Aus den Feuilletons

Die dunklen Seiten der deutschen Trickfilm-Geschichte

04:07 Minuten
Die Mainzelmännchen werden auf Papier gezeichnet.
Die Mainzelmännchen flimmerten am 2. April 1963 erstmals über die deutschen Bildschirme. Gerhard Fieber, einer ihrer Schöpfer, war zuvor unter den Nazis erfolgreich gewesen. © imago images / United Archives
Von Tobias Wenzel · 12.01.2020
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Der deutsche Trickfilm wird 100 Jahre alt. Für die "Welt" ein Anlass, auch die Schattenseiten der Branche zu beleuchten. Etwa den nahtlosen Übergang erfolgreicher Zeichner von der Nazi-Zeit in die Bundesrepublik – ohne dass sie je Reue gezeigt hätten.
"Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?", fragt die TAZ ihren spitzzüngigen Interviewkolumnisten. Und der antwortet: "Die Nähe des Schlechten." ‒ "Und was wird besser in dieser?" ‒ "Vernunft."
Irritiert habe ihn im Konflikt zwischen den USA und Iran Folgendes: "Wenn man, vor die Wahl gestellt, auf 'die Vernunft und Besonnenheit Teherans' hoffen muss ‒ statt auf die des US-Präsidenten Donald Trump." Und weiter: "Auch irritiert, wenn das Regime im Iran einen katastrophalen Fehler eingesteht."

Deutsche Trickfilmer während des Nationalsozialismus

Der Trickfilmzeichner Gerhard Fieber wollte keine eigenen Fehler eingestehen, obwohl er im Nationalsozialismus bei der Zeichenfilm GmbH gearbeitet hatte. Er habe ja nur an unproblematischen Märchenfilmen mitgewirkt. Dass die Arbeit von Fieber und Kollegen bei der Zeichenfilm GmbH durchaus problematisch war, schildert Rolf Giesen in der WELT und kündigt rechtzeitig zum 100. Geburtstag des deutschen Trickfilms in diesem Monat eine "unbekannte deutsche Filmgeschichte" an, und zwar eine düstere.
Im Krieg zog die Filmfirma nach Dachau in die Nähe des Konzentrationslagers. Die deutsche Zeichnerin Anna-Luise Subatzus erinnerte sich mit den Worten: "Da waren auch Sträflinge, die pfiffen uns sogar nach. Wir haben das gar nicht so für gefährlich gehalten, weil wir gar nichts von dem mitkriegten, was da passierte."
In der Filmfirma soll sie allerdings mit ihrem Verlobten, einem Mitarbeiter des Konzentrationslagers, gedroht haben. Mit Blick auf den schon erwähnten Zeichner Gerhard Fieber zitiert die WELT den Maler Bernhard Klein, der mit einer Jüdin verheiratet war und deshalb nur mit Sondergenehmigung bei der Zeichenfilm GmbH arbeiten durfte:
"Der Zeichner Gerhard Fieber war mit den Nationalsozialisten dick verbrüdert, sympathisierte mit der jederzeitigen Anzeigebereitschaft des Betriebsobmannes, vertrat mit Überzeugung alle auf Sieg gestellten Propaganda-Dummheiten und machte auch Spottzeichnungen auf die Juden, als der Judenstern eingeführt wurde: eine Straße mit Stürmertypen, der Stern gelb überbetont, Überschrift: 'Es leuchten die Sterne.'"
Fieber und andere im Nationalsozialismus tätige Trickfilmzeichner hätten sich in der Nachkriegszeit gar nicht umorientieren müssen, schreibt Rolf Giesen: "Sie machen Reklamefilme wie eh und je, erst für das Kino, dann fürs Fernsehen, wo Fieber etliche Jahre bei der Herstellung der Mainzelmännchen für das ZDF mitmischte." Verdient hätten diese Zeichner wohl mindestens Selbstkasteiung.

Der Dopamin-Asket entsagt analogen Gesprächen

Von der berichtet Michael Moorstedt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Genauer: von einem neuen Selbstkasteiungstrend im Silicon Valley, dem sogenannten "Dopamin-Fasten".
Es geht um die freiwillige Reduzierung des Botenstoffs, den einige für ein Glückshormon halten. "Keine Streams, keine Likes, keine Bildschirme. So soll das stetig überforderte Hirn, um im Branchenjargon zu bleiben, auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt werden", erläutert Moorstedt.
Der Dopamin-Asket, der wirklich etwas auf sich halte, entsage auch analogen Gesprächen und vermeide Körper- und Augenkontakt. Erlaubt seien "Tagebuchschreiben, Spazierengehen oder Wassertrinken", schreibt Moorstedt und wundert sich nur kurz, warum das nicht einfach Meditation genannt wird:
"Was Ordensgemeinschaften sämtlicher Glaubensrichtungen schon seit Jahrtausenden praktizieren, findet nun seine zeitgemäße Entsprechung in der Dopamin-Fastenkur. Unter dem neuen Label lässt sich die Entsagung bei gestressten Start-up-Menschen sicherlich besser vermarkten, als wenn man von Mönchsklausur spricht."
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