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Westjordanland
Streit um Fördermillionen für israelische Siedlungen

Die israelische Regierung hat zusätzlich 17 Millionen Euro für die Siedlungen im Westjordanland bewilligt. Durch die jüngsten palästinensischen Anschläge sei die Lage weiter eskaliert. Die Opposition ist damit nicht einverstanden.

Von Tim Aßmann, ARD-Studio Tel Aviv | 22.06.2016
    Ein israelischer Soldat an einem Checkpoint im Ort Yatta im Westjordanland am 9.6.2016.
    Ein israelischer Soldat an einem Checkpoint im Ort Yatta im Westjordanland. (afp / Hazem Bader)
    Die Begründung klingt nach Notstand. Die Bewohner der Siedlungen im Westjordanland lebten in einer einzigartigen Sicherheitssituation, erklärte die israelische Regierung. Durch die jüngste Welle palästinensischer Anschläge sei die Lage weiter eskaliert und betreffe den Alltag der Siedler in vielerlei Hinsicht – psychisch, sozial, aber auch wirtschaftlich. Deshalb sollen nun umgerechnet knapp 17 Millionen Euro an staatlichen Förderungen fließen, zusätzlich zu rund 80 Millionen, die bereits im vergangenen Jahr bewilligt wurden.
    Israels Finanzminister Moshe Kahlon verteidigte die Zahlung der staatlichen Hilfen für die Siedlungen im Westjordanland, das in Israel auch Judäa und Samaria genannt wird:
    "Die Kritiker stören sich vor allem an dem Budget, das wir an Judäa und Samaria aus Sicherheitsgründen vergeben. Man darf nicht vergessen, dass diese Region unter terroristischen Anschlägen leidet – ich möchte nicht sagen, dass sie mehr als der Rest des Landes darunter leidet, aber mindestens genauso. In Judäa und Samaria leben hunderttausende Menschen, die Steuern zahlen, morgens zur Arbeit fahren und Reservedienst leisten. Sie sind ebenbürtige Bürger."
    Opposition: "Sie nutzen die Terrorwelle auf zynische Art"
    Die staatlichen Fördermittel sind allerdings zum Teil für Zwecke bestimmt, die nur sehr am Rande mit Sicherheit zu tun haben. Das Geld soll zwar zum Beispiel in den Katastrophenschutz investiert werden, gefördert werden aber auch Bildungsangebote für Erwachsene, Bauprojekte in den Kommunalverwaltungen und Tourismusangebote. Der Staat ist sogar bereit, den Bau von Hotels mit zu finanzieren. Wird das Argument Sicherheit also instrumentalisiert, um die international umstrittenen Siedlungen auf besetztem Land staatlich immer stärker zu unterstützen? So sieht es der israelische Parlamentsabgeordnete und Oppositionspolitiker der Zionistischen Union, Itzik Shmuli.
    "Sie nutzen die Terrorwelle auf unheimlich zynische Art. Sie nehmen sie als Vorwand um immer wieder Geld zu überweisen. Es nicht das erste Mal, dass Fördermittel in die Siedlungen fließen. Diese Gelder haben überhaupt nichts mit der Terrorwelle zu tun."
    Rund 350.000 Bewohner zählen die Siedlungen im Westjordanland mittlerweile. Die Siedler haben über verschiedene Parteien starken Einfluss in Israels Regierungskoalition. In den Siedlungen wird weiter gebaut und sie werden eben auch staatlich subventioniert. Kritiker dieser Förderpolitik rechnen vor, dass andere strukturschwache Regionen im Land deutlich weniger unterstützt werden. Liat Schlesinger arbeitet für das Molad-Zentrum, einen Thinktank, der gesellschaftliche Entwicklungen untersucht und Statistiken dazu führt. Im israelischen Fernsehsender Kanal 10 präsentierte Schlesinger Zahlen, um die Bevorzugung der Siedlungen zu belegen:
    "Im vergangenen Jahr investierte der Staat in jeden einzelnen Bürger der Siedlungen 30 Prozent mehr als in einen Bürger aus Galiläa, sogar 66 Prozent mehr als in alle anderen Bürger des Staates und in jeden Schüler in den Siedlungen wird doppelt so viel investiert. Darüber hinaus gibt es mehr staatliche Bauvorhaben als im Rest des Landes."
    Die Kritik an den umfangreichen Subventionen für die Siedlungen hält zwar an. Die Regierung aber zeigt sich unbeeindruckt und hat angekündigt weitere Investitionen in den besetzten Gebieten zu prüfen.