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Wert deutscher Studienpunkte im Ausland

In Bukarest treffen sich die europäischen Bildungsminister turnusmäßig zur Bologna-Konferenz. Der Bologna-Prozess soll die Mobilität zwischen den Hochschulen erhöhen - bis zu den gesetzten Zielen ist es aber noch ein langer Weg.

Armin Himmelrath im Gespräch mit Manfred Götzke | 26.04.2012
    Manfred Götzke: Worum ging's im Kern noch mal bei der Bologna-Reform? Bessere Vergleichbarkeit und Anerkennung von Studienleistungen. Und, hat's funktioniert?

    Julian Hiller: Wenn es um Anerkennung von Leistung geht, da ist einfach noch sehr, sehr viel zu tun. Auch gerade auf Universitätsebene und auch gerade an den Stellen, wo die Professoren und Professorinnen verantwortlich sind für die Anerkennung von Leistungen. Da muss einfach noch sehr viel passieren.

    Götzke: Sagt der Studierendenvertreter Julian Hiller. Heute und morgen kann der Student seine Kritik an prominenter Stelle zur Sprache bringen, nämlich auf der Bologna-Konferenz in Bukarest in Rumänien. Alle drei Jahre verständigen sich Bildungsminister, Studierende und Professoren über den Stand der Dinge in Sachen Bologna-Reform – diesmal wie gesagt in Bukarest.

    - Und für uns ist mein Kollege Armin Himmelrath dabei. Guten Tag, Herr Himmelrath!

    Armin Himmelrath: Tag, Herr Götzke!

    Götzke: Herr Himmelrath, was der Student da gerade angesprochen hat, das klingt ja nach 13 Jahren Bologna-Prozess ziemlich ernüchternd. Sehen die europäischen Bildungsminister die noch mangelhafte Anerkennung von Studienleistungen auch als Hauptproblem an auf dieser Konferenz?

    Himmelrath: Sie haben dieses Problem zumindest wahrgenommen. Und man muss schon sagen, dass hier auf der Konferenz sie sehr weit entfernt davon sind zu sagen, wir machen alles gut, es läuft alles bestens, wir müssen gar nichts ändern, wir müssen nichts verbessern. Also, diese Position hört man hier eigentlich nicht, im Gegenteil: Den Ministern ist schon klar, dass es immer noch große Probleme gibt. Die schauen natürlich nicht so sehr auf den Einzelfall, auf den einzelnen Studenten, der dann ein Problem hat, seinen Schein von einem Land ins andere mitzunehmen, sondern sie schauen auf die Strukturen. Und dann sind sie sehr schnell bei diesem Thema Mobilität, also der Frage, warum funktioniert das nicht, dass Leute hin und her wechseln zwischen den Ländern, so wie es ja im Bologna-Prozess eigentlich mal gedacht war. Helge Braun ist Staatssekretär im Bundesbildungsministerium. Und er sagt, wie er diese Agenda hier einschätzt, das, was hier behandelt werden muss.

    Helge Braun: Also, ein ganz wichtiges Thema ist natürlich die weitere Steigerung der Mobilität. Wir in Deutschland sind da natürlich schon relativ weit, aber der Durchschnittswert von 20 Prozent Auslandsaufenthalte von Studierenden im Bologna-Raum ist noch nicht erreicht. Und wie wir quasi Ziele, die wir uns schon früher gesteckt haben, jetzt in die Realität umsetzen, das ist ein wichtiges Thema, wenn nicht vielleicht sogar das wichtigste Thema dieser Bologna-Konferenz.

    Himmelrath: Da klingt natürlich schon auch ein ganzes Stück Zufriedenheit mit durch, weil tatsächlich ist Deutschland an diesem Punkt jedenfalls relativ weit. Es gibt andere Länder, da sind die Studierenden viel weniger unterwegs. Aber kaum ein Land hat es bisher geschafft, tatsächlich dieses Ziel zu erreichen, dass ein Fünftel der Studenten, dass jeder fünfte Student im Laufe seines Studiums irgendwann mal im Ausland war.

    Götzke: Wir haben vorhin ja schon den nicht ganz so zufriedenen Studierendenvertreter Julian Hiller gehört. Wie bewerten die Studenten die deutsche Entwicklung im europäischen Vergleich?

