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Werftschließung
Bremer Schiffbau schlägt leck

Reich geworden ist Bremen mit der Verarbeitung von Baumwolle, Tabak und Kaffee, durch Handel, Hafen und Schiffsbau. Aber 1975 begann der Abstieg: Die AG Weser war die erste Werft, die deshalb am 31.12.1983 schließen musste.

Von Monika Köpcke | 31.12.2013
    Der Tanker "Elisabeth Knutsen" mit 80.000 Tonnen Rohöl aus Russland an Bord wird am Mittwoch (06.01.2010) von Schleppern in den Seehafen Rostock bugisert. Der 265 Meter lange Tanker der norwegischen Reederei Knutsen OAS Shipping hat ein Fassungsvermögen von 121.000 Tonnen.
    Großtanker baute auch die AG Weser bis zur Schließung am 31.12.1983. (picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck)
    Bei der AG Weser in Bremen läuft am 14. Dezember 1983 das letzte Schiff vom Stapel. Ohne Ehrengäste, ohne Ansprachen, ohne Musik. Die Sektflasche für die Schiffstaufe haben die Arbeiter selbst mitgebracht, auch, wenn niemandem zum Feiern zumute ist.
    "Ja, ich hab übernächste Woche 25-jähriges Jubiläum. Das ist mein letztes Schiff. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
    Die Spezialisierung auf den Bau immer größerer Tanker seit Mitte der 60er-Jahre bescherte der AG Weser volle Auftragsbücher. Die Weltwirtschaft boomte, der Bedarf an Öl schien unerschöpflich. Dass sich das zehn Jahre später jäh ändern sollte, wollte lange niemand wahrhaben. Wolfgang Walter, damals Leiter der Projektabteilung, erinnert sich:
    "Die Ölkrise war damals, zumindest in meiner Erinnerung, nicht so deutlich als Krise begreifbar, wie das heute im Nachhinein erscheint. Jeder hoffte, dass sich das wieder ändern würde. Aber als die Ölkrise wirklich akut wurde, sagte die Esso, - das war damals wirklich ein Schock - dass sie auf gar keinen Fall neue Schiffe in Auftrag geben würde."
    Seit Monaten schon ringen die Vorstände aller vier Bremer Werften um ein tragfähiges Zukunftskonzept. Am letzten Augustwochenende 1983 können sie sich endlich einigen: Die Bremer Vulkan, an der neben Thyssen auch das Land Bremen Anteile besitzt, die Hapag-Lloyd-Reparaturwerft und die Krupp-Werft Seebeck in Bremerhaven sollen zu einer Bremer Großwerft fusionieren. Die AG Weser, ebenfalls eine Krupp-Werft, soll nach fast 140 Betriebsjahren geschlossen werden. Die Vorlage solch eines Gesamtkonzepts hatte die Bundesregierung zur Vorbedingung gemacht, um weiterhin Steuermillionen in die verlustreiche Branche zu pumpen.
    "Betrüger, Betrüger. Es ist verkehrt, anzunehmen, dass dies allein nur das Werk der Unternehmer ist."
    Die Arbeiter der AG Weser sind fassungslos. Warum soll ausgerechnet ihre Werft geopfert werden? Überrumpelt von der Schreckensnachricht lassen sie auf der Werft alles stehen und liegen und ziehen zum Rathaus.
    "Koschnick raus, Koschnick raus."
    Seit 1975 lenkt Hans Koschnick als Bürgermeister die Geschicke Bremens. Bei Wahlen holt er stets glänzende Ergebnisse für die SPD. Die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, ihre Arbeitsplätze zu erhalten, gilt ihm immer als oberstes Ziel.
    "Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen ..."
    Am 23. September 1983, nur zwei Tage vor der nächsten Bürgerschaftswahl, spricht Hans Koschnick auf der Betriebsversammlung der AG Weser. In einem Verzweiflungsakt halten die Arbeiter ihre Werft seit einigen Tagen besetzt.
    O-Ton: "Wir wollen hier arbeiten, wir haben die Werft nicht umsonst besetzt. Und ich bin bestimmt der Letzte, ich bin schwerbehindert, aber ich bin bestimmt der Letzte, der hier runtergeht, das verspreche ich euch. Und kommt mir nicht mit einer Abfindung!"
    Hans Koschnick: "Ihr erwartet von mir, dass ich Erklärungen abgebe. Und ihr müsst wissen, wie brenzlig es um die ganze AG Weser steht. Und ihr müsst wissen, dass ich mich seit einem Jahr gerade um den Sozialplan mitbemühe."
    0-Ton: "Er hat versprochen, die AG Weser wird, solange er Bürgermeister ist, nie kaputt gehen. Nie, hat er gesagt. Dann sorgen wir doch mit unserer Stimme dafür, dass er nicht wortbrüchig werden muss."
    Doch die Bremer halten ihrem Bürgermeister die Treue. Koschnick gewinnt die Wahl mit absoluter Mehrheit. Am Tag darauf geben die Arbeiter resigniert die Besetzung auf. Auch die Hoffnungen der übrigen Bremer Werften zerplatzen: Anfang Dezember 1983 erklärt die Bundesregierung, sie werde die geplante Fusion zur Werftenrettung nicht unterstützen. Die erbrachte Vorleistung - die Schließung der AG Weser - macht Krupp auch nach dieser Absage nicht mehr rückgängig. Der Markt für Supertanker ist gestorben. Und für den Bau kleinerer Schiffe ist diese Werft einfach nicht geschaffen. Wolfgang Walter:
    "Ich habe damals den Ausdruck geprägt, dass die AG Weser die Werkzeuge eines Schmieds hatte, dass sie aber vor der Aufgabe stand, damit Uhren zu reparieren."
    Am 31. Dezember 1983 schließen die Tore der AG-Weser-Werft für immer. 2.200 Menschen verlieren damit ihre Arbeit.