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Wer zahlt für die Bildung?

In Deutschland soll es langfristig überall ein Ganztagsschulsystem geben. Die Bundesländer können diesen Paradigmenwechsel jedoch nicht alleine finanzieren - wie so vieles auf dem Bildungssektor. Auf einer Konferenz diskutierten unter anderem Schulleiter, Politiker und Vertreter von Hochschulen über neue Finanzierungsmöglichkeiten.

Jürgen König | 15.02.2013
    Es muss etwas schon sehr faul sein in der Bildungsrepublik Deutschland, wenn gleich fünf große Stiftungen – Robert Bosch-, Bertelsmann-, Deutsche Telekom-, Mercator- und Vodafone Stiftung – zu einer Konferenz über "Wege in einen leistungsfähigen Bildungsföderalismus" laden. Bildungsforscher, Minister und ehemalige Minister, Bundestags- und Landtagsabgeordnete, Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiter, Vertreter des Wissenschaftsrats, der Hochschulen, der DIHK, des Deutschen Städtetages waren gekommen, um letztlich nahezu einhellig festzustellen: Die Probleme sind bekannt – sie zu lösen bedarf es vor allem der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, wie die aber konkret zu gestalten ist – dafür hat niemand ein neues Rezept. Die ungleiche Finanzkraft der Bundesländer und der anhaltende Streit um den Länderfinanzausgleich wurden diskutiert, die vereinbarte Schuldenbremse, die zusätzliche Ausgaben des Bundes verhindert; die derzeitige Blockade in der Frage der Lockerung des Kooperationsverbots. Man solle sich nicht zu sehr auf die Lockerung oder gar Aufhebung des Kooperationsverbotes durch Grundgesetzänderung konzentrieren, meinte der frühere Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner. Derlei Verfahren würden Jahre dauern und unzählige Kompromisse mit sich bringen. Pragmatische Lösungen würden sich eher empfehlen.

    "Wenn man sich einig ist, dass man ein Finanzierungsproblem hat, sind sich alle einig! Auch der Bund ist im Prinzip bereit, da was zu machen, dann überleg ich mir, wie ich das Finanzierungsproblem löse. Und ich sage Ihnen: Sie können es lösen. Das deutsche Bildungssystem muss ein Ganztagsschulsystem werden. Das ist personell nicht zu finanzieren von den Ländern. Da glaubt doch niemand, dass es nicht möglich ist, einen Weg zu finden, über die Zuständigkeit des Bundes für gleiche Lebensverhältnisse, Hartz IV, Arbeitsplatz und ähnliches, völlig anderen Berufsgruppen, die wir verstärkt in der Schule brauchen zu finanzieren! Da muss man sagen, okay, Bund, wenn du mehr Spielraum im Hochschulbereich willst, dann geben wir das, aber vorher will ich einen Vertrag mit Dir, dass du mir rund so viel an Personal finanzierst, über welchen Weg auch immer."

    Frühkindliche Bildung, Ganztagsschule, Inklusion, Förderung benachteiligter Kinder seien die Themenfelder, in denen der Bund vor allem tätig werden sollte. Staatsverträge sind auch für den Münchener Bildungsökonom Ludger Wößmann ein probates Mittel. Den Bildungsföderalismus sieht er - auch aus ökonomischer Sicht - sehr positiv.

    "Der Tatbestand, dass wir verschiedene Länder haben, die eine eigene Bildungspolitik machen, hilft uns eigentlich extrem viel, Dinge auszuprobieren oder einfach nur zu sehen, jemand hat was gemacht und wir sehen nachher, hat das funktioniert oder hat das nicht funktioniert."

    Bedingung aber dafür sei:

    "... dass wir einheitliche Ziele haben, dass wir wissen, was ist eigentlich das, wo wir hinkommen wollen und dass wir Informationen darüber haben, wer denn die Ziele zu welchem Grad erreicht hat."

    Eines der Hauptprobleme bei der Bildungsfinanzierung sieht Ludger Wößmann in der ungerechten Kosten/Nutzen-Verteilung. Die Halbierung der Zahl derer ohne Ausbildungsabschluss etwa würde Kostenersparnisse von 1,5 Milliarden Euro pro Altersjahrgang einbringen - durch zusätzliche Lohnleistungen, geringere Arbeitslosen- und Sozialleistungskosten. Und Wößmann rechnete vor: Von mehr als der Hälfte dieses Betrags – 55 Prozent - profitieren der Bund und die Bundesanstalt für Arbeit, obwohl der Bund nur gut 15 Prozent der öffentlichen Bildungsausgaben trägt. Den Hauptanteil der Ausgaben tragen mit gut 66 Prozent die Länder, von den Einsparungen profitieren sie aber nur zu 30 Prozent. Und auch die Gemeinden kommen schlecht weg: Sie tragen 19 Prozent der öffentlichen Ausgaben, erzielten aber im genannten Beispiel nur einen Anteil von 15 Prozent der Einsparungen. Die Konsequenz daraus, so Wößmann, könne nur heißen: Der Bund muss mehr Geld ins System geben: Die reale Erhöhung der Bildungsausgaben des Bundes um 23, 2 Prozent in den letzten zwölf Jahren sei bei weitem nicht genug.

    Auch die Idee eines Nationalen Bildungsrats stieß auf allgemeine Zustimmung. Natürlich, sagte Thüringens Kulturminister Christoph Matschie, würde das für die Landesminister Kompetenzverluste bedeuten, aber:

    "Aber ich glaube, dass für die langfristige Linien so ein Bildungsrat durchaus eine sehr gute, stabilisierende Wirkung der Debatte haben könnte, weil der sich eben nicht auf eine Regierungszusammensetzung stützt, sondern auf einen breiteren Konsens stützt."

    In einem waren sich - leider - alle Konferenzteilnehmer einig: vor der Bundestagswahl wird es bildungspolitische Neuerungen nicht mehr geben.