und die haben einen sehr positiven Hintergrund gehabt. Es gibt ja auch in Osteuropa sozialdemokratische Regierungen, die diese Linie unterstützen. Es ist ja nicht so, als bestünde Osteuropa nur aus konservativen Regierungen."

    Wer auch immer es wird am Ende: der "Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik" - so heißt der Neue offiziell - wird sich im Nebeneinander von europäischen und nationalen Außenpolitiken behaupten müssen, wenn er aus 27 Solisten einen harmonischen EU-Chor formen will.

    Schon die erste Krise in europäischer Nachbarschaft könnte zum Lackmustest werden: Bleibt ein Nicholas Sarkozy dann wirklich zuhause im Elysee und überlässt das Krisenmanagement dem EU-Außenminister und seinem Europäischen Auswärtigen Dienst? Der finnische Außenminister Alexander Stubb glaubt an ein Zusammenspiel im Team:

    "Wir nationalen Außenminister werden in einer solchen Situation dann auch mal Feuerwehr spielen. Wenn etwas im Nahen Osten passiert, und der EU-Außenminister kann sich gerade nicht selber darum kümmern, dann schickt er eben jemanden wie den spanischen Außenminister Moratinos. Geschieht etwas im Iran, dann kann er den britischen Außenminister Miliband entsenden. Ich sehe da ein Zusammenspiel zwischen dem EU-Außenminister und den nationalen Außenministern."

    Die nationale Außenpolitik wird also mit dem Europäischen Außenminister keineswegs verschwinden. Länder wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland werden ihren Einfluss in internationalen Gremien weiterhin national geltend machen. Die kleinen EU-Staaten werden die neuen Möglichkeiten der EU-Diplomatie zuerst nutzen, erwartet der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Die anderen folgen dann irgendwann, ist der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok sicher:

    "Es werden zunehmend auch Länder sagen: Muss ich denn eine Botschaft in Ruanda haben, können die das nicht für uns mitmachen? Es wird auch in den nächsten 30 Jahren eine deutsche Botschaft in Washington geben, aber muss es sie überall in der Welt geben?"

    Wenn es einmal so weit ist, dann wird sich wahrscheinlich keiner mehr daran erinnern, wie schwer der Anfang war: Ein jahrelanger Kampf um die Grundlage der EU-Reform, den Lissabonner Vertrag, und eine wochenlange Diskussion darüber, wer erster Europäischer Außenminister und wer erster ständiger Europäischer Ratspräsident wird. In Telefongesprächen quer durch die EU hat Schwedens Premierminister Reinfeldt versucht, zwei Namen herauszufiltern, die allen Anforderungen der 27 Regierungen entsprechen.

    Doch selbst wenn es ihm bis morgen gelingen sollte, für jedes neue Amt einen Kandidaten zu präsentieren, ist das noch keine Garantie für einen Erfolg. Der schwedische Premier weiß, dass EU-Gipfel ihre eigene Dynamik entwickeln:

    "Es ist häufiger passiert in der Geschichte der EU, dass der vorbestimmte Kandidat den Job nicht bekommen hat, sondern - nach einem langen Gipfelabendessen - ein ganz anderer."