Donnerstag, 28. März 2024

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Windradausbau
"Bürger zu Beteiligten zu machen, ist der Königsweg"

Finanzielle Anreize für Bürger und Kommunen, um den Bau von Windrädern populärer zu machen? Bayerns Energie- und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) unterstützt diesen Vorschlag der SPD - aber nicht als Entschädigung, sondern als Möglichkeit der Gewinnbeteiligung, sagte er im Dlf.

Hubert Aiwanger im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 03.01.2020
Im brandenburgischen Sieversdorf stehen viele Windräder eines Windparkes in unmittelbarer Nähe zu Einfamilienhäusern.
"Wenn du vom einen über zwei Kilometer weg bist, bist du beim anderen wieder vor der Haustüre", sagt Hubert Aiwanger über Windräder und Siedlungsdichte in Deutschland (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
Die Rede von einem "Windbürgergeld" findet Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und Minister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie in Bayern, "etwas verunglückt". Der Bürger solle etwas haben von den Profiten aus Windkraft in Deutschland, allerdings nicht als Entschädigung oder als Schmiergeld vom Investor, sondern als Möglichkeit der Gewinnbeteiligung. "Ich bin kein Freund davon, hier direkt das Geld auf den Tisch zu blättern - jeder 500 Euro und dann hält der die Klappe, das wird nicht funktionieren", sagt Aiwanger. "Als Bürgerwindanlage oder als kommunales Bürgerwindrad hat das schon einen etwas anderen Touch, als Gemeinschaftsprojekt der Bürger vor Ort gesehen."
Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und Minister im bayerischen Kabinett
Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und Minister im bayerischen Kabinett (imago / Sven Simon )
Die Idee sei nicht neu: Auch heute gebe es schon Genossenschaften mit etwa fünf Prozent Rendite. "Man müsste hier noch gezielter mit Modellen auf die Gemeinden zugehen", sagt Aiwanger. Etwa so: Man mache eine Bürgerversammlung und sage, das Ding brauche zum Starten zwei bis drei Millionen Euro frisches Cash auf den Tisch, wer wolle sich gegen Rendite beteiligen. "Und der Bürgermeister kriegt noch jedes Jahr 10.000 Euro in den Gemeindesäckel und kann damit zumindest anteilig die Kindergärtnerin bezahlen."
"Als wäre ein Windrad das schlimmste Ding auf der Welt"
"Wir müssen da wieder ein positives Licht reinbringen. Sonst sind die Bürger wirklich in Panik, wenn sie das Wort Windrad hören", sagt Aiwanger. Der Chef der Freien Wähler zeigt sich angesichts "aufgestachelter" Bürgerinitiativen und "Stimmungsmache" etwa gegen "Infraschall" besorgt über das Image der Windkraft. "Es wird mittlerweile wirklich übertrieben, die Angst geschürt und so getan, als wäre ein Windrad das schlimmste Ding auf der Welt."
Zum Teil werde so getan, "als wäre Windkraft schlimmer als Atomenergie". Dabei könne ein einziges Windrad eine durchschnittliche Kommune mit 5.000 bis 8.000 Einwohnern mit sauberem Strom versorgen. "Das stinkt nicht, da brauchst du nichts hinzufahren oder wegzufahren. Das Ding dreht sich quasi wie von Gottes Hand und erzeugt den Strom. Es ist schon grotesk, dass wir da nicht mehr vorankommen."

Das vollständige Interview zum Nachlesen:
Tobias Armbrüster: Herr Aiwanger, müssen Bürger dafür belohnt werden, dass sie Windräder zulassen?
Aiwanger: Wenn man das geschickt einfädelt, dann ist das zumindest ein Weg, um die Sache leichter zu machen. Es geht ja dieser Spruch um in Sachen Windkraft, die Bürger von Betroffenen zu Beteiligten zu machen, dass sie nicht nur die Windmühle ansehen müssen, sondern dass sie was davon haben, wenn sie dort steht. Jetzt ist nur die Frage, wie man da im Detail vorgeht und ich finde das Wort etwas verunglückt, wenn man von Windbürgergeld redet. Man müsste das andersrum aufhängen, Bürgerwindanlage, weil sonst gibt es den Windbürger und den Autobahnbürger und den Photovoltaikbürger und den sonstigen Bürger, der irgendwo geplagt ist. Und dann kommt sofort natürlich wieder die Neiddebatte hoch, warum soll der entschädigt werden für das Windrad und nicht ich für die Autobahnabfahrt und so weiter. Also hier geschicktes Vorgehen, dann können wir hier vorwärtskommen mit solchen Ideen.
Mit Modellen gezielter auf die Gemeinden zugehen
Armbrüster: Das heißt ja ganz konkret tatsächlich, auch Sie würden sich so eine Zustimmung vom Bürger erkaufen wollen?
