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Wettbewerb "Neue Stimmen"
Opernstars von morgen

Seit 30 Jahren findet in Gütersloh der Wettbewerb "Neue Stimmen" statt. Das Finale konnte im Livestream verfolgt werden. Der Wettbewerb will nicht nur die weltweit besten Talente entdecken, sondern sie auch langfristig und nachhaltig fördern.

Von Sylvia Systermann | 16.10.2017
    Sängerin Svetlina Stoyanova am 14. Oktober in der Stadthalle von Guetersloh beim Finale des Wettbewerbs NEUE STIMMEN 2017.
    Die Sängerin Svetlina Stoyanova beim Wettbewerb der Neuen Stimmen - den sie am Ende auch gewann. (Besim Mazhiqi )
    "Dieser Wettbewerb ist so wichtig, jeder kennt ihn und er hat schon viele Türen geöffnet."
    Svetlina Stoyanova hat gute Chancen, dass sich auch ihr Türen zu Agenturen, Opernhäuser, Festivals, Plattenlabels öffnen. Beim Wettbewerb "Neue Stimmen" in Gütersloh gewann die bulgarische Mezzosopranistin an diesem Wochenende den ersten Preis.
    Studiert hat Svetlina Stoyanova in Schottland. Eine Agentur oder Verträge hat sie noch nicht. Hier setzt der Wettbewerb "Neue Stimmen" an, der mit Seminaren und Coachings die Teilnehmer bei ihrer Karriereplanung unterstützen will. "Neue Stimmen - Creating careers" prangt es auf roten Pressemappen, roten Wettbewerbsbannern und von großen Monitoren, die beim Finale in der Stadthalle Gütersloh von jedem Platz aus einen guten Blick auf die Sänger erlauben.
    Übertragung des Wettbewerbs im Internet
    Kameras filmen die Auftritte, alles kann per Livestream im Netz verfolgt werden. Mindestens so wichtig wie Filme und Fotos im World Wide Web ist jedoch auch eine kluge Disponierung der Rollen. Schließlich ist die Stimme ein sensibles Instrument, das falsche Entscheidungen zur falschen Zeit nicht gerne verzeiht, weiß Svetlina Stoyanova.
    "Wenn man zu früh zu viel macht, ist es gut möglich, dass man seine Zukunft, seine Stimme, seine Karriere beschädigt. Man muss sich gut überlegen, welche Angebote man zusagt. Aber dafür sind Lehrer wichtig und darüber haben wir gleich am ersten Abend in Gütersloh mit den Juroren gesprochen. Sie haben uns gesagt, egal was passiert, sie geben uns Ratschläge, wenn wir darum bitten. Ich hoffe also, dass ich von ihnen Anregungen bekomme."
    Die Stimmen der Jury haben Gewicht, sie ist prominent besetzt mit Intendanten führender Opernhäuser und Festivals.
    International ist der Gesangswettbewerb seit vielen Jahren aufgestellt, der als Europäischer Sängerwettstreit vor 30 Jahren von der Präsidentin Liz Mohn initiiert wurde. 1.440 Bewerber aus 76 Ländern hatten sich in diesem Jahr beworben. Die Finalisten kamen aus Bulgarien, Russland, Schweden, Deutschland, Kanada, Südkorea und China. Eine schöne Stimme allein reicht bei der globalen Konkurrenz schon lange nicht mehr aus, weiß Ines Koring, Projektleiterin von "Neue Stimmen".
    "Wir wissen, dass der Sänger heute in gewisser Weise auch sein eigener Manager sein muss. Dazu gehört heute der große Online Auftritt, der Sänger, der sich irgendwo vorstellt, hat im Bestfall ein professionell geschnittenes Video. Ein Betriebsdirektor eines Hauses oder auch jeder andere Arbeitgeber, der einen Sänger einstellt, wenn der die Chance hat auf YouTube ein Video anzuschauen, bekommt er eine Idee."
