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Auto-Posing in Innenstädten
Krach als Programm

Viele junge Männer fahren gern so laut wie möglich Auto in der Stadt. Das verschafft ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit, stört aber andere sehr. Die Stadt Mannheim hat ein Rechtsmittel gegen das Auto-Posing gefunden. Damit aber Firmen die Autos nicht mehr extra laut bauen, müssten EU-Regeln geändert werden.

Von Gigi Deppe und Jülide Sözen | 18.06.2020
Auf dem Foto sieht man ein sportliches Auto, das von der Polizei kontrolliert wird.
Polizeibeamte kontrollieren sogenannte Auto-Poser. (dpa/Uwe Anspach)
Dennis ist 24 Jahre alt. Obwohl er schon selbst einige Male von der Polizei ermahnt wurde, fährt er heute noch immer gerne mit seinem heulenden Schlitten durch die Mannheimer Innenstadt.
"Eigentlich geht es darum, zu sehen und gesehen zu werden. Ich vergleiche es mal mit Klamotten. Du ziehst ja auch schöne Klamotten an – auch für dich, aber auch, dass es die anderen sehen können. Du läufst ja nicht mit Löchern in den Schuhen rum, oder Löchern in der Hose. Du willst ja gut draußen dastehen. Du willst, dass du gut aussiehst. Und die Leute sehen dich mit einem schönen Auto, und dann gefällt es dir auch, wenn du damit gesehen wirst."
"Seht her, ich hab's geschafft"
Als 2016 in Mannheim die Sounds der schnellen Autos für die Anwohner nicht mehr zu ertragen waren, war Verkehrspolizist Dieter Schäfer maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Auto-Posen auch von der Polizei als echtes Problem erkannt wurde. Er sieht die Szene so.
"In meiner Jugend waren für mich Poser Jungs, die in Muckibuden nach Arnold-Schwarzenegger-Art aufgepumpt waren und dann mit großem Bewegungsdrang auf die Uhr geguckt haben, um ihre Muskeln zu zeigen. Von dieser Klientel haben wir den Sprung zu den Selbstdarstellern im Auto geschafft. Sie sind jung, sie sind aus Kulturkreisen Machos, sie wollen sich präsentieren: Seht her, ich fahre ein teures Auto. Ich hab’s geschafft. Und da ist der Drang so groß, dass die zum Teil stundenlang auf der Poser-Meile kreisen. Warum? Weil dort viele Straßencafés sind, weil sie dort ihre Klientel vermuten und weil sie dort ihre Kunststückchen machen."
Tunen – das Auto umbauen, das war früher die gängigste Ursache für den Lärm. Inzwischen geht es vor allem um die Fahrweise.
"Unnötiges Umherfahren" kostet kaum etwas
Dennis: "Meine Reaktion ist immer Leerlauf. Einmal draufdrücken und provozieren. So, dass es mich halt nicht juckt. Zeigen, dass es mich nicht interessiert."
Dieter Schäfer: "Das heißt Gasstöße zu geben, wieder loslassen. Gerade bei diesen Boliden aus der oberen Mittelklasse sind überwiegend Klappenauspuffanlagen verbaut. Und wenn Sie dann dort bei Vollgas abrupt das Gas loslassen, dann gibt es wie Kanonenschläge Fehlzündungen - wie beim Rennsport. Das hört sich in deren Augen wahrscheinlich toll an. Es ist aber ein irrer Krach. Es hat Dezibel-Spitzen von deutlich über 100 Dezibel, und auf Dauer macht so etwas natürlich völlig krank."
Ob Tunen oder nur die Fahrweise die Ursache ist - beides kann zu gleich hohen Dezibelzahlen führen. Aber die polizeilichen Maßnahmen sind sehr unterschiedlich. Bei Manipulationen erlischt die Betriebserlaubnis, das Fahrzeug wird beschlagnahmt und entstempelt und muss wieder ordnungsgemäß hergerichtet werden. Beim lauten Fahren fallen die Maßnahmen wesentlich leichter aus.
Dieter Schäfer: "Wir haben denen, wenn wir sie enttarnt hatten, eine Aufforderung gegeben. "Unnötiges Umherfahren‘" war auch damals schon eine geringfügige Ordnungswidrigkeit. Der Tatbestand hat keinen interessiert. Mit 10 bis 15 Euro, das tut niemandem weh."
Zaubermittel "Untersagungsverfügung"
Die Polizei hat nur die Möglichkeit, ein kleines Bußgeld und einen Platzverweis zu verhängen. Der gilt aber nur für diesen einen Tag, und die Größenordnung des Bußgeldes ist festgelegt. Die Mannheimer Polizei ist deswegen einen anderen Weg gegangen. Sie hat mit der Mannheimer Verwaltungsbehörde kooperiert. Das Zaubermittel nennt sich "Untersagungsverfügung". Das ist weitaus effektiver. Die Verwaltung untersagt damit zusätzlich zum Bußgeld ein bestimmtes Verhalten, das laute Herumfahren. Bei Zuwiderhandlungen wird Zwangsgeld angedroht. Das kann durchaus schon mal vierstellig sein.
Dieter Schäfer: "In diesem Zwangsgeldverfahren sind keine Tarife festgeschrieben. So haben wir tatsächlich 1.000 Euro festgelegt; mussten das auch zweimal ziehen, dieses scharfe Schwert, für hartnäckigste Poser - und das wirkt."
Ein Mannheimer Jaguar-Fahrer hat es ausgetestet und gegen die Untersagungsverfügung geklagt. Er war schon mehrmals von der Polizei ermahnt worden, hatte Verwarngelder bekommen, Platzverweise erhalten und dann, als letzte Maßnahme, wurde ihm die Lärmverursachung untersagt – mit dieser Untersagungsverfügung. Das, fand der Jaguar-Fahrer, würde ihn in seiner Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen. Sein Auto sei an sich schon laut. Das würde somit für ihn bedeuten, er könnte gar nicht mehr in die Stadt fahren.
Den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat das aber nicht überzeugt. Die Richter haben Ende letzten Jahres das Vorgehen der Polizei bestätigt.
"Mein Auto ist einfach laut"
Auto-Poser Dennis kennt dieses Urteil. Er fährt trotzdem weiter in Mannheim lärmend durch die Straße. Beeindruckt ihn das nicht?
"Ich denke nur: unnötig! Ich weiß auch nicht. Ich kann nichts an meinem Auto ändern. Die sagen immer irgendwas mit Klappenauspuff, irgendwas mit Knopf drücken. Aber mein Auto z.B., da kann ich nichts verändern. Der ist einfach laut. Ich drücke drauf und er ist laut. Ich kann ihn nicht irgendwie leiser machen. Ich finde es falsch, was die da machen."
Die Hersteller bauen den Lärm ein
Tatsächlich ist der Lärm Programm. Warum kann man überhaupt ein Auto kaufen, das schon vom Hersteller als "besonders laut" beschrieben wird? Warum gibt es einen extra Soundknopf in Porsche & Co.? Der Landesverkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann, sieht das auch als Problem:
"Es ist wirklich ärgerlich, dass der Gesetzgeber sowas überhaupt zulässt. Leider ist es so, dass weder die Bundesländer noch der Bund die Regeln macht. Die sind europäisch."
Um den Lärm endgültig von den Straßen zu verbannen, müsste also an mehreren Schrauben gedreht werden. Die Grenzwerte für Kraftfahrzeuge im Europarecht müssten strenger werden. Die Polizei muss Hand in Hand mit den Verwaltungsbehörden zusammenarbeiten und braucht hierfür entsprechende Ressourcen. Und zuletzt ist es der Fahrer, bei dem angesetzt werden muss. Was müsste passieren, damit Dennis nicht mehr laut mit seinem Auto durch Mannheim fährt?
"Da gibt es eigentlich nichts. Außer wenn man den Führerschein einem am Ende wegnimmt. Aber ich bin unbelehrbar. Bis ich keinen Führerschein mehr habe werde ich immer wieder dahingehen und immer wieder so fahren. Mein Auto wird man nicht da wegbekommen."