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Coronakrise
3.000-Euro-Ausbildungsprämie erntet Lob und Kritik

Damit sich der Fachkräftemangel durch die Coronakrise nicht zusätzlich verschärft, hat die Bundesregierung eine Ausbildungsprämie beschlossen. Sie soll Betriebe mit bis zu 3.000 Euro pro Azubi bezuschussen, wenn sie die Zahl ihrer Ausbildungsplätze stabil halten oder sogar steigern können.

24.06.2020
Junge Erwachsene mit Atemschutzmaske arbeitet stehend an einem Tisch in einer Werbefirma
Eine Auszubildende in einer Kreuzberger Werbefirma in Berlin am 24.06.2020 (Wolfgang Kumm/ dpa)
Der Zuschuss für Ausbildungsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen müsse schnell kommen, sonst könnte er seine Wirkung verfehlen. Das mahnen Wirtschaftsvertreter in den Bundesländern, die die Nöte von Ausbildungsbetrieben verfolgen, bereits seit einigen Wochen an, denn: "Am 1. August beginnt das nächste Ausbildungsjahr und jetzt werden die Verträge geschlossen. Deswegen müssen wir hier schnellstens Klarheit dafür haben", sagt Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg.
Fachkräfte auf Wanderschaft
Fachkräfte werden mittlerweile in vielen Berufen gesucht und auch gezielt aus dem Ausland angeworben. Doch der Weg in den Arbeitsmarkt ist weder für Hochschul- noch für Berufsabsolventen leicht.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (24.06.2020) die Eckpunkte für ein Hilfspaket beschlossen, wonach Betriebe, die trotz Einbrüchen durch die Coronakrise neu ausbilden, bis zu 3.000 Euro Prämie pro Ausbildungsplatz erhalten sollen. Die Prämie soll dafür sorgen, dass die betriebliche Ausbildung wegen der Coronakrise nicht einbricht. Denn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wurden bisher deutlich weniger Lehrverträge abgeschlossen. Bislang sind schon über 10.000 Ausbildungsplätze wegen der Krise gestrichen worden, berichtet Dlf-Hauptstadtkorrespondent Volker Finthammer.
"Guter Stimulierungseffekt"
Seine Handwerkskammer erhalte viele Anfragen betroffener Unternehmen, die nun Klarheit bräuchten, sagt Grupe: "Im Handwerk, das sind oft Klein- und Kleinstbetriebe. Die bilden nicht jedes Jahr aus, die bilden alle paar Jahre aus. Und wenn die dann sagen, dieses Jahr nehmen wir mal keinen Lehrling, und das sagen alle, dann haben wir ein Riesenproblem. Dann haben wir den Effekt, dass dieses Jahr fast gar keine Ausbildung stattfindet. Das wäre natürlich fatal. Und deswegen ist dieser Stimulierungseffekt richtig und gut."
Ein Auszubildender bei der Metallbau Windeck GmbH schweisst einen Fensterrahmen zusammen.
Ein Auszubildender im Metallbau (imago / Thomas Köhler)
Dirk Werner, Ausbildungsexperte am Institut der Deutschen Wirtschaft, sieht die beschlossene Summe kritisch. Im Dlf sagte er : "Für die Unternehmen, die wirklich von der Krise betroffen sidn, sind natürlich 2.000 bis 3.000 Euro nur ein kleiner Teil, nämlich zehn Prozent. Denn wir sind im Moment bei fast 21.000 Euro Bruttokosten, die ein Azubi pro Jahr im Unternehmen kostet. Die beschlossene Summe dürfte am Ende vielleicht doch nicht den entscheidenden Impuls geben, dass ein Ausbildungsverhältnis geschlossen wird."
Kritik an mangelnder Branchen-Differenzierung
Werner vermisst in dem Beschluss auch eine stärkere Differenzierung nach Branchen: "Automobilbranche ist massiv betroffen, Bauwirtschaft nur schwach. Da ein bisschen genauer hinzugucken, wo die Förderung nötig ist, das wäre hilfreich."
Kleine und mittlere Unternehmen, die in diesem Jahr so viele junge Menschen ausbilden wie in den drei Jahren zuvor, sollen nach Ablauf der Probezeit 2.000 Euro für jeden abgeschlossenen Ausbildungsvertrag erhalten. Wer mehr als in den drei Vorjahren ausbildet oder Auszubildende von insolventen Betrieben übernimmt, erhält 3.000 Euro.
Voraussetzung ist, dass die Unternehmen durch die Krise durch Umsatzeinbrüche oder Kurzarbeit besonders betroffen sind. Das Hilfsprogramm soll 500 Millionen Euro umfassen. Die Regierung will auch die Ausbildungsvergütung mit 75 Prozent bezuschussen, wenn Unternehmen mit hohem Arbeitsausfall auf Kurzarbeit für Ausbilder und Auszubildende verzichten.
"28 Prozent der Firmen können mit Ausbildung nicht beginnen"
Die finanzielle Not sei aber nicht das einzige Problem der Unternehmen, sagt Jürgen Hindenberg, der bei der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg für Aus- und Weiterbildung verantwortlich ist:
"Wir haben als IHK Bonn/Rhein-Sieg bei all unseren Ausbildungsbetrieben eine Umfrage gemacht und 28 Prozent aller Unternehmen können aus wirtschaftlichen Gründen zum 1.8. oder 1.9. in diesem Jahr mit der Ausbildung nicht beginnen. Auf der anderen Seite – die Schulen sind geschlossen, die Arbeitsagenturen sind nur online zu erreichen, die Jugendlichen nehmen die digitalen Angebote sehr zögerlich wahr – fehlen in anderen Betrieben die Bewerber."
Steinmeier-Bitte: weiter ausbilden!
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte am Dienstag (23.06.2020) gemeinsam mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften an Unternehmen, trotz der schwierigen Situation weiter auszubilden. Bei den Ausbildern, an die sich der Appell richtet, ist die Einschätzung allerdings gemischt, inwieweit die Prämie helfen kann, Ausbildungsplätze zu schaffen.
Einer von ihnen ist der Unternehmer Sandor Krönert. Er leitet eine Tanzschule, ein Hotel und ein Restaurant in Bonn. Er will trotz der Krise wie gehabt insgesamt sieben Ausbildungsplätze für Tanzlehrer, Systemgastronomen und Bürokaufleute anbieten:
"Erstmal psychologisch, dass sich die kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht allein gelassen fühlen, ist die Prämie ein wichtiges Zeichen. Was die Prämie nicht machen wird in meinen Augen, weder bei uns, noch bei vielen anderen Unternehmen: Sie wird nicht Ausbildungsplätze schaffen, denke ich. 2.000 Euro oder 3.000 Euro ist gutes Geld, aber das ist natürlich kein Vergleich zu den Gesamtkosten eines Ausbildungsverhältnisses über drei Jahre."
Duales System bedroht?
Aber hier und da scheint die Initiative der Bundesregierung doch Wirkung zu zeigen. Friedrich Rohrschneider ist stolz darauf, dass er seit der Gründung des gleichnamigen Autohauses in Staßfurt in Sachsen-Anhalt zu den größten Ausbildern in seiner Region gehört. Für dieses Jahr hat er bisher zwei Auszubildende verpflichtet, einen weniger als im letzten Jahr.
"Ich habe mich noch mal bemüht. gestern habe ich noch mal beim Amt für Arbeit angerufen, die das bearbeiten und habe das noch mal unterstrichen, habe gesagt, guckt noch mal nach. Wenn ihr noch irgendwen findet, der Lackierer lernen will, dann her damit und dann schauen wir noch mal. Dann würde ich mich auch bereit erklären, noch einen zu unterschreiben."
Er tue es aber nicht allein für die Prämie, sagt Rohrschneider. Dafür sei der Aufwand einer Ausbildung zu groß.
Deutschland für Hochqualifizierte nicht die Nummer eins
Bei hochqualifizierten Fachkräften sei Deutschland wegen seiner hohen Steuern und vergleichsweise niedrigen Löhnen nicht besonders beliebt, sagte Thomas Bauer vom Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung im Dlf. Auch für ausländische Handwerker seien die Hürden immer noch relativ hoch.
Dirk Werner, Ausbildungsexperte am Institut der Deutschen Wirtschaft, betont den Wert der deutschen Fachkräfte und des Dualen Ausbildungssystems - und mahnt, dass es nicht verloren gehe dürfe:
"Die gut qualifizierte Facharbeiterschaft ist eine der zentralen Säulen für das Geschäftsmodell in Deutschland. Das ist ein Riesenvorteil im Vergleich anderen Ländern. Wir müssen aufpassen, dass der nicht nach und nach wegbröckelt."
Man habe über 15 Jahre Hochschulen und Studium gefördert, Studienanfängerzahlen verdoppelt. "Ich würde mir genauso viel Engagement für die Aus- und Fortbildung wünschen." Es müsse stärker ins Bewusstsein der Eltern, Lehrer und Berufsberater kommen, dass man auf dem Weg über Techniker- oder Meisterausbildung Karriere machen könne bis in höchste und gut bezahlte Jobs. "Das würde uns für die Duale Ausbildung sehr helfen."
(Redaktion: Benjamin Dierks, Regina Brinkmann, Alexander Haas)