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Westbalkan im Blick
Bulgarien übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

Bulgarien übernimmt für die kommenden sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Die Akzeptanz der EU ist innerhalb der Bevölkerung groß. In seiner Amtszeit will Bulgarien die Westbalkanregion in den Mittelpunkt stellen.

Von Clemens Verenkotte | 02.01.2018
    Ein Mann geht in Sofia an den Flaggen Bulgariens und der EU vorbei
    Flaggen Bulgariens und der EU in Sofia (EPA)
    Über dem Eingangsportal des Parlamentsgebäudes in Sofia sind die drei Worte in goldfarbenen Buchstaben eingelassen: "Einheit macht stark". Dieses Motto hat die bulgarische Regierung für die EU-Ratspräsidentschaft übernommen - als Appell und Aufforderung zugleich: An die Mitgliedsländer der Europäischen Union sowie an die Staaten auf dem Westbalkan, die ihre Zukunft in der EU sehen. Liljana Pawlowa, Ministerin für die EU-Ratspräsidentschaft, über die Ziele der bulgarischen Regierung für die kommenden sechs Monate:
    "Unsere Grundpriorität ist, dass die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft zu einer Balkan-EU-Ratspräsidentschaft wird. Wenn wir ein starkes Europa wollen, wenn wir eine Zukunft für Europa wollen, sollen wir gerade die Westbalkanländer einschließen, damit sie ein Teil davon werden. Deswegen wollen wir, dass die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft als die Balkan-EU-Ratspräsidentschaft in Erinnerung bleibt."
    Weichenstellung durch die Vorgängerregierung
    Die Westbalkanstaaten müssten eine klare EU-Perspektive erhalten. Die Beitrittskandidaten Serbien und Montenegro verhandeln bereits seit mehreren Jahren mit der EU-Kommission. Albanien und Mazedonien hoffen, in diesem Jahr die Gespräche mit Brüssel aufnehmen zu können. Die Ministerin weiter:
    "Wir haben drei Hauptprioritäten für den Westbalkan, die auch die drei wichtigsten Themen für das EU-Gipfeltreffen im Mai sind. An erster Stelle ist die EU-Perspektive für den Westbalkan. Wir wollen, dass für jedes einzelne Land des Westbalkans ein klarer Aktionsplan mit einer klaren Perspektive ausgearbeitet wird. Die zweite Priorität für den Westbalkan sind Sicherheit und Migration. Wir sprechen hier über Antiterrorismus, über Gefahren jeglicher Art und Radikalisierung. Die dritte Priorität für den Westbalkan sind die Verbindungen - einerseits die Infrastrukturverbindungen -, aber auch die sozialen und die zwischenmenschlichen Verbindungen."
    Mit den Vorbereitungen für die EU-Ratspräsidentschaft war bereits die Vorgängerregierung von Ministerpräsident Boiko Borissow befasst. Deniza Slatewa, stellvertretende Parlamentspräsidentin von der oppositionellen Sozialistischen Partei, stellte vor einem Jahr die Weichen. Sie war damals Vize-Ministerpräsidentin, koordinierte die Planungen im neu geschaffenen Ministerium für die EU-Ratspräsidentschaft. Deniza Slatewa wuchs in der damaligen DDR auf, und arbeitete später unter anderem auch für deutsche Unternehmen. Sie weist auf die bulgarischen Interessen an die kommenden sechs Monate hin:
    "Das eine ist der Schengen-Beitritt. Das Zweite ist Beendigung des Kooperations- und Kontrollmechanismus. Wir mit Rumänien sind die Länder, schon zehn Jahre nach dem Beitritt, dass wir noch unter diesem Mechanismus stehen und eine nationale Priorität, die nicht direkt mit der Ratspräsidentschaft verbunden ist, ist der künftige Beitritt zur Eurozone."
    Bulgaren stehen EU positiv gegenüber
    Über diese Ziele gebe es einen breiten innenpolitischen Konsens, über alle Parteigrenzen hinweg, so die stellvertretende Parlamentspräsidentin. Denn vor allem die Tatsache, dass das Land unverändert unter dem Kontrollmechanismus der EU steht, dass regelmäßig Fortschrittsberichte verfasst werden, über ein Land, das schon inzwischen über elf Jahre EU-Mitglied ist, betrachten viele Bulgaren als nicht mehr als unbedingt hilfreich. Generell sei die Akzeptanz der EU in der Bevölkerung konstant hoch, sagt Parwan Simeonow von Gallup International Institut in Sofia:
    "Die Bulgaren sind ein Volk, das größeres Vertrauen in die Europäischen Institutionen hat, als in die eigene Regierung."
    60 Prozent der Bulgaren vertrauen den europäischen Institutionen. Früher, so begründet der Politologe diesen langfristigen Trend in der Bevölkerung, sei die EU ein weit entfernter Traum gewesen. Heute sei die Mitgliedschaft längst Realität.