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Wettbewerb auf Deutschlands Dächern

Seit 1969 gilt in Deutschland: Den Kamin kehren darf nur der zuständige Bezirksschornsteinfeger. Doch die EU will mehr Wettbewerb. Dem Ende des Monopols ab 2013 sehen die Kaminkehrer allerdings gelassen entgegen.

Von Jörg Sauerwein | 28.12.2012
    Thomas Göttner ist mit seinem Auszubildenden im Bonner Stadtteil Muffendorf unterwegs. Ein paar Kamine müssen vor Silvester noch gekehrt werden. Seit einigen Jahren ist Göttner als Bezirksschornsteinfeger für jedes Haus in der Straße zuständig. Bei Heinz-Bert Jügel ist er zum Beispiel gleich mehrmals im Jahr auf dem verwinkelten Dachboden des über 200 Jahre alten Hauses zu Gast.

    "Weil wir hier aufs Dach nicht drauf kommen, haben wir eine obere Reinigungsöffnung und der Heinz hat ja unten einen Feststoffkessel drin stehen und da machen wir wie dreimal im Jahr heute unsere Schornsteinreinigung."

    Währenddessen überlegt Hausbesitzer Jügel, ob er in den letzten vier Jahrzehnten jemals Probleme mit seinem Bezirksschornsteinfeger hatte.

    "Das hat immer wunderbar harmoniert. Ich habe jetzt den Herrn Göttner, das ist jetzt der fünfte und ich war mit denen allen zufrieden."

    Bisher hatte Jügel aber auch gar keine Wahl. Der örtliche Bezirksschornsteinfeger kam ganz automatisch. Ab 2013 muss sich aber jeder Hausbesitzer wie Heinz-Bert Jügel selbst darum kümmern, welcher Schornsteinfeger die notwendigen Arbeiten erledigen soll. Er kann zum Beispiel auch einen aus dem benachbarten Köln kommen lassen. Macht er das nicht in den vorgegebenen Fristen, bekommt er Post vom bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger. Danach droht dann Post von der Stadt Bonn und gegebenenfalls ein Verfahren, das teuer werden kann. Jügel will sich aber gar keinen neuen Schornsteinfeger suchen. Gut für Thomas Göttner, der jedoch nicht davon ausgeht, dass er wirklich jeden Kunden behalten wird.

    "Den ersten Kunden wird jeder von uns haben, der sagt, ich suche mir einen neuen Schornsteinfeger – aus welchem Grund auch immer."

    Aber mit Dumping-Löhnen und harter Konkurrenz dank des neuen Wettbewerbs rechnet er nicht. Schon allein die Anfahrtskosten seien für Schornsteinfeger aus entfernteren Orten ein Problem.

    "Wir haben zurzeit eine Anfahrtspauschale jeweils pro Kunde – weil wir ja ein Haus-zu-Haus-Verkehr sind – ungefähr von neun Euro und es wird im Grunde auch betriebswirtschaftlich für jeden Betrieb schwer sein, da größere Strecken zurückzulegen, um das auch betriebswirtschaftlich darzustellen."

    Häufig ist der Schornsteinfeger mit seinem Azubi sogar mit neuen Elektrofahrrädern unterwegs. So günstig kann von auswärts keiner anreisen – erst recht, wenn er möglicherweise nur einen einzelnen Kunden hat. Deshalb sieht Göttner einer möglichen Konkurrenz gelassen entgegen. Ähnlich entspannt sieht das auch Dieter Lichtenberg, der Obermeister der Schornsteinfegerinnung von Köln. Er geht sogar davon aus, dass mit dem neuen Wettbewerb die Preise für das Schornsteinfegen nicht etwa sinken, sondern etwas steigen werden.

    "Es wird moderate Erhöhungen geben, weil die letzte Gebührenerhöhung unsererseits fand 2009 statt, aber das alles wird sich in einem Bereich halten, der sehr moderat sein wird und hier zu sogenannten Dumpingpreisen irgendwelche Arbeiten anzubieten, halte ich für ausgeschlossen."

    Zumal die Arbeiten nur mit entsprechenden Qualifikationen erledigt werden dürfen. Die eine oder andere Wohnungsgesellschaft dürfte aber mit Sicherheit auf die Idee kommen, die Preise runterhandeln zu wollen. Nach dem Motto: Wo viel zu kehren ist, muss es auch Rabatte geben. Aber selbst da sieht Lichtenberg zumindest für die nächste Zeit keine großen Wechseltendenzen:

    "Mittelfristig wird man es sehen. Aber im Moment sieht es so aus, dass die Wohnungswirtschaft an den zuständigen Bezirksschornsteinfegermeistern festhält, an den Betrieben, weil einfach der Verwaltungsaufwand mit den Feuerstättenbescheiden und die Nachweispflicht so viel Formalismus und Arbeitsaufwand bedeuten würde in der Wohnungswirtschaft, dass da im Moment – so denke ich zumindest – dieses nicht stattfinden wird."

    Als 2008 bekannt wurde, dass das Monopol der Kehrbezirke fallen wird, hat das für viel Aufregung bei den Schornsteinfegern gesorgt. Wer aber bisher mit seinen Kunden gut umgegangen ist, der müsse jetzt auch keine Angst haben, sagt Thomas Göttner:

    "Die Kunden kennen uns durch den persönlichen Kontakt. Und es besteht da gar nicht so groß der Wunsch, sich einen neuen Handwerksbetrieb für Schornsteinfegerarbeiten auszusuchen."

    Außerdem können die Schornsteinfeger jetzt mit entsprechenden Qualifikationen auch noch andere Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel die Energieberatung. Und da gibt es für Göttner und seine Mitarbeiter so viel zu tun, dass die Arbeit momentan eher mehr als weniger wird.