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Wettbewerbsrecht
EU-Kommission stellt sich gegen Gazprom

Der russische Energiekonzern Gazprom missbraucht nach Ansicht von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager seine marktbeherrschende Stellung in Osteuropa. Bis zu sieben Milliarden Euro Strafe drohen. Der Konzern weist die Vorwürfe von sich, auch Russland reagiert empört.

Von Jörg Münchenberg | 22.04.2015
    EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager während einer Pressekonferenz, um das Verfahren gegen Gazprom vorzustellen.
    EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager geht auch gegen Google vor. (AFP / Emmanuel Dunand)
    Die EU-Kommission geht auf Konfrontationskurs gegenüber Gazprom. Der russische Konzern verfolge eine Strategie zur Abschottung der Gasmärkte in Mittel- und Osteuropa, lautet der zentrale Vorwurf. Acht Länder seien davon betroffen, so EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager heute, die drei baltischen Staaten, Ungarn, Polen, Bulgarien, die Tschechische Republik sowie die Slowakei:
    "Gazprom ist überall auf diesen Märkten dominant, in einigen Ländern sogar der zentrale Gasversorger. Und in unserer Beschwerdemitteilung gehen wir davon aus, das Gazprom seine marktbeherrschende Stellung missbraucht" - und damit gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt.
    Ermittlungen seit vier Jahren
    Seit 2011 laufen die entsprechenden Untersuchungen. Doch auch die Vermittlungsgespräche zwischen beiden Seiten über mögliche Zugeständnisse waren im letzten Jahr ergebnislos abgebrochen worden. Während aber Amtsvorgänger Almunia auf eine Verschärfung des Verfahrens verzichtet hatte, zeigt sich Vestager - wie auch im Fall von Google - unnachgiebig. Die Strategie von Gazprom ziele letztlich auf eine Spaltung des europäischen Binnenmarktes ab:
    "Es gibt etwa territoriale Beschränkungen in den Verträgen. Eine Maßnahme dabei, dass es einem Kunden von Gazprom in einem Mitgliedsland vertraglich nicht erlaubt ist, Gas an ein anderes Mitgliedsland zu liefern. Damit aber war es Gazprom möglich, höhere Gaspreise zu verlangen, weil der Konzern keine Konkurrenz befürchten muss." Das aber sei eine unlautere Preispolitik.
    Bis zu sieben Milliarden Euro Strafe
    Gazprom hat nun zwölf Wochen Zeit, um sich zu den Vorwürfen zu äußern. Anschließend muss sich wiederum die Kommission positionieren. Bleibt sie bei ihrer Bewertung, kann Brüssel Strafen in Höhe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes verhängen - das wären für Gazprom derzeit rund sieben Milliarden Euro. Noch aber sei nichts entschieden, betonte die Wettbewerbskommissarin, wohl wissend, wie heikel dieses Dossier ist. Spielt doch der staatseigene Gazprom-Konzern in der russischen Außenpolitik eine wichtige Rolle, etwa in der Ukraine-Krise. Gleichzeitig steht er für 30 Prozent der europäischen Gasimporte. Aber: "Aus meiner Sicht ist das ein Wettbewerbsfall. Und wie immer beruht er auf Fakten, auf der Interpretation der Fakten und den Beweisen, die wir gefunden haben".
    Lob für diese Haltung gab es aus dem Europäischen Parlament. Der Chef der deutschen Christdemokraten, Herbert Reul, CDU, sagte: "Es gilt in Europa: vor dem Gesetz sind alle gleich. Und die Kommissarin muss für alle die gleichen Maßstäbe anlegen, auch für große russische Konzerne. Und wenn es einen Verdacht gibt und wenn sie den Verdacht hat, und dafür Begründungen vorhanden sind, dann hat sie die Pflicht, dem nachzugehen".
    Gazprom selbst wies die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Man erwarte, dass das Verfahren in bereits getroffenen Vereinbarungen zwischen beiden Seiten gelöst werde. Noch schärfer wurde der russische Außenminister Sergej Lawrow - die Vorgehensweise der Kommission sei "völlig inakzeptabel".