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"Schlossbusters" im Ballhaus Ost
Berliner Stadtschloss Debatte auf der Bühne

Im historischen Zentrum von Berlin wird zurzeit das Stadtschloss wiederaufgebaut. Die Gruppe Copy & Waste widmet sich mit ihrem Theaterprojekt "Schlossbusters" im Ballhaus Ost der heftigen Debatte, die vor dem Wiederaufbaubeschluss geführt wurde. Dabei ergreift sie keine Partei, sondern versucht, auf humorvolle Weise die Argumente zu bündeln.

Von Oliver Kranz | 24.03.2016
    Baukräne ragen an der Baustelle des neuen Berliner Stadtschlosses in den blauen Himmel.
    Vorlage für das Stück im Ballhaus Ost: Der Neubau des Berliner Stadtschlosses (Paul Zinken/dpa)
    Willkommen. In wenigen Minuten betreten Sie ein Phänomen von Weltrang. Sein Name lautet: Stadtschloss Ost. Das Stück ist ein begehbares Hörspiel. Die Besucher werden im Foyer mit Lautsprecher-Durchsagen begrüßt. Auf Bildschirmen flimmern bunte Farbmuster.
    "Unsere Mitarbeiter aus der spirituellen Welt sind gerade noch dabei, die letzten Vorkehrungen zu treffen … Dieser Themenpark ist prall gefüllt mit Themen."
    Der Stadtschloss-Themenpark befindet sich im Theatersaal. Zwischen Vorhängen und bemalten Leinwänden kann man kleine Abteile betreten – eine Restaurierwerkstatt, eine Showbühne mit Fenstern, die an den Palast der Republik erinnern, und einen Videoraum, in dem ein grünes Monster umherspukt. Die eigentliche Geschichte wird aber per Lautsprecher eingespielt.
    "Du stirbst immer zweimal. Zumindest wenn du eine Stadt bist"
    Im Hörspiel werden Geisterjäger zum Berliner Schloss gerufen, im Stadtschloss-Themenpark tauchen weiß gekleidete Gestalten auf.
    "Wir sind Schlossgespenster im weitesten Sinn. Wir sind auch Experten für Geister und Zukunftsfragen und Vergangenheitsfragen", erklärt Steffen Klewar von Copy & Waste, der die Besucher im weißen Anzug begrüßt und zu den Attraktionen des Themenparks schickt. Im Palast der Republik steht eine Frau mit toten Augen und malt unsichtbare Bilder auf eine weiße Leinwand.
    "This is a portrait of a castle if I say so! This is a portrait of a palace if I say so!"
    Soundcollagen mit historischen O-Tönen
    Castle heißt Schloss, Palace Palast – in diesