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Werkstoff Graphen
Ein Eis-Sandwich der anderen Art

Graphen gilt als eine Art Wunderwerkstoff. Im Jahr 2010 bekam der Physiker Achim Geim den Nobelpreis für grundlegende Experimente mit dem Material. Nun hat Geim gemeinsam mit Kollegen weitergeforscht und mit Graphen eine spezielle Form von Eis erzeugt. Dabei ist die Molekülstruktur viereckig und die Sauerstoffatome hocken aufeinander.

Von Haluka Maier-Borst | 26.03.2015
    Jeder, der einen Kühlschrank hat, weiß, wie man Eis herstellt. Es ist nichts Spektakuläres. Und auch die molekulare Struktur ist stets dieselbe, wie die Physikerin Irina Grigorieva von der University of Manchester erklärt.
    "Wenn man Wasser bei normalen Bedingungen auf null Grad herunterkühlt, dann formt sich Eis immer auf die gleiche Weise. Die Wassermoleküle im Eis bilden sechseckige Strukturen. Und deshalb haben auch Schneeflocken immer eine sechseckige Symmetrie."
    Doch Irina Grigorieva und ihre Kollegen haben nun eine ganz neue Methode gefunden, um Eis herzustellen. Die Forscher haben ein nanometergroßes Eis-Sandwich erzeugt, wie sie im Fachblatt "Nature" berichten. Dafür nahmen sie zunächst eine Lage an zweidimensionalem Kohlenstoff, sogenanntes Graphen, und benetzten es mit einer Wasserschicht, die nur wenige Moleküle dick war. Anschließend legten sie eine weitere Lage Graphen auf das Wasser und schon passierte das kleine Wunder. Obwohl das Experiment bei Raumtemperatur geschah, erstarrte die dünne eingeklemmte Wasserschicht zu Eis. Und zwar zu einer Variante deren Struktur sich von herkömmlichem Eis deutlich unterscheidet.
    "Wenn sich Wasser zwischen zwei Graphenschichten zu Eis verwandelt, dann ordnen sich die Wassermoleküle zu Rechtecken an. Jedes Wassermolekül hat also vier Nachbarn und diese stehen alle im rechten Winkel zueinander. Und wenn wir zwei oder drei Lagen an Wassermolekülen übereinander hatten, dann saßen außerdem die Sauerstoffatome der verschiedenen Lagen direkt übereinander."
    Wasser steht unter Druck und wird zu Eis gepresst
    Doch wieso wird aus dem Wasser zwischen den beiden Graphenschichten plötzlich Eis? Der Grund dafür scheint die Van-der-Waals-Kraft zu sein. Diese Kraft wirkt zwar zwischen allen Molekülen, doch sie wird mit zunehmendem Abstand sehr schnell sehr schwach. Oftmals ist sie kaum zu messen.
    Weil jedoch die beiden Graphenschichten nur durch eine dünne Wasserschicht getrennt werden, ziehen sich die zwei Kohlenstofffilme gegenseitig stark an. Die Folge: Das Wasser in der Mitte steht unter solchem Druck, dass es zu Eis gepresst wird. Warum das Eis jedoch eine viereckige Struktur aufweist, bei der die Sauerstoffatome aufeinanderhocken, ist rätselhaft, denn Simulationen kamen zu einem anderen Ergebnis.
    "Das Experiment ist natürlich korrekt. Wir sehen, was wirklich im Versuch passiert. Aber es zeigt, dass wir noch sehr viel darüber lernen müssen, wie wir sowas korrekt simulieren."
    Das ungewöhnliche Sandwich-Eis könnte nun ein Phänomen erklären, dass die Forscher aus Manchester bereits 2012 beobachtet haben. Damals fiel ihnen auf, dass Membranen aus Graphen-Röhrchen für Wasser nahezu völlig durchlässig sind. Wasser schoss durch sie hindurch, als seien sie nicht vorhanden. Grigorieva glaubt, dass der merkwürdige Effekt mit dem Sandwich-Eis zusammenhängt.
    "Unser Experiment hilft uns zu verstehen, was passiert, wenn eine dünne Wasserschicht sich zwischen zwei Graphenschichten bewegt. Das Wasser wird zu Eis und die gefrorenen Wassermoleküle bewegen sich dann als Ganzes. Sie sind quasi aneinandergekoppelt wie bei einem Güterzug und flutschen geordnet durch die Graphen-Röhrchen. Die einzelnen Moleküle prallen also nicht ständig gegeneinander, so wie es bei normalem Wasser passiert."
    Dass Eis sich plötzlich in dünnen Röhrchen bildet und darum schnell durch sie hindurchflutscht, könnte auch erklären, wie in der Natur sehr viel Wasser sehr schnell in Zellen eindringen kann. Ein Phänomen, das bis heute nicht ganz verstanden ist.