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Alexander von Humboldt
Geburtshelfer der Ökologie

Alexander von Humboldt gilt als Ökologe und Klimaforscher der ersten Stunde. Humboldt war ein Nerd im Gehrock, schreiben ein Literaturwissenschaftler und ein Botaniker in ihrem Sachbuch "Botanik in Bewegung" - und bringen darin Kunst und Wissenschaft im Sinne Humboldts zusammen.

Von Michael Lange | 13.09.2019
Naturforscher Alexander von Humboldt (l) und der Botaniker Aimé Bonpland
Der Forscher Alexander von Humboldt war schon zu Lebzeiten ein Weltstar (imago/United Archives)
Unter dem Titel "Botanik in Bewegung" präsentieren Oliver Lubrich und Adrian Möhl einen reich illustrierten Überblick über das botanische Wirken des Alexander von Humboldt. Wie viele Zitate belegen, war Humboldt kaum zu bremsen, wenn er die Botanik durchstreifte. So schrieb er – gerade angekommen in Venezuela – in sein Tagebuch:
"Wie die Narren laufen wir zuweilen umher, und in den ersten drei Tagen können wir nichts bestimmen, da man immer einen Gegenstand wegwirft, um einen anderen zu ergreifen. Bonpland versichert, dass er noch rasend werde, wenn die Wunder nicht bald aufhörten."
Humboldt und Bonpland - das perfekte Team
Mit Aimé Bonpland fand Alexander von Humboldt einen Reisegefährten, der ebenso pflanzenverrückt war wie er selbst. Während Bonpland in der Tradition eines Carl von Linné unermüdlich neue Pflanzen sammelte, trocknete und bestimmte, entwickelte Humboldt einen neuen Blick auf die Pflanzenwelt, so der Botaniker im Autorenduo, Adrian Möhl:
"Humboldt geht über die bloße Klassifikation hinaus. Er fragt, wie sich Arten zueinander verhalten, wie sie sich verbreiten und wie sie dabei durch den Menschen beeinflusst werden. Er begreift die Botanik nicht mehr nur als eine Art Tabelle, sondern als soziale und historische Wissenschaft, als Migrationskunde."
Alexander von Humboldt begründete die Pflanzengeografie. Bei ihm sind Pflanzen keine toten Gegenstände. Keine Dekoration der Natur. Sie sind unterwegs, besiedeln Lebensräume und gestalten sie.
Humboldt als Geburtshelfer der Ökologie
Humboldt wollte wissen, wie sich Boden und Klima auf den Pflanzenbewuchs auswirken. Seine Wissenschaft ist auf dem Weg zur Ökologie.
Der andere Autor des Buches Oliver Lubrich ist Literaturwissenschaftler und ausgewiesener Humboldt-Kenner. Sein Augenmerk richtet sich auf Humboldt als Schriftsteller und Künstler. Um seine Erkenntnisse zu erklären und zu veranschaulichen, entwickelte Alexander von Humboldt neue Formen der Darstellung. Sein berühmtes "Naturgemälde der Anden" würde heute als Infografik bezeichnet.
"Es zeigt die Geografie der Pflanzen in den Tropenländern anhand einer abstrakt dargestellten Landschaft mit einem Querschnitt am Chimborazo, den er im Jahr 1802 fast bis zum Gipfel besteigen konnte. Das Profil ist mit Namen der Pflanzen gefüllt, die in der jeweiligen Höhe vorkommen."
"Ein Schmuckstück voll interessanter Zitate"
Äußerst sachkundig haben die beiden Schweizer Autoren eine gewaltige Fülle an Informationen ausgewertet und in eine lesbare, übersichtliche Form gebracht. Das Buch ist ein Schmuckstück voller interessanter Zitate, randvoll mit Zeichnungen und Farbdrucken. Eine Verknüpfung von Kunst und Wissenschaft, an der Humboldt seine Freude gehabt hätte.
Trotz ihrer Begeisterung präsentieren die beiden Autoren ein realistisches Bild des großen Forschungsreisenden ohne übertriebene Heldenverehrung.
Zielgruppe: Wer sich für die Natur und ihre Gesetze interessiert, kommt an Alexander von Humboldt nicht vorbei.
Erkenntnisgewinn: Auf den Spuren Humboldts lässt sich verstehen, wie Natur und Geschichte, Kunst und Wissenschaft zusammengehören.
Spaßfaktor: Von seinen Zeitgenossen wurde Humboldt zugleich bewundert und belächelt. Er war verschroben und unterhaltsam, aber auch voller Ideen. Ein Nerd im Gehrock.
Botanik in Bewegung
Alexander von Humboldt und die Wissenschaft der Pflanzen
Sachbuch von Oliver Lubrich und Adrian Möhl
Haupt-Verlag, 256 Seiten, reich bebildert, 34 Euro