    Himmelrath: Sie sagen – es sind ja mehrere Studenten auch in der deutschen Delegation ganz offiziell vertreten – sie sagen, dass man sehr genau schauen muss, über welches Thema man redet. Also, es gibt Bereiche, in denen funktioniert es ganz gut. Es gibt Bereiche, in denen funktioniert es dann eher schwierig, in denen wird es problematisch. Und da hat Julian Hiller – er ist ja beim Vorstand des Freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften aktiv – eine ganz klare Meinung, was denn schiefläuft aus deutscher studentischer Sicht:

    Hiller: Deutschland hat einen der strukturiertesten und geradesten und beschränktesten Ansätze für die Umsetzung von Bologna in ganz Europa. Das heißt, bei uns sind sehr viele Dinge sehr festgelegt. Und an vielen Stellen fehlen den Hochschulen und auch den Studierenden die Wahlmöglichkeiten. Ein großer Vorteil, den wir tatsächlich im Moment haben in Deutschland, dass die Finanzierung des Bildungsbetriebs noch auf einem relativ hohen Niveau ist und Deutschland auch im internationalen Vergleich in der Vergangenheit eher investiert hat, davon profitieren wir auch.

    Himmelrath: Also eine durchaus, ja, kann man sagen, ambivalente Bilanz. Er sagte, einerseits eben wenig Flexibilität in dem, was die Studierenden machen können, andererseits geht es uns im Bildungssystem jedenfalls noch nicht so schlecht wie anderen Ländern.

    Götzke: Die Hochschulrektorenkonferenz in Deutschland, die hat Anfang der Woche über die Auswirkung der Finanzkrise auf die Bildungspolitik im Bildungsbereich diskutiert. Deutschland steht ja – wir haben es gerade gehört – da noch ganz gut da, welche Rolle spielt die Finanzkrise in Bukarest auf der Konferenz?

    Himmelrath: Die schwingt im Grunde überall immer so mit rein in diese Debatten. Tatsächlich gibt es in sehr vielen Ländern – das kann man merken – eine relativ große Angst davor, dass es zu Kürzungen kommt oder es gab schon Kürzungen. England ist ja so ein Beispiel, über das auch "Campus & Karriere" öfter berichtet hat. Also Probleme in den Ländern, wo gekürzt wird. Und da trifft man sich jetzt hier, zwei Jahre nach dem letzten Treffen, schaut ein bisschen, wie machen das die anderen, wie gehen die mit diesen Anforderungen der Finanzpolitik um. Man kann das auch so interpretieren, dass sie sich hier gegenseitig so ein bisschen den Rücken stärken, die Wissenschaftsminister und Bildungsminister, dass sie sich immer wieder versichern und auch klarmachen, Mensch, das, was wir hier machen mit dem Bologna-Prozess, da sind wir wirklich auf dem richtigen Weg. Das ist wichtig für Europa. Und wir müssen eben sehen, dass wir diese Wichtigkeit auch nach außen tragen, also letztlich unseren Regierungen, unseren Finanzministern deutlich machen, hier darf eigentlich nicht allzu viel gekürzt werden, nein, im Grunde andersrum, es muss noch mehr Geld geben. Aber so ganz klar wird man diese Forderung im Communique dann natürlich nicht wiederfinden.

    Götzke: Ja, so ein bisschen Selbstbestätigung gegenseitig kann ja auch mal ganz gut tun. Die Konferenz, die hat heute erst angefangen, wie geht's weiter in Bukarest und darüber hinaus?

    Himmelrath: Also, bis morgen wird hier getagt, bis morgen wird gesprochen. Und man wird schauen, wie das dann funktioniert. Es wird ein Bukarester Communique geben. Das hat allerdings nur, man kann sagen so eine Art Empfehlungscharakter für die einzelnen Länder, auch für die Hochschulen. Es ist schon schwierig, 46 Staaten und Deutschland, also insgesamt 47 unter ein Dach zu bekommen, das sieht man zum Beispiel an der Debatte über die Qualitätssicherung. Es gibt ja bei uns die Akkreditierung für die Studiengänge, gibt es in anderen Ländern auch. Aber längst einig ist man sich zum Beispiel noch nicht damit, ob man denn die Akkreditierung aus einem Land auch im anderen Land anerkennt. Also das, was die Studenten als kleines Problem erleben, das erleben auch die Großen, die Unis, die Studiengänge als problemübergreifend. Und was ganz interessant ist: Es gab einen Beschluss, der wird hier auch noch mal bestätigt, dass Weißrussland bis 2015 den Zugang zum Bologna-Prozess nicht bekommen wird aus politischen Gründen. Also, da gibt es tatsächlich auch ein bisschen mehr als reine Bildungspolitik.

    Götzke: Seit heute konferieren Bildungsminister und Studierende in Bukarest über den Bologna-Prozess. Armin Himmelrath hatte den Stand der Dinge für uns. Und wie es Bologna-mäßig in Bukarest weitergeht, dazu morgen mehr hier bei "Campus & Karriere".

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.