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Gamal Abdel Nasser
Witze über die Muslimbrüder

Gamal Abdel Nasser, der Unabhängigkeitsheld der Ägypter, war als Verfechter des Panarabismus kein aufrechter Demokrat, aber wollte das Land modernisieren. Der Islam und die Muslimbrüder waren ihm da eher im Weg.

Von Udo Schmidt | 30.07.2018
    (180115) -- CAIRO, Jan. 15, 2018 -- An Egyptian attends the birth centennial celebration of Egypt s late nationalist leader Gamal Abdel-Nasser in Cairo, Egypt, on Jan. 15, 2018. ) (swt) EGYPT-CAIRO-NASSER-ANNIVERSARY AhmedxGomaa PUBLICATIONxNOTxINxCHN
    Ein Ägypter besucht die Feier anlässlich des 100. Geburtstags von Gamal Abdel Nasser in Kairo (imago stock&people)
    Gamal Abdel Nasser, Ägyptens ehemaliger Staatschef, in den 50er Jahren ein Popstar der arabischen Welt, ist für viele am Nil auch heute noch ein Held. Obwohl ihm, nach großen Anfangserfolgen, in den 60er Jahren nicht mehr viel gelang.
    Nasser, Mitglied der freien Offiziere, hatte 1952 am 23. Juli den ägyptischen König Faruk gestürzt und wusste damals die islamischen Muslimbrüder an seiner Seite. Militärs und Islamisten kämpften gemeinsam gegen Königshaus und Briten – aber diese Allianz hielt nicht lange. Den genauso schwachen wie übergewichtigen König zu stürzen, dieses Ziel taugte, solange es noch nicht erreicht war. Nach Faruks Sturz war es mit den Gemeinsamkeiten vorbei.
    Nasser war mit der Absicherung seiner Macht und mit seinen großen Erfolgen beschäftigt, und die hatten wenig mit Religion zu tun. Etwa die Verstaatlichung des Suezkanals in einem Handstreich. Während Nasser eine flammende Rede in Alexandria hielt, übernahm das ägyptische Militär die damals wichtigste Wasserstraße der Welt.
    Nasser überschüttete die ehemaligen britischen Kolonialherren mit Häme: "Die Briten haben uns beschimpft und beleidigt, sie haben mich einen Hund genannt. Sie haben ihre Flotte geschickt und 100 Millionen Pfund verschwendet. Und sie haben nichts erreicht."
    Panarabismus vs. Panislamismus
    Nassers Prinzipen: Panarabismus, also die Einheit aller Araber in einem gemeinsamen Staat, Sozialismus, Blockfreiheit ließen keinen Platz für den Panislamismus der Muslimbrüder. Die verübten 1954 ein Attentat auf den Volkshelden Nasser. Es scheiterte, tausende wanderten hinter Gitter oder landeten am Galgen. Nasser sprach zwar noch vom Versuch eines Übereinkommens mit den Islamisten, aber die Rede des Charismatikers Nasser hatte da schon vor allem Unterhaltungscharakter:
    "Wir wollten Kompromisse mit den Muslimbrüdern, wenn sie denn zur Vernunft fähig gewesen wären. Ich habe mit dem Führer der Muslimbrüder zusammengesessen. Das Erste, was er forderte, war eine Pflicht zur Verschleierung. Alle Frauen sollten ihn auf der Straße tragen. Ein Schritt zurück in die Vergangenheit."
    "Soll der Muslimbruder doch selber den Schleier tragen", ruft ein Zuhörer.
    Nasser entgegnet: "Ich habe ihm gesagt, dass nicht einmal seine Tochter den Schleier trage. Ich soll zehn Millionen Frauen unter den Schleier zwingen und er kann nicht einmal seine Tochter überzeugen?"
    "Nasser hat die Hoffnungen aller Araber verkörpert"
    Nasser, ein arabischer Führer ohne große demokratische Anwandlungen, hatte für die Muslimbrüder und ihren fundamentalen Islamismus keinen Platz und keine Verwendung. Seine Enkelin Tahia Khaled Abdel Nasser, Literaturwissenschaftlerin an der Amerikanischen Universität in Kairo, über ihren Opa:
    "Nasser war ein verehrter Führer, er hat die Hoffnungen der Ägypter, aller Araber verkörpert, Träume von Unabhängigkeit und Freiheit, von arabischer Einheit und Gerechtigkeit."
    Erst als klar war, dass viele dieser Träume nicht zu realisieren sein würden, nach der Niederlage gegen Israel 1967 und der gescheiterten Militärintervention im Jemen, ließ Nasser tausend inhaftierte Muslimbrüder frei. Radio- und Fernsehsender wurden angewiesen Koranverse auszustrahlen. Nasser brauchte die Muslimbrüder wieder, um sein Ziel der nationalen Einheit doch noch zu erreichen. Die Religion war ihm da letztlich nur Mittel zum Zweck.
    Gamal Abdel Nasser starb 1970, sein panarabischer Sozialismus war gescheitert, ein religiöses Antlitz hatte dieser Sozialismus nie wirklich gehabt. Das Ende der panarabischen Idee hinterließ eine Lücke, eine Leerstelle, die die Muslimbrüder und der Islam zu füllen begannen. Der Islam ist die Lösung, diese Parole verfing in und außerhalb der Moscheen.
    Gamal Abdel Nasser aber blieb Volksheld. Und sein Eintreten für die Sache der Palästinenser, für den Kampf der PLO Yassir Arafats für einen eigenen Staat machte ihn auch zu einer Ikone der 68er Bewegung in Deutschland und Europa.
    In Ägypten ist er bis heute ein Held – im Januar dieses Jahres wäre er 100 Jahre alt geworden.