Aiwanger: Er soll was davon haben, ich will es so formulieren, und der Gedanke ist ja nicht ganz neu. Es gibt ja heute schon Windenergiegenossenschaften, wo man eben sein Geld anlegen kann, wo man eventuell fünf Prozent Rendite in etwa bekommt. Das ist dann schon eine lukrative Geschichte für die Bürger, ist also eigentlich nichts Neues, aber man müsste es noch mehr institutionalisieren und hier noch gezielter mit Modellen auf die Gemeinden zugehen und sagen, wenn du hier meistens von der 10H-Regelung in Bayern abweichen musst oder woanders eben diese geringeren Abstände akzeptierst, dann hast du als Bürger was davon. Und am Ende sogar vielleicht einen Bürgerentscheid setzen, damit die Bürger auch wirklich per Kreuzchen gefragt werden, ob sie das Ding denn wollen. Anders kommen wir nämlich nicht mehr vorwärts, die Bürger sagen, da sind meine Grundstückspreise irgendwo geschmälert, wenn ich hier das Ding stehen habe, kauft mir nachher keiner mehr das Haus ab oder das Grundstück oder der Wert sinkt. Wir müssen uns was einfallen lassen schlichtweg, und den Bürger zu Beteiligten zu machen, das ist der Königsweg, anders kommen wir hier nicht mehr vorwärts.
Sonnenuntergang hinter aufziehenden Gewitterwolken über der Landschaft mit Windenergieanlagen im Landkreis Oder-Spree in Ostbrandenburg
Der schwierige Weg zu neuen Windrädern
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Spagat zwischen Klimaschutz und Naturschutz
Um die Energiewende voranzubringen, müssen mehr Windkraftanlagen gebaut werden. Das geht, sagen Naturschützer – wenn mit Fachwissen geplant und die Anliegen des Naturschutzes wirklich einbezogen werden.
Nur Geld auf den Tisch legen "wird nicht klappen"
Armbrüster: Aber Herr Aiwanger, wie wollen Sie verhindern, dass das in anderen Bereichen auch Schule macht, dass die Bürgerinnen und Bürger dann eben, Sie haben es angesprochen, auch bei Autobahnen dann sowas fordern, da wollen sie dann auch für entschädigt werden.
Aiwanger: Deswegen bin ich kein Freund davon, hier direkt das Geld auf den Tisch zu blättern, reihum jeder 500 Euro und dann hält er die Klappe. Das wird nicht funktionieren, da wird es wieder heißen, du bist gekauft und hast dich hier korrumpieren lassen und verkaufst deine Heimat für Geld. Aber wirklich andersrum als Bürgerwindanlage oder als kommunales Bürgerwindrad, dann hat es schon einen etwas anderen Touch, dass es als Gemeinschaftsprojekt der Bürger vor Ort gesehen wird. Nicht wieder der böse auswärtige Investor, der dann den Leuten Schmiergeld gibt, dass die die Klappe halten, so kommt es ja schnell dann in den falschen Hals, sondern man ist als Bürger dort beteiligt, weil man so und so nahe dran wohnt, kann dort dann 10, 20, 50.000 Euro zu fünf Prozent dort anlegen, dann hat das einen anderen Touch.
Königsweg: Beteiligung der Bürger
Armbrüster: Ja, aber es ist doch das Gleiche. Man bekommt einen Anteil, wahrscheinlich zu einem ermäßigten Preis, und bekommt dann regelmäßig Geld dafür, wenn das Geschäft gut läuft – und jetzt läuft es ja.
Aiwanger: Natürlich läuft es darauf raus, aber an einer Autobahn kann man sich eben derzeit noch nicht beteiligen, aber an Bürgerwindrädern könnte man sich beteiligen. Und um diese Nuss zu knacken, würde ich diesen Weg schon gehen, hier mit Experten wirklich in die Kommune reinzugehen, eine Bürgerversammlung zu halten, zu sagen, das Ding kostet so und so viele Millionen Euro, um zu starten brauchen wir gleich mal zwei, drei Millionen frisches Cash auf dem Tisch. Wer von den Anwesenden will denn hier Geld dafür geben und kriegt dafür eine Rendite x. Und der Bürgermeister kriegt noch jedes Jahr 10.000 Euro in den Gemeindesäckel und kann damit die Kindergärtnerin zumindest anteilsmäßig bezahlen, um hier ein Bürgerwindrad zu errichten. Diesen Weg müssten wir gehen, sonst werden wir am Ende kein neues Windrad mehr bauen.
Kritik an "Stimmungsmache" gegen Windräder
Armbrüster: Deutet das Ganze nicht viel mehr darauf hin, dass irgendetwas völlig falsch läuft in dieser Energiedebatte bei uns in Deutschland? Die Frage, die sich da ja stellt: Kann eine Zukunftstechnologie wie die Windkraft, kann das wirklich so schlimm sein, dass man die Bürger dafür entschädigen muss?
Aiwanger: Es ist ja wirklich die Suppe vergiftet worden. Jedes Mal, wenn irgendwo ein Windrad errichtet werden sollte, dann kam der Professor aus Buxtehude so ungefähr und hat den Leuten erklärt, dass sie vom Infraschall wenn nicht morgen, spätestens übermorgen alle sterben werden. Und die Häuser kriegen Risse und die ungeborenen Kinder dies und jenes. Man hat hier richtig eine Panik aufgebaut und hat damit Bürgerinitiativen aufgestachelt, dass die teilweise so tun, als wäre Windkraft schlimmer wie Atomenergie. Und es gibt auch Stimmungsmache im Netz, ich habe das teilweise schon mitverfolgt, die gehen los gegen die Vogelschredder und sonst wie. Dann gehst du auf deren Facebookseite und dann stellt sich plötzlich raus, sie sind Atom- und Kohlekraftbefürworter, haben aber scheinbar so viel Mitleid mit den armen Vögeln, aber Atom ist super. Also, da sind Leute unterwegs, die ganz gezielt Stimmung machen, auch mit medizinischem Anstrich, und damit das ganze Ding zu Fall bringen. Wir müssen da wieder ein positives Licht reinbringen, sonst sind die Bürger wirklich in Panik, wenn sie das Wort Windrad hören.
Ein Windrad versorgt eine durchschnittliche Kommune
Armbrüster: Oder wäre es vielleicht eine Idee, diese Anlagen einfach so zu bauen, dass sie niemanden so besonders stören, zum Beispiel weiter weg?
Aiwanger: Ja, wenn denn nicht dort schon wieder die nächste Siedlung kommt. Wir haben ja in Bayern mit der 10H-Regelung den Versuch gemacht, dann such dir mal ein Gebiet, wo du zehnmal so weit weg bist, wie das Ding hoch ist. Das heißt, über zwei Kilometer, wenn du von dem einen über zwei Kilometer weg bist, dann bist du bei dem anderen wieder vor der Haustüre, weil eben das Land so dicht besiedelt ist. Natürlich haben wir in der Vergangenheit da Fehler gemacht und haben die teilweise 600, 700 Meter vor die Haustüre gestellt. Und die sind ja heute über 200 Meter hoch, da will es vielleicht keiner. Aber es wird mittlerweile wirklich übertrieben, die Angst geschürt und so getan, als wäre ein Windrad das schlimmste Ding auf der Welt. Ich sehe immer noch im Windrad eine sehr moderne Methode, um Strom zu erzeugen. Jetzt haben ja 5.000 bis 10.000 Bürger von einem Windrad die Stromversorgung. Eine durchschnittliche Kommune mit 5.000 bis 8.000 Einwohnern würde durch ein einziges Windrad mit Strom versorgt. Das stinkt nicht, da brauchst du nichts hinzufahren und wegzufahren wie bei anderen Energiequellen, wo du Rohstoffe importieren musst und dann den Dreck entsorgen musst. Das Ding dreht sich quasi wie von Gottes Hand und erzeugt den Strom. Es ist schon grotesk, dass wir hier nicht mehr vorwärtskommen.
Armbrüster: Also, wir haben das so verstanden: Hubert Aiwanger von den Freien Wählern unterstützt diesen SPD-Vorschlag?
Aiwanger: In abgewandelter Form, aber nicht mit dem Wort Windbürgergeld mit Entschädigungskohle auf den Tisch geblättert, sondern mit Beteiligungsmodellen.
Armbrüster: Die Frage ist natürlich: Wer soll das Ganze finanzieren?
Aiwanger: Das ist über die Einspeisevergütung … Es ist ja derzeit so, dass man ein paar Cent eben pro Kilowattstunde bekommt. Es ist wieder eine Sache der Allgemeinheit, wenn wir anders nicht mehr vorwärtskommen, dann wird die Allgemeinheit hier vielleicht einen Cent mehr zahlen müssen für die Einspeisung von Windstrom. Und mit diesem Cent mehr kann man dann manövrieren und eben lukrative Beteiligungsmodelle erschließen. Wenn wir das nicht tun, müssen wir eben den Strom importieren, dann muss der Bürger auch dafür bezahlen.
Armbrüster: Haben Sie das schon mit Ihrem Koalitionspartner in Bayern, mit der CSU besprochen?
Aiwanger: Ja, das ist einfach Dauerthema, dass wir sagen, wie kommen wir bei der Windkraft vorwärts. Und ich arbeite genau an solchen Bürgerbeteiligungsmodellen, um eben den Bürgern das schmackhafter zu machen.
Armbrüster: Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Aiwanger: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.