Mathias Greffrath und Andreas Freytag

Das Ende des Wachstums - oder doch nicht?

Fünf Stühle in verschiedenen Farben und Größen stehen nebeneinander. Von links nach rechts werden die Stühle immer größer.
Festhalten am Wirtschaftswachstum: Nicht für jeden ist dieses Ziel nachvollziehbar. © imago / Westend61
Moderation: Anke Schaefer · 07.09.2017
Ist das Wirtschaftswachstum am Ende? Oder ist die Kritik an unserer Wachstumsfixierung überzogen? Darüber diskutierten der Journalist und Wachstumskritiker Mathias Greffrath und der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Freytag, der sagt: Wachstum ist weiterhin möglich.
Unbeirrt halten Politiker am Ziel des Wirtschaftswachstums fest. Für den Soziologen und Publizisten Mathias Greffrath ist das realitätsfern. Alle wüssten doch, dass sich schon seit den 1960er-Jahren die Wachstumsraten etwa alle zehn Jahre halbiert hätten "und dass wir in Zukunft nicht mehr mit den Wachstumsraten rechnen können, die es uns ermöglicht haben, den Sozialstaat zu finanzieren", sagte Greffrath im Deutschlandfunk Kultur. Dennoch gebe es weiterhin eine politische Pflicht zur Erzeugung von Wachstum, kritisiert der Journalist unter Verweis auf das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft.

"Wachstum ist keine Staatsräson"

Andreas Freytag, Professor für Wirtschaftspolitik in Jena, teilt die Kritik Greffraths an der Wachstumsfixierung der Politik nicht: "Wachstum ist sowieso keine Staatsräson, das ist, glaube ich, ein Missverständnis aller Wachstumskritiker, sondern Wachstum geschieht von unten", sagte er im Deutschlandfunk Kultur. "Die Menschen selber wollen sich entwickeln, bei uns wie auch anderswo. Und deswegen ist Wachstum ein Ergebnis von menschlichem Handeln und nicht Ergebnis einer politischen Doktrin."
Journalist und Schriftsteller Mathias Greffrath zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur. 
Journalist und Schriftsteller Mathias Greffrath zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur. © Deutschlandradio / Cornelia Sachse

Ressourcenknappheit und Klimaschutz erfordern Umdenken

Auch aus Umweltgründen sei es notwendig, eine Welt ohne Wachstum zu denken, betont Greffrath. "Denn alles Gerede und alle Versuche, grünes Wachstum, auch technologisch grünes Wachstum zu initiieren, was die Grünen ja in ihrem Programm haben, haben bis jetzt nur dazu geführt, dass die Stoffumsätze trotzdem gewachsen sind, weil die Nachfrage und der Konsum gewachsen ist."
Freytag hingegen glaubt, dass eine Welt mit Wachstum weiterhin möglich sei. "Zumindest in einzelnen Fällen, also, einzelne Regionen, einzelne Länder wachsen." Dass mit zunehmendem Reichtum in einer Gesellschaft die Wachstumsraten abnähmen, sei "klar", räumt der Wirtschaftswissenschaftler ein. Heute sei Wachstum vor allem durch technologischen Fortschritt getrieben, und je weiter entwickelt dieser sei, desto schwieriger würden Innovationen.

"Wir brauchen eine Konsumrevolution"

Freytag verwahrt sich ferner dagegen, Umweltprobleme automatisch dem Wirtschaftswachstum anzulasten: "Ich glaube auch nicht, dass das Wachstum zuständig ist für den Verbrauch, sondern die Produktion an sich. Die Länder, die nicht gewachsen sind bis zum Fall des Eisernen Vorhangs, waren ja die schmutzigsten, weil die die alten Technologien verwendet haben", sagt er.
Ressourcenverbrauch und Wachstum ließen sich nicht vollständig trennen, widerspricht Mathias Greffrath. Gerade die letzten 20 Jahre hätten gezeigt, dass trotz allem technologischen Fortschritt die Verschmutzung zugenommen hätte. "Und das hat natürlich damit zu tun, dass das westliche Konsummuster globalisiert ist. Dass natürlich jetzt jede Regierung in Afrika, die sagt, den westlichen Weg können wir nicht gehen mit dem Konsumismus – die wäre innerhalb von zwei Tagen weg vom Fenster. An der Stelle brauchen wir schon so etwas wie eine Werte- oder Kultur- oder Konsumrevolution."
(uko)

Die ganze Sendung "Studio 9 - Der Tag mit Mathias Greffrath können Sie hier nachhören: Audio Player

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