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Sportforschung
Mehr Verletzungen bei Fußballspielern

Fußballspieler im Profibereich haben heute ein wesentlich höheres Verletzungsrisiko als vor zehn Jahren. Durchschnittlich zweimal pro Saison fallen sie verletzungsbedingt aus. Das zeigt eine neue Studie aus England. Gründe sind unter anderem das hohe Spieltempo und zu kleine Kader.

Von Volker Mrasek | 28.11.2018
    Dortmunds Marco Reus wird am Spielfeldrand behandelt.
    Marco Reus hat sich im Pokalfinale 2017 das Kreuzband gerissen (dpa / Arne Dedert)
    Nicht nur das Tempo im Profifußball hat zugenommen, sondern auch die Belastungen, denen Spieler ausgesetzt sind. Dadurch sind sie heutzutage häufiger verletzt als früher. Das belegt die neue Studie aus England, dem Mutterland des Fußballs, wie es oft genannt wird. Forscher der Leeds-Beckett-Universität beobachteten dafür 240 Profis aus zehn Vereinen der zweiten bis vierten englischen Liga. Der Sporttherapeut Ashley Jones leitete die Studie:
    "Die letzte Untersuchung dieser Art ist schon länger her. Sie lief 2001. Wir wollten jetzt ein Update liefern."
    40 Prozent mehr Verletzungen
    Das Ergebnis: Im Laufe einer kompletten Spielzeit kam es zu über 470 Verletzungen unter den 240 Profis. Das bedeutet: Jeder von ihnen fiel durchschnittlich zweimal pro Saison verletzungsbedingt aus. 2001 hatte diese Quote noch bei 1,3 gelegen. Das heißt, es gibt einen Anstieg um mehr als 40 Prozent.
    "Was wir auch beobachten konnten, ist eine Zunahme von wiederkehrenden Verletzungen um zehn Prozent. Sobald sich ein Spieler eine bestimmte Verletzung zuzieht, steigt für ihn das Risiko, dass es noch einmal dazu kommt. Denn das Gewebe ist dann vorgeschädigt. In der Reha-Phase muss man deshalb besonders vorsichtig sein und darauf achten, nicht zu früh wieder ins volle Training einzusteigen."
    Wintermonate besonders gefährlich
    Die meisten der Verletzungen treten im Dezember und Januar auf, wenn die Belastung der englischen Profis besonders hoch ist. Auf der Insel kennt man nämlich keine Winterpause. Zwischen Weihnachten und Neujahr gibt es sogar drei Spieltermine innerhalb von sechs Tagen.
    Die Erholungsphasen für jeden einzelnen sind dann sehr kurz. Dadurch steige das Risiko für muskuläre Verletzungen, sagt auch Wolfgang Potthast, Professor für Biomechanik an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Die Situation sei ähnlich, wenn Vereine in mehreren Wettbewerben gleichzeitig aktiv seien und die Spielerdecke dünn, sodass kaum eine Chance besteht, Spieler zu schonen:
    "Dort, wo der effektive Kader klein ist, man hohe Trainingsbelastung und hohe Spielbelastung hat, da hat man dann auch mehr Verletzungen pro Spieler pro Stunde. Das wissen wir sehr genau. Dann gibt's mehr Verletzungen."
    Temporeiches Spiel führt zu mehr Verletzungen
    Am häufigsten sind nach den englischen Daten muskuläre Probleme, vor allem im Oberschenkel. Wolfgang Potthast wundert das nicht. Das Spiel sei ja allgemein viel temporeicher geworden:
    "Der moderne Fußball erfordert es ja, dass Spieler den Ball annehmen, bei der Ballannahme sich schon in die neue Richtung bewegen, sich drehen, bremsen, wieder antreten und so weiter. Bewegungen, die den Oberschenkel besonders betreffen und belasten."
    DFB gefragt
    In Deutschland fehlen bisher vergleichbare Studien über Verletzungstrends im Fußball. Der Kölner Sportwissenschaftler und Physiker bedauert das. Wünschen würde sich Wolfgang Potthast solche Untersuchungen nicht nur bei den Profis, sondern vor allem in den Nachwuchs-Leistungszentren der Bundesligisten, wo schon Jugendliche täglich trainieren, unter hohen körperlichen Belastungen:
    "Wir wissen, dass es auch in den Jugendklassen inzwischen mehr Verletzungen gibt. Wenn wir wollen, dass die sich nicht verletzen und nicht mit 17 ausscheiden müssen, weil sie verletzt sind, dann müssen wir erst einmal verstehen, welche Arten von Verletzungen es gibt und welche Verletzungen wie häufig auftreten. Wir müssen vor allem erfassen, womit diese Verletzungen zu tun haben, also was die Ursachen sind. Was man denn tun kann."
    Bisher seien nur einzelne Bundesliga-Klubs bei der Sache am Ball. Potthast nennt hier als Beispiel die TSG Hoffenheim. Gefordert in Sachen Verletzungsprävention sei aber auch der Deutsche Fußball-Bund. Beim DFB gebe es zwar Gedankenspiele in diese Richtung, "aber die müssen dann halt wirklich auch in die Tat umgesetzt werden".