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Mögliche Sperre für russische Leichtathleten
Bittbrief von Issinbajewa

Russischen Leichtathleten droht der vollständige Ausschluss von internationalen Veranstaltungen, wenn ihr Verband keine Strafzahlung wegen Dopingvergehen leistet. Ex-Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa hat kurz vor Ablauf der Frist einen Bittbrief an internationale Verbände gerichtet.

Von Gesine Dornblüth | 29.06.2020
Jelena Issinbajewa in schwarzer Kleidung und mit strengem Blick
Jelena Issinbajewa, Mitglied der IOC-Athletenkommission (Karpukhin/TASS/imago)
In dem Brief ist von "ehrlichen" und "sauberen" Leichtathleten die Rede, die nicht kollektiv für die Vergehen des russischen Leichtathletikverbandes zur Verantwortung gezogen werden dürften. Die zweifache Olympiasiegerin im Stabhochsprung, Jelena Issinbajewa, hat ihn am Wochenende über ihren Instagram-Account verbreitet:
"Wir glauben, dass russische Sportler das Recht haben, einen neutralen Status zu erwerben und bei internationalen Wettbewerben anzutreten, egal, ob die Strafe an World Athletics gezahlt wurde oder nicht."
Alles andere, heißt es in dem Brief, sei eine grobe Verletzung der Prinzipien des Sports und der Rechte ehrlicher Athleten.
Jelena Issinbajewas Stimme hat Gewicht. Denn die 38-Jährige ist Vorsitzende der Sportlerkommission des russischen Leichtathletikverbands und Mitglied der Athletenkommission des IOC.
Anlass für die millionenschwere Strafe gegen die russische Leichtathletik war der Doping-Skandal um den Hochspringer Danil Lyssenko. Die Spitze des russischen Leichtathletikverbandes hatte versucht, die Ermittlungen zu behindern. Der Verband habe mittlerweile die nötigen Konsequenzen gezogen, heißt es in dem von Issinbajewa verbreiteten Brief:
"Die Führung des russischen Leichtathletik-Verbandes wurde komplett ausgetauscht und arbeitet, wie wir wissen, aktiv an Reformen. Sie ist dabei, einen konstruktiven Dialog mit allen daran interessierten Mitgliedern der internationalen und der russischen Sportbewegung aufzubauen."
Hochspringerin Lassizkene: "nicht konstruktiv"
Neben tausenden Likes und zustimmenden Kommentaren erntete Issinbajewa auf ihrem Instagram Account reichlich Kritik. Issinbajewa mache Russland vor der internationalen Sportwelt lächerlich, schreibt "alnik57". Und "dement_loor" kommentiert, der Brief sei an die falschen Adressaten gerichtet, Issinbajewa solle sich lieber an die Sportfunktionäre in den russischen Regionen wenden. Der russische Sport sei weiterhin von Doping durchsetzt. User "sergeysparker" stellt sogar Issinbajewas persönliche Integrität infrage:
"Issinbajewa ist eine große Schöpferin der Verfassung. Wie kann ein sehr unehrlicher Mensch ein ehrlicher Sportler sein. Das ist ein Paradox."
Russland stimmt in diesen Tagen über eine neue Verfassung ab. Unter anderem ermöglicht sie Präsident Putin, über die bisherige Frist hinaus erneut zu kandidieren. Issinbajewa hat in der Verfassungskommission mitgearbeitet.
Auch die Reaktionen russischer Sportler sind teils verhalten. So kritisiert Marija Lassizkene, dreifache Weltmeisterin im Hochsprung, den Brief als "nicht konstruktiv".
"Unsere einzige Chance ist, die Auflagen zu erfüllen und die Strafe fristgerecht zu bezahlen. Alles andere sieht drei bis vier Tage vor der Deadline aus wie der Versuch, Absprachen zu brechen. Wenn wir die Auflagen nicht erfüllen, vernichten wir nur unsere Leichtathletik.
Lassizkene hatte letzte Woche mit zwei Kollegen einen eigenen Brief verfasst, und zwar an Präsident Putin. Darin beklagte sie die Untätigkeit des russischen Leichtathletikverbandes.