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Wettbewerb "Das Lied"
Quasthoffs Erben gesucht

Der Bassbariton Thomas Quasthoff hat 2009 einen Wettbewerb für Nachwuchssänger ins Leben gerufen: "Das Lied". Zum fünften Mal fand der internationale Wettbewerb, der sich ausschließlich der kleinen Form des Kunstliedes widmet, nun in Heidelberg statt. 116 Talente präsentierten Lieder von Franz Schubert, Robert Schumann und Wolfgang Rihm.

Von Claus Fischer | 06.03.2017
    Thomas Quasthoff und die Preisträger des diesjährigen Wettbewerbs "Das Lied" stehen zum Gruppenfoto auf einer Bühne.
    Zur Förderung des Genres Lied hat Thomas Quasthoff den Wettbewerb "Das Lied" ins Leben gerufen. (Deutschlandradio/ Claus Fischer)
    Andre Baleiro kommt aus der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Im vergangenen Jahr konnte der 28-jährige Bariton beim Robert-Schumann-Wettbewerb in Zwickau einen ersten Preis erringen. Dadurch angespornt ist er nun auch beim Wettbewerb "Das Lied" in Heidelberg angetreten.
    "Meine erste Gesangslehrerin hat an der deutschen Schule in Portugal studiert und hat eine starke Beziehung zu dem deutschen Kunstlied. Mit ihr hab ich das angefangen und ich hab mich sofort darin verliebt und deswegen bin ich nach Deutschland gekommen und hab hier studiert. Ja, das ist eine Leidenschaft."
    26 jungen Sängerinnen und Sänger wurden ausgewählt
    Andre Baleiro war einer von 116 jungen Sängerinnen und Sängern, die sich um die Teilnahme am Wettbewerb beworben hatten. 26 haben Thomas Quasthoff und seine Mitorganisatoren schließlich ausgewählt, sie kamen aus 20 Nationen. Der Initiator und Juryvorsitzende betont aus eigener Erfahrung, wie wichtig Wettbewerbe für das berufliche Fortkommen sind.
    "Ich habe 1988 den ARD-Wettbewerb gewonnen oder gewinnen dürfen. Und bin da eigentlich hingefahren und gesagt: Da fahr ich mal hin und bin nach drei Tagen wieder zurück. Bin dann drei Wochen in München geblieben und darf wohl sagen, ich habe danach wirklich eine Weltkarriere gemacht."
    Die ersten vier Ausgaben des Wettbewerbs "Das Lied" haben in Berlin unter der Ägide der Hochschule für Musik Hanns Eisler stattgefunden. Dass nun das Festival "Heidelberger Frühling" als neuer Veranstalter fungiert, ist nachvollziehbar, meint dessen Intendant Thorsten Schmidt.
    "Heidelberg ist eine Liedstadt: "Wunderhorn"-Sammlung, Codex Manesse und viele andere Dinge. Eichendorff war hier, Schumann hat hier entschieden, Musiker zu werden, der deutsche Hiphop ist hier entstanden, der "Zupfgeigenhansel" und so weiter und sofort."
    Vor zwei Jahren wurde unter dem Dach des Festivals Heidelberger Frühling ein "Liedzentrum" gegründet, dass diese besondere Tradition erforschen und aktiv pflegen soll, unter anderem durch Konzerte und Kurse.
    "Thomas Quasthoff war hier bei der Liedakademie als Dozent auch", sagt Thorsten Schmidt, "und hat dann irgendwann den Wunsch geäußert, dass er gerne mit dem Wettbewerb an diesen Ort gehen möchte, weil er das Gefühl hat, es ist eigentlich der bessere Ort für diesen Wettbewerb."
    Clara Osowski kommt aus den USA. Das Interesse am deutschen Kunstlied ist bei ihr familienbedingt, denn ihre Vorfahren kamen aus Deutschland. Aber sie schätzt auch die Schönheit der Texte.
    "I´m going back to my heritage a little bit, but also the poetry is really astonishing!”
    Zwei Weltstars in der Jury: Dame Felicity Lott und Brigitte Fassbaender
    Die Jury beim Wettbewerb "Das Lied” war äußerst hochkarätig besetzt. Als wohl prominentestes Mitglied konnte Thomas Quasthoff die englische Sopranistin Dame Felicity Lott gewinnen.
