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Werner J. Patzelt
Aufstand gegen Professor

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt trat in den vergangenen Wochen als Pegida-Experte auf. Jetzt brodelt es an seinem Institut an der TU Dresden, Studierende und Lehrkräfte distanzieren sich von ihm. Der Vorwurf: Patzelt analysiere Pegida nicht nur, sondern sympathisiere mit der Bewegung.

Von Alexandra Gerlach | 04.02.2015
    Porträt von Werner J. Patzelt
    Der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt. (dpa / Karlheinz Schindler)
    Er habe sich nie als "politischen Eunuchen" verstanden und werde sich auch hoffentlich nie politisch "kastrieren" lassen, erklärte Prof. Werner Patzelt gestern vor Journalisten, als er eine neue Pegida-Studie aus seinem Haus vorstellte. Bei seinen Studien in der Pegida-Szene und deren nachfolgender Analyse sei er seiner Verpflichtung als, so Patzelt wörtlich "öffentlicher Intellektueller" und Vertreter einer praktischen Wissenschaft gerecht geworden. Es sind markige, bildhafte Worte wie diese, die den Professor medial so gut punkten lassen.
    Popularität wird zum Problem
    Seit Wochen ist der Dresdner Politologe ein gefragter Gesprächspartner auf allen Wellen, wenn es um das Thema "Pegida und die Folgen" geht. Der 61-jährige, ursprünglich aus Bayern stammende Politikwissenschaftler, kann griffig formulieren und lässt auch den Humor dabei nicht zu kurz kommen. Doch jetzt ist seine Popularität zum Problem geworden. Studierende protestierten letzte Woche mit Flugblättern gegen die Deutungshoheit des Professors bei diesem Thema. Ihr Hauptvorwurf: Patzelt sei in der gesamten Pegida-Debatte mehr politischer Akteur denn Wissenschaftler gewesen und habe im Namen der Politikwissenschaft das Auftreten, die Ziele und das Vorgehen der islamfeindlichen Protestler verharmlost. Eine Politik-Studentin, die nicht genannt werden möchte, meint:
    "Ich habe die Demonstrationen auf jeden Fall als bedrohlicher wahrgenommen, es waren ja auch Migrantinnen zum Teil in Gegendemonstrationen, die sich im Heimgehen nicht wohlgefühlt haben, es gibt Journalisten, die davon berichten, dass sie bedroht und angegangen wurden, und ich denke, das kann man auch sehen, wenn man da mit offenen Augen hingeht."
    Der angegriffene Professor kontert prompt:
    "Was die Kritik von Studierenden und Mitarbeitern dieses Instituts betrifft, und wie ich damit umgehe? Erstens vollständig cool und gelassen. Weil nämlich der Angelpunkt der Kritik der ist, dass ich mich nicht in die sozusagen Akademiker-Einheitsfront eingereiht habe."
    Zunehmend vergrätzt reagieren einige seiner Kollegen auf das wiederholte Werben des Politologen Patzelt um Verständnis für die Nöte der Gruppe von bürgerlich - besorgten Pegida-Anhängern. Zugleich hatte er mehrfach scharf das Verhalten der Gegendemonstranten angegriffen. In einem offenen Brief haben sich ein Professor und elf Lehrkräfte vergangene Woche von den Äußerungen Patzelts distanziert. So auch Julia Schulze-Wessel:
    "Wir haben die Interviews, die er gegeben hat, sehr intensiv verfolgt und haben festgestellt, dass er sehr pauschal über die Gegendemonstranten richtet, politisch richtet. Er wirft ihnen vor, Feindbildpflege zu betreiben, er nennt sie hysterisch. Er unterschiebt ihnen pauschal, Pegida-Demonstranten als Faschisten, als Neo-Nazis, als Rassisten zu bezeichnen."
    Das sei falsch, sagt Schulze-Wessel, den Gegendemonstranten sei es vielmehr darum gegangen, auf die schwierige Lage der Migranten in der Stadt hinzuweisen. Ein Punkt, der in Patzelts Analysen kaum oder gar nicht vorkomme, so die Politologin.
    Kritik an Zeitungsartikel Patzelts
    Besonders erbost sind Studierende und Dozenten über einen Artikel, den der Politologe Patzelt kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter dem Titel "Edel sei der Volkswille" veröffentlicht hat. In seiner Analyse kommt der CDU-Mann zu dem Schluss, dass die öffentliche Wahrnehmung, geprägt durch – wie er schreibt - mehrheitlich links-liberal besetzte Medien alles, was einmal "als rechts von der Mitte" galt, jetzt schon als Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus und Faschismus" gesehen und gewertet werde. So sei ein gefühlt klarer Kanon dessen entstanden, was an Betrachtungsweisen, Begriffen, Sprachformeln und Argumenten in Deutschland "geht" oder eben "nicht geht". Nur wer sich daran halte, dürfe am öffentlichen Diskurs teilnehmen.
    Diese Ausgrenzung, so Patzelts These weiter, führe zu massivem Frust. Bürger, die sich rechts der Mitte artikulieren wollten, dürften in Talkshows allenthalben noch die Rolle des "Krokodils im Kasperletheater" geben, moniert er und warnt: die Folge sei eine Repräsentationslücke für einen gar nicht so kleinen Teil unserer Gesellschaft, deren unterrepräsentiertes Volksempfinden sich jetzt auf der Straße entlade. Patzelt glaubt, dass die Pegida-Bewegung am Ende ist. Der Vulkan sei explodiert, "jetzt regnet es nur noch Asche", so Patzelt gestern, "dann wird wieder Ruhe sein."
    Diese Sichtweise empfinden einige von Patzelts Kollegen als unwissenschaftlich und viel zu harmlos. Julia Schulze-Wessel weist darauf hin, dass nach einer neuen Studie aus dem Patzelt-Lehrstuhl rund ein Drittel der Pegida-Demonstranten den radikalen und fremdenfeindlichen Rechten zugerechnet werden könnten.
    "Der Kitt dieser ganzen Veranstaltung ist eine grundsätzliche Kritik an Zuwanderung, eine Angst vor Zuwanderung. Mich beruhigt das überhaupt nicht, wenn 70 % sagen, wir sind dafür, Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen und gleichzeitig an einer Demonstration teilnehmen, die hier den Rassismus in der Stadt verschärft."
    "Ich bin zu allem aufgelegt"
    An diesem Donnerstag wird es eine außerordentliche Institutssitzung zu den Vorwürfen gegen Professor Werner Patzelt geben. Dieser hat eine ausführliche Stellungnahme bis zum Ende der Woche in Aussicht gestellt. Einen Maulkorb vom Rektorat hat er nicht zu befürchten, Forschung und Lehre sind frei und es herrscht Meinungsfreiheit.
    "Und dann bin ich zu allem aufgelegt, wenn die Studierenden eine Vollversammlung oder eine Institutsversammlung machen, um über dies oder jenes zu reden, oder wenn die Institutsmitarbeiter eine Runde wünschen, ich gehe zu jeder!", so Werner Patzelt.