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Westerwelle verspricht Unterstützung für Tunesiens Wirtschaft

Außenminister Guido Westerwelle hat Premierminister Hamadi Jebali zugesichert, dass Deutschland den Menschen in Tunesien helfen will, eine wirtschaftliche Perspektive zu entwickeln - vor allem in den Bereichen Arbeit, Bildung und Mobilität.

Von Michael Stang | 09.01.2012
    Der arabische Frühling hat in Tunesien überall Spuren hinterlassen. Geht es nach der neuen Regierungspartei Ennahda, sollen vor allem in der Hauptstadt Tunis bald wirtschaftlich gute Zeiten anbrechen. Doch die Skepsis ist groß. Obwohl etwa bei Siemens in Tunesien durch den politischen Umsturz vor rund einem Jahr keine einzige Stunde Arbeit verloren ging, sind die Aussichten nur verhalten optimistisch. Der Generaldirektor Slim Kchouk konnte 2011 keine neuen Großaufträge abschließen, weil eine stabile politische Führung fehlte. Denn die großen Infrastrukturprojekte, die das Kerngeschäft von Siemens in Tunesien ausmachen, werden von der öffentlichen Hand vergeben. Zwar waren die Wahlversprechen groß, aber nicht zwangsläufig realistisch.

    "Was man in den letzten sechs Monaten gehört hat, ist wie man das Geld ausgibt und nicht, wie man das Geld verdient. Wie man die Situation von den verschiedenen staatlichen Firmen verbessert, das habe ich nicht gehört. Das Leitmotiv von allen Parteien ist: Man muss das Innere des Landes verbessern, man muss Jobs besorgen. Das haben alle Parteien gesagt. Aber wie man das macht, wie man das Geld gewinnt, das habe ich ein bisschen vermisst."

    Ein Problem war, so der 41jährige, dass sich das alte Regime früher vor allem auf die Mittelmeerküste und die Hauptstadt konzentriert hatte. Dies führte zu einem großen wirtschaftlichem Ungleichgewicht zwischen Landesinnerem und Küstengebieten. Um das Land auch wirtschaftlich stabilisieren zu können, müsse zuerst die gesamte Infrastruktur Tunesiens verbessert werden.

    "Wenn wir über Infrastruktur reden, dann reden wir über Straßen, über Zugverkehr, über Energietransport. Das sind die Sachen, wo wir mehr in der nahen Zukunft ein Wirtschaftspotenzial für Siemens sehen als jetzt Zukunftspläne wie Nuklear oder irgendwelche anderen Sachen, also erst einmal Infrastruktur."

    Allein mit Infrastrukturmaßnahmen lässt sich die Wirtschaft aber nicht langfristig ankurbeln, warnt Karim Azaiz von der Deutsch-Tunesischen Industrie & Handelkammer in Tunis. Das Land leidet unter einem großen Fachkräftemangel. Für viele Familien sei eine handwerkliche Berufsausbildung ihrer Kinder unter ihrer Würde. Dies hätte zur Folge, dass es heute auf dem Arbeitsmarkt keine ordentlich ausgebildeten Elektriker, Klempner oder Schreiner gibt, sondern zahlreiche Ingenieure ohne Praxiserfahrung.

    "Was man jetzt auch anpacken muss ist eine Stärkung der Berufsschulbildung, dass man sagt, man bildet jetzt im Rahmen eines Berufsschulwesens viel mehr Leute mit praktischen Fähigkeiten aus, also vielmehr diese Handwerkerebene, diese technische, Technikerebene stärken und nicht nur auf Hochschuldiplome sich fokussieren."

    Bevor solche langfristigen Maßnahmen greifen können, gilt es vorerst den Tourismus wieder in Gang zu bringen. Die zuständigen Experten müssten aus ihren Fehlern lernen, mahnt Karim Azaiz.

    "Beim Tourismus wurde zu sehr auf Masse statt Klasse gesetzt, es wurden Hotel-Beton-Burgen hochgezogen noch und nöcher, ohne sich die Kapazitäten vorher mal zu überlegen. Es wurden Hotels als 5 Sterne deklariert, die woanders in der Welt drei Sterne wären oder zwei Sterne. Es wurde viel zu sehr vernachlässigt dieser Bereich Bildungstourismus, Kulturtourismus, sondern es wurde viel zu sehr Fokus gelegt auf Stand-Sonne-Meer. Und so etwas können sie natürlich nur eine Zeit lang machen, irgendwann waren halt mal alle da und waren alle mal am Strand und ein zweites und drittes Mal gehen sie vielleicht nicht alle unbedingt an den Strand."

    Schöne Sandstrände gibt es schließlich auch in Marokko und in der Türkei. Einzigartige archäologische Stätten könnten hingegen ein Alleinstellungsmerkmal Tunesiens werden, ähnlich wie die Pyramiden für Ägypten.