Proteste in Budapest

"Junge Ungarn machen Europa zum Kampfbegriff"

Tausende Ungarn demonstrieren auf dem Heldenplatz in Budapest. Sie haben ein Herz gebildet, in dessen Mitte "Zivil" steht.
Tausende Ungarn haben in Budapest gegen ein neues NGO-Gesetz demonstriert. © AFP / Attila Kisbenedek
Wilhelm Droste im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 12.04.2017
Die geplante Schließung der Budapester Central European University bringt nicht nur Schriftsteller wie György Konrád auf den Plan, sondern vor allem auch junge Ungarn. Sie fordern Meinungsfreiheit. Regierungschef Viktor Orbán könnte sich diesmal verrechnet haben, meint der Autor Wilhelm Droste.
Der offene Brief des Autors György Konrád an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán bringt es auf den Punkt: Viele Ungarn – vor allem die jungen, gebildeten – haben die Nase voll von Orbáns Willkür-Politik und seiner europafeindlichen Haltung und gehen zu Tausenden auf die Straße.
Der Zorn schwelt schon lange. Nun hat nach der Hochschulreform die von Orbán geplante Änderung des NGO-Gesetzes (für nicht-staatliche Einrichtungen, die ausländisch finanziert werden) das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht: Die von dem ungarisch-stämmigen US-Milliardär und Holocaust-Überlebenden George Soros gestiftete internationale Central European University (CEU) in Budapest soll dadurch aus Ungarn vertrieben, ihr Betrieb dort verboten werden.

Ungarn fordern ein freies Land

Der seit vielen Jahren in Budapest lebende deutsche Autor Wilhelm Droste beobachtet die Proteste und sagt:
"Sehr viele junge Ungarn machen Europa zum Kampfbegriff, fordern ein europäisches Land und ein freies Land, eine freie Wissenschaft. Und es ist sehr imposant, was sich hier im Moment auf den Straßen Budapests abspielt."
Die international renommierte CEU steht stellvertretend für all das, was Orbán seinen Bürgern derzeit verwehren will: für den kritischen Diskurs, den Austausch mit Studierenden und Wissenschaftlern aus aller Welt und die Meinungsfreiheit.

Der Zorn weckt den zivilen Kampfgeist

Droste wertet den Zorn als "ein gutes Zeichen, dass die große Phase der Resignation nun vorbei ist (…), dass es durchaus auch zivile Kraft gibt, die dieses Orbán-System kippen kann. Ich glaube, er hat sich da auch verrechnet: Er dachte, er macht jetzt alle zivile Initiative endgültig mundtot. Und in Wirklichkeit hat er sie geweckt."
Droste sagte weiter: Es formiere sich gerade eine Bewegung, die sich vom Protest gegen die Schließung der CEU verselbständige und weit darüber hinaus gehen könnte.
Möglicherweise bereue Orbán bereits, dass er das neue Gesetz "für den Abschuss dieser einen Universität" auf den Weg gebracht habe. "Denn das wächst selbst ihm über den Kopf, was da gerade passiert."
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