    "Ich habe immer Liederabende gemacht und ich finde: Auch für die Gesundheit der Stimme ist es sehr wichtig - weil man ist 'nackt' auf der Bühne, nur mit einem Klavier."
    "Die Fantasie, die Intuition sind in höchstem Maße gefragt", betont Kammersängerin Brigitte Fassbaender, ebenfalls Mitglied der Jury, "Disziplin, Kultur, Sensibilität, die Sprachbehandlung, das Ausdeuten, das Ausleuchten, den Hintergrund erfüllen – dass man in kürzester Zeit eine ganze Welt erobern muss und schildern muss!"
    "Ich möchte, dass ich zum Weinen komme", sagt Dame Felicity Lott, "oder zum Staunen…ja, ich wünsche mir etwas Besonderes!"
    Lieder dreier Komponisten mussten die Teilnehmer in den drei Wettbewerbsrunden präsentieren: Franz Schubert, Robert Schumann und Wolfgang Rihm. Die Auswahl war ihnen freigestellt. So hörte man selbstverständlich Schuberts "Musensohn" oder Schumanns "Mondnacht", aber auch sehr viel weniger Bekanntes aus deren Oeuvre. Jurymitglied Brigitte Fassbaender stellte fest, dass die Mehrheit der Teilnehmer aber die Lieder von Wolfgang Rihm am besten darbot, was wohl an deren moderner Tonsprache liegt.
    "Die ist ihnen gemäß, und die ist den Emotionen gemäß, da werden sie viel besser mit fertig. Drum gebe ich immer den Rat: Singt Schubert und Schumann wie Rihm und Rihm wie Schubert und Schumann!"
    Bewertet wurden die Kandidaten nach einem klassischen Punktesystem. Das hatte auch seine Tücken, stellte Dame Felicity Lott nach der ersten Runde fest.
    "Es waren ein paar Sänger, Sängerinnen, die ich nicht wollte für die zweite Runde."
    Doch die Mehrheit der Jury entschied anders.
    "Wir sind nicht alle der gleichen Meinung, aber es gibt keinen Streit", sagt Dame Felicity Lott.
    Die Bewertung durch ein Punktesystem ist tatsächlich nicht unproblematisch. Denn Teilnehmer, die zwar ausgezeichnet singen, aber polarisierend auf einzelne Juroren wirken, scheiden aufgrund von Mehrheitsentscheidungen aus. So kommen häufig diejenigen an die Spitze, die "am wenigsten wehtun". Die Auswahl der Finalisten nach der zweiten Runde erfolgte allerdings einstimmig, betont Brigitte Fassbaender - durchaus überrascht.
    "Da gab es keinerlei Diskussionen, wir hatten genau dieselben Sänger ausgewählt, jeder für sich, die Punkteauswahl hat vollkommen dieselbe Reihenfolge ergeben."
    Der große Überflieger war nicht dabei - die Preisträger 2017
    Der dritte Preis beim Internationalen Wettbewerb "Das Lied" ging an den isländischen Bariton Johann Kristinsson. Er bekam dazu den Preis des Publikums, das das Finale in der Heidelberger Stadthalle gespannt verfolgte. Clara Osowski wurde glückliche Zweite. Den Preis, dotiert immerhin mit 7.500 Euro, sieht sie als Ansporn, in ihrer Heimat USA gerade dort mit deutschen Kunstliedern aufzutreten, wo dieses Genre noch unbekannt ist.
    "To find more opportunities to have Lieder be done in places that wouldn´t necessariliy hear it.”
    Der erste Preis, dotiert mit 15.000 Euro, ging an den 27-jährigen Bariton Samuel Hasselhorn aus Deutschland, der beim Heidelberger Publikum, in dem auch eine Reihe von Künstleragenten saßen, doch eher als Außenseiter rangierte. Kürzlich hat er sein Studium an der Musikhochschule Hannover beendet. Die Auszeichnung ist für ihn, meint er Bestätigung, aber auch Ermutigung.
    "Es geht immer weiter, daran zu arbeiten, an der Stimme, an der Interpretation, am Repertoire, das ist unendlich und es gibt Mut und Kraft, weiterzumachen!"
    Kammersängerin Brigitte Fassbaender brachte am Ende des Wettbewerbs das auf den Punkt, was wohl auch viele im sachverständigen Publikum dachten.
    "So der große Überflieger war wohl nicht dabei, habe ich das Gefühl."