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VW-Affäre
Weil zunehmend unter Druck

Der Druck auf den niedersächsischen Regierungschef Weil (SPD) nimmt zu: Nachdem sein Regierungsbündnis geplatzt ist, sind neue Vorwürfe in der VW-Affäre aufgetaucht. Weil soll eine von VW frisierte Regierungserklärung vorgetragen haben. Die niedersächsische CDU fordert Weils Rücktritt - und droht mit einem Misstrauensvotum.

06.08.2017
    Der niedersächsische Ministerpräsident Weil auf dem Weg zurück in die Staatskanzlei
    Der niedersächsische Ministerpräsident Weil steht wegen einer Regierungserklärung unter Druck. (dpa-Bildfunk / Peter Steffen)
    Der CDU-Landesvorsitzende Althusmann sagte der "Hannoverschen Allgemeinen", Weil habe in Sachen VW seine Glaubwürdigkeit verloren. Er solle seinen Aufsichtsratsposten räumen und zurücktreten. Althusmann forderte in der Zeitung die ehemaligen Regierungsfraktionen dazu sich auf, den 24. September als Termin für die Neuwahlen einzulassen und verband das mit der Drohung: "Das scharfe Schwert eines konstruktiven Misstrauensvotums haben wir bewusst stecken gelassen. Es könnte bei der kommenden Landtagssitzung immer noch gezogen werden."
    Verärgert zeigte sich auch die niedersächsische FPD. Ihr Landesvorsitzender Stefan Birkner sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich bin sauer und empört." Wenn sich das bestätige, sei das ein Unding. Um dann hinzuzufügen: "Wir hatten damals genau den Eindruck, da spricht nicht der Ministerpräsident, sondern ein Sprecher von VW."
    "Marktwirtschaft bedroht"
    Auch aus der Bundespolitik ließen Reaktionen nicht lange auf sich warten. FDP-Chef Lindner forderte in der "Rheinischen Post" Aufklärung: "Wenn Herr Weil gelogen hat, wäre das ein Anlass für einen Rücktritt, unabhängig von den bevorstehenden Neuwahlen." Der frühere niedersächsische Umweltminister Trittin forderte, beide Fassungen der Regierungserklärung zu veröffentlichen. So könne Klarheit geschaffen werden, sagte der Grünen-Politiker dem "Spiegel".
    Der Grünen-Vorsitzende Özdemir sagte der Zeitung "Die Welt": "Wenn Ministerpräsident Weil eine Regierungserklärung von Volkswagen abnicken lässt, ist das Fundament unserer Marktwirtschaft bedroht." In der Diesel-Krise zeige sich, "wie die Verquickung von Politik und Automobilwirtschaft unserem Wirtschaftsstandort schadet". Deutschland brauche schnellstmöglich einen Ordnungsrahmen für den emissionsfreien Verkehr der Zukunft. Nur so könne man verhindern, technologisch den Anschluss zu verlieren.
    "Gängige Praxis"
    Weil selbst weist jeden Vorwurf der Beeinflussung durch VW zurück. "Wir haben uns sehr verantwortungsvoll verhalten, vor allem mit Blick auf die vielen, vielen Arbeitsplätze", sagte in Hannover. Im Kern sei der Redetext seiner Regierungserklärung vom Oktober 2015 völlig unverändert geblieben, insbesondere die klare und harte Kritik an Volkswagen. Der gesamte Sachverhalt sei seit mehr als einem Jahr bekannt und im niedersächsischen Landtag diskutiert worden. Weil hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zuvor gesagt, der Entwurf zur Regierungserklärung sei VW lediglich mit der Bitte "um Prüfung der rechtlichen Belange und Richtigkeit der Fakten" zugeleitet worden, die Rückmeldungen von VW seien sehr kritisch geprüft worden.
    VW selbst bezeichnete Weils Handeln als gängige Praxis: "Es ist völlig üblich, dass Aufsichtsratsmitglieder beabsichtigte Aussagen über Angelegenheiten der Gesellschaft mit dem Unternehmen abstimmen", sagte ein Unternehmenssprecher.
    Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Volkswagen AG, Ferdinand Piech (2.v.l.), seine Frau und VW-Aufsichtsratsmitglied Ursula Piech (l), der damalige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Martin Winterkorn, und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stehen am 25.04.2013 in Hannover vor Beginn der Hauptversammlung der Volkswagen AG.
    Ein Bild aus besseren Tagen: Der damalige VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piech (2.v.l.), Aufsichtsratsmitglied und Gattin Ursula Piech (l), der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) (dpa-bildfunk / Julian Stratenschulte )
    In der "Bild am Sonntag" stellt ein namentlich nicht genannter VW-Mitarbeiter die Prüfung der Regierungserklärung ganz anders da. Das sei kein Faktencheck gewesen, die Rede sei "umgeschrieben und weichgespült" worden, zititiert die Zeitung den angeblich daran beteiligten Mitarbeiter. "Problematische Passagen" seien gestrichen und "positivere Formulierungen" eingefügt worden.
    Der "Bild am Sonntag" zufolge wurden unter anderem folgende Sätzen aus der Regierungserklärung gestrichen:
    • "Die gegen VW erhobenen Betrugsvorwürfe wiegen schwer."
    • "Mich wundert, dass die Gespräche mit den Umweltbehörden in den USA seit 2014 laufen und augenscheinlich keine substanziellen Änderungen eingetreten sind."
    • "Die Compliance-Regeln des Konzerns müssen kritisch überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, ebenso die Kontrolle und die Durchsetzung der Regeln."
    • "Drei Vorstände wurden beurlaubt. Es ist für mich schwer zu verstehen, warum die handelnden Personen nicht die enormen Gefahren für das gesamte Unternehmen durch diese illegale Manipulation erkannt haben."
    • "Ziel der External Investigation muss es sein, die Abgasaffäre ganzheitlich und umfassend aufzuklären und die Verantwortlichen im Unternehmen ohne Ansehen ihrer Person oder ihrer hierachischen Stellung zu Rechenschaft zu ziehen."
    Nach Informationen der "Bild am Sonntag" stieß das Einschreiten des Autobauers selbst bei VW auf Widerstand. Ein Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung äußerte demnach "moralische Bedenken": Volkswagen könne doch nicht eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten redigieren und verändern. Seine Sorgen habe er sogar schriftlich formuliert.
    "Besondere Situation"
    Dass VW überhaupt als Prüfinstanz herangezogen wurde, rechtfertigt Weil mit der besonderen Situation, die es damals gegeben habe. Die Zukunft des gesamten Konzerns habe auf dem Spiel gestanden, so Weil. Das sei auch für das Land Niedersachsen von allergrößter Bedutung gewesen. Unter diesen Bedingungen sei es richtig gewesen, dass ein von ihm selbst geschriebener Entwurf einer Regierungserklärung VW zugeleitet wurde. In seiner Rede im Landtag hatte Weil vor allem das Krisenmanagement des Konzerns kritisiert. Da die Manipulationen in den USA bereits ein Jahr zuvor aufgefallen seien, hätte VW diese viel früher eingestehen müssen. Er selbst habe genau wie sein Wirtschaftsminister Lies erst aus den Medien vom Abgas-Skandal erfahren.
    Niedersachsen ist zweitgrößter Anteilseigner bei VW, als Landesvater sitzt Weil im VW-Aufsichtsrat. Jeder fünfte Job im Konzern ist in Niedersachsen beheimatet, VW ist damit der mit Abstand größte Arbeitgeber in Niedersachsen.
    (at/ach/rm/db)