Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Sakralbauten in Syrien
Was nach den Trümmern kommt

Moscheen, Kirchen und Synagogen wurden im Syrienkrieg zerstört. Das Berliner Pergamon Museum hat ein digitales Archiv angelegt, in dem auch die Sakralbauten erfasst sind - falls sie eines Tages wieder aufgebaut werden sollten.

Von Jutta Schwengsbier | 11.04.2019
Ein Mann betet in der Kirche St. Georg in der Provinz al-Hasake, die von der Terrororganisation Islamischer Staat zerstört wurde
Viele christliche Kirchen wurden von der Terrororganisation IS zerstört (picture-alliance / dpa / Sputnik / Valeriy Melnikov)
Viele Kulturdenkmäler - aber auch Kirchen, Moscheen und Synagogen - wurden im Krieg in Syrien zerstört. Einige Bauwerke wurden im Städtekrieg von Bomben in die Luft gesprengt. Daneben haben aber auch Grabräuber historisch wichtige Kulturstätten mit Schaufeln und Baggern zu Mondlandschaften verwandelt. Kämpfer des islamischen Staates hatten es dagegen gezielt darauf abgesehen, die kulturelle und religiöse Pluralität Syriens auszuradieren.
"Das sind auf einer Seite vom Islamischen Staat, waren es christliche Kirchen. Es waren aber auch Gebäude zum Beispiel einer mystischen Bewegung im Islam und zum Beispiel Grabmäler, im Islam ist das Grabmal verboten. Und da ging es dann gegen die islamische Kultur, um eine bestimmte Lesart von Islam zu vernichten oder auszuschließen.", sagt Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin.
Mit den Bauwerken wollte der islamische Staat zugleich die vielfältige Sozialstruktur Syriens zerstören, sagt er.
"Um das culture cleansing hin zu bekommen und bestimmte Gruppen, ob sie nun ethnisch oder religiös bedingt sind, aus dem Gedächtnis zu entfernen."
In Syrien entstanden einige der ersten Städte der Welt. Das Alphabet nahm hier seinen Anfang. Altorientalische Hochkulturen. Die griechische und römische Antike. Die byzantinisch-christliche und islamische Zeit. Überall im Land waren Spuren einer unvergleichlichen religiösen und kulturellen Vielfalt zu finden. Während des Krieges sind viele der historischen Stätten zerstört worden. Im Gegensatz zur Türkei, wo türkische Nationalisten bereits im 19. Jahrhundert die ethnische, religiöse und kulturelle Pluralität gezielt zerstörten, war das multikulturelle und mulitreligiöse Miteinander in Syrien bis zum Kriegsausbruch noch Alltag. Stefan Weber hat das selbst erlebt. Als Islamwissenschaftler und Experte für islamische Kunst hat Weber 11 Jahre lang in Aleppo gelebt und geforscht.
"Allein im christlichen Viertel war ja oft gar nicht klar, wie Jesus ans Kreuz geschlagen wurde und wann Ostern war, weil es so unterschiedlich gefeiert worden ist. Wir haben aufgrund der ganzen christlichen Konfessionen, 14 ,15 leben da nebeneinander. Genauso ist es mit all den muslimischen Konfessionen und aber auch mit den jüdischen. Neben dem Judentum waren da auch die Samaritaner. Also eine unglaubliche religiöser Pluralität. Eine sehr große ethnische und sprachliche Pluralität und das war eigentlich das Besondere an Syrien."
Historisch bedeutsame Stätten sollen wieder ins Stadtbild eingefügt werden
Ein monumentales Wandgemälde des syrischen Kalligraphen Khaled Al Saai zeigt in der Ausstellung zum Beispiel eine Collage aus Photos der zerstörten Baudenkmäler Syriens. Die darüber liegenden wild geschwungenen kalligraphischen Linien erinnern an Guernica. Das berühmteste Anti-Kriegsbild Picassos.
Khaled Al Saai: "In der Antike spielte Syrien eine wirklich wichtige Rolle. Sehen Sie sich das Tor oben auf dem Gemälde an. Ohne dieses Tor gäbe es das Christentum wahrscheinlich nicht. Genau hier konnte der heilige Paulus den römischen Soldaten entkommen. Paulus hatte in Damaskus Zuflucht gesucht und gefunden. Leute aus Damaskus haben seine Botschaft verstanden und ihn durch dieses Tor aus der Stadt geschmuggelt. Von hier aus hat sich das Christentum über die ganze Welt verbreitet."
Was ist von der kulturellen und der religiösen, was von der sozialen Vielfalt noch zu retten? Was ist unwiederbringlich zerstört? Die Diskussion darüber, was nach dem Krieg, am Tag X, wieder aufgebaut werden soll und kann, hat gerade erst begonnen, sagt Stefan Weber. Unabhängig von religiösen Überzeugungen sind sich aber viele einig: Historisch bedeutsame Stätten sollen so wieder ins Stadtbild eingefügt werden, wie sie früher waren.
" Das Minarett von Aleppo, das hat früher keinen interessiert, der im Westen der Stadt lebte. Alle, die Mittelklasse waren und sich auch neu orientieren in der globalen Welt, denen war die Altstadt erst einmal etwas Komisches, vielleicht sogar reaktionäres, konservatives und das hat sich geändert. Jetzt mit dem Krieg, als das Minarett auf einmal weg war, wurde Glaubens übergreifend dieses Gebäude zum Symbol der Zerstörung von Aleppo. Aber interessanterweise ist auch wieder das Symbol des Wiederaufbaus von Aleppo."
Digitales Archiv hilft, historisch wichtige Gebäude zu identifizieren
Die Erinnerung an die kulturelle und religiöse Pluralität Syriens wachzuhalten, ist das erklärte Ziel der Ausstellung im Pergamon Museum. Mit den seit dem Jahr 2013 gesammelten Dokumenten konnte das Museum inzwischen das größte digitale Archiv syrischer Kulturgüter aufbauen.Das digitale Archiv soll in dem nun einsetzenden Verhandlungsprozess dazu beitragen, historisch wichtige Gebäude erst einmal zu identifizieren, sagt Stefan Weber. Und zu dokumentieren, wie diese früher einmal ausgesehen haben, damit sie überhaupt wieder aufgebaut werden können.
"Wenn es keine Unterlagen gibt und kein Wissen um diese Gebäude, lassen sie sich einfach wegputzen. Wenn man aber als syrischer Fachmann vor der Stadtverwaltung steht und sagt: 'Nein, das Gebäude ist wichtig', dann hilft das der Stadtverwaltung selber Entscheidungen zu treffen. Das habe ich dann in Syrien mehrmals erlebt. Das passiert auch in Diktaturen."
Ob mit dem digitalen Archiv in Zukunft nur virtuelle Rundgänge entstehen oder tatsächlich die Bauwerke wieder aufgebaut werden, müssen am Ende die Syrer selbst entscheiden.