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West-Nil-Virus breitet sich in Europa aus

Medizin. - In den Tropen galten Mücken immer schon als potentielle Krankheitsüberträger. Bei uns werden sie meist als lästig empfunden, aber nicht unbedingt als gefährlich. Doch auch in Europa gibt es mittlerweile Mücken, die gefährliche Krankheiten übertragen können. Zum Beispiel das West-Nil-Virus. In schweren Fällen kann es zu einer Hirnhautentzündung führen – vor allem ältere oder immungeschwächte Menschen sind gefährdet. Bisher gibt es keinen zugelassenen Impfstoff gegen das Virus. Doch viele Arbeitsgruppen arbeiten daran, Impfstoffkandidaten stehen bereit, doch der letzte Schritt, die klinische Erprobung, fehlt noch.

Von Anna-Lena Dohrmann | 19.07.2012
    West-Nil-Virus – der Name ist schon lange nicht mehr Programm. Denn das Virus hat sich mittlerweile nicht nur in den USA sondern auch in Europa festgesetzt. Deshalb forschen Wissenschaftler weltweit an geeigneten Impfmethoden. Allen voran die USA. Seit dem plötzlichen Ausbruch 1999 hat das amerikanische Gesundheitsinstitut die Forschung forciert, so Patricia Repik, Leiterin der Abteilung für Viruserkrankungen:

    "Wir arbeiten an unterschiedlichen Ansätzen. Einige von ihnen gehören zu den sich replizierenden Impfstoffen, das sind sogenannte abgeschwächte Lebendimpfstoffe. Der Impfstoff basiert also auf einem aktiven Virusanteil, der so geschwächt wurde, dass er keine Krankheit auslösen kann. Trotzdem veranlasst er den Körper zu einer Immunantwort."

    Zu diesen Lebendimpfstoffen gehören auch sogenannte chimäre Viren. Sie benutzen als Gerüst eine Sequenz des Gelbfieber-Virus. Doch eine entscheidende Sequenz, die für die Hülle des Virus kodiert, kommt vom West-Nil-Virus. Dank des Gelbfieber-Gerüstes kann das Virus in die Zelle eindringen und dafür sorgen, dass seine eigenen Proteine von der Zelle gebildet werden. So wird also auch das West-Nil-Hüll-Protein produziert, das vom Immunsystem erkannt wird. Und das hat einen entscheidenden Vorteil, so Repik:

    "Dieses Virus würde sich im Körper vervielfältigen, ohne dass es gefährlich ist. Das heißt der Körper produziert Antikörper über eine lange Zeitspanne, weil das Virus sich lange im Körper vervielfacht. Der Körper bildet also Antikörper – Monat für Monat für Monat."

    Dass das wirklich funktioniert, konnte ein großer Impfstoffhersteller in ersten klinischen Studien am Menschen zeigen: Die Probanden produzierten fleißig Antikörper und hatten keine unerwünschten Reaktionen, was bei Lebendimpfstoffen besonders wichtig ist. Schließlich sind sie potenziell infektiös. Trotzdem verfolgt der Impfstoffhersteller diesen Weg nicht weiter. Der Grund: Das Unternehmen fokussiert sich jetzt auf Dengue-Fieber. Denn Dengue bietet schlichtweg einen viel größeren Markt. Vor allem die letzte Phase klinischer Studien ist bei West-Nil schwieriger. Das betont Elliot Parks, Leiter des Unternehmens Hawaii Biotech, das auch einen West-Nil-Impfstoff entwickelt.

    "Sie können Feldstudien für Dengue machen: Impfen Sie eine große Gruppe und vergleichen Sie, wie viele aus der geimpften Gruppe auf natürlichem Wege infiziert wurden mit der Anzahl der Infizierten aus der Kontrollgruppe. Das funktioniert in endemischen Regionen für Dengue. Aber natürliche West-Nil-Infektionen sind zu selten, sodass es schwierig ist, aussagekräftige klinische Ergebnisse aufgrund einer Feldstudie zu bekommen."

    Denn während es jährlich ungefähr 700 West-Nil Infektionen in den USA gibt, treten weltweit Millionen Dengue-Fälle auf. Doch ein Impfstoff braucht klinische Ergebnisse, um auf dem Markt zugelassen zu werden. Im Falle eines erneuten West-Nil-Ausbruchs könnte dieser Schritt also gegebenenfalls erleichtert werden. Neben den Lebendimpfstoffen gibt es noch weitere Ansätze – sogenannte Subunit-Impfstoffe. Daran arbeitet auch Elliot Parks. Diese Impfstoffe bestehen nur noch aus dem Hüllprotein des West-Nil-Virus, das im Labor hergestellt wird. Sie enthalten also keine aktiven und damit infektiösen Virusanteile. Deshalb eignen sie sich besonders für ältere oder geschwächte Menschen, so Elliot Parks.

    "Wir konnten zeigen, dass der Impfstoff sicher ist und auch, dass die Geimpften sogenannte Antikörper-Titer haben. Sie können die Antikörper im Blut des Geimpften messen. Und diese Titer sind relativ hoch. Und daraus schließen wir, dass diese Probanden gegen eine natürliche Infektion geschützt sind."

    Der Nachteil dieser Impfstoffe ist, dass sie nicht lebenslang halten. Meist ist eine Wiederholungsimpfung alle ein bis zwei Jahre notwendig. Und genau hier setzt die Idee eines DNA-Impfstoffes an: Forscher entwickeln eine DNA, die für das Hüllprotein kodiert. So würden die Zellen des Geimpften das Protein selber herstellen – und das könnte vielleicht sogar ein Leben lang schützen. Erste Verträglichkeitsstudien zu DNA-Impfstoffen in den USA sind vielversprechend. Noch gibt es zwar keinen zugelassenen Impfstoff, aber potenzielle Kandidaten stehen bereit und werden weiterentwickelt. Doch bisher treten nicht genügend West-Nil-Virus Fälle auf, dass die Industrie mit einem entsprechenden Budget die Marktreife forcieren würde.