    Wettbewerb will langfristig und nachhaltig fördern
    "Neue Stimmen" will nicht nur die weltweit besten Talente entdecken, sondern sie auch langfristig und nachhaltig fördern. Wissend, dass die Hochschulen ihre Ausbildung auf die Solokarriere ausrichten, aber nur die Wenigsten als Solisten ihr Geld verdienen werden.
    "Der globale Opernmarkt ist ein hartes Geschäft. Und ein junger Sänger hat umso größere Hürden diesen Markt erstmal den Einstieg zu finden, aber auch dort zu bleiben. Und es gibt natürlich auch unbenommen der Solokarriere weitere attraktive Berufsmöglichkeiten. Wir wollen ihnen bewusst machen, wenn ihr diesen harten Weg geht, müsst ihr stark sein, ihr braucht Resilienz, ihr braucht körperlich, psychische Fitness und ihr müsst euch bewusst sein darüber, wenn ihr eine Familie wollt, oder ihre seid mehr der Typ, der häuslich verankert ist, überlegt euch, ob da wirklich was für euch ist, oder es Alternativen gib, um dieses Talent zu nutzen und zu zeigen, aber in einer anderen Art."
    Der Wettbewerb will Mut machen zum Perspektivwechsel für alle, die es nicht aufs Siegertreppchen schaffen - einerseits. Andererseits hat schon so mancher Teilnehmer Karriere gemacht, der bereits vor der Endrunde ausgeschieden ist. Ein Wettbewerb, betont Dominique Meyer, Juryvorsitzender und Direktor der Wiener Staatsoper, ist eben nur eine Momentaufnahme.
    "Man muss vorsichtig sein, weil natürlich in dieser Materie ist die Wahrheit eines Tages nicht unbedingt die Wahrheit vom nächsten Tag. Weil natürlich, gibt es die Nebensachen, die nicht unwichtig sind, wenn man nervös ist, wenn man angespannt ist, wenn man bemerkt, dass das wichtig sein kann für die künftige Karriere, kann es natürlich Schwankungen geben von einem Tag zum anderen. Aber zuerst was man haben muss, sie haben eine schöne Stimme."
    "Geschafft hat man es glaube ich nie"
    Die hat zweifellos auch Johannes Kammler. Der deutsche Bariton gewann bei den "Neuen Stimmen" den zweiten Preis, unter anderem für seine Arie "Mein Sehnen, mein Wähnen" aus "Die tote Stadt" von Korngold.
    Den Einstieg in den Opernbetrieb hat Johannes Kammler eigentlich schon geschafft. Zwei Jahre war er Mitglied im Opernstudio an der Bayerischen Staatsoper. In der aktuellen Spielzeit ist er dort Ensemblemitglied. Warum setzt er sich dennoch dem Stress eines Wettbewerbs aus?
    "Geschafft hat man es glaube ich nie, außer man ist Jonas Kaufmann, dann läuft's natürlich. Wettbewerbe sind sehr wichtig, weil man sich da, plump gesagt, ganz viele Vorsingen sparen kann, weil es kommen so viele Agenten und Operndirektoren und Intendanten und hören sich das an und es wird natürlich überall übertragen, dass das sehr, sehr positiv sein kann."
    "Das ist ja das Schöne hier, wir sind hier nicht auf der Suche nach Jahrhunderttalenten, sondern wir wollen einfach den Nachwuchs fördern. Und wollen auch mit unserem Einsatz hier in der Jury den jungen Menschen zeigen, auch wenn es nicht wirklich die Jahrhundertstimme ist, wir brauchen euch! Wir brauchen wirklich gute Sängerinnen und Sänger, die ihren Job mit Leidenschaft ausüben und da ist Platz für viele", betont Elisabeth Sobotka, Intendantin der Bregenzer Festspiele.
    Dass den Juroren und Organisatoren das Wohl der jungen Sängerinnen und Sänger am Herzen liegt, das war auch in der rundum warmherzigen Betreuung hinter den Kulissen deutlich zu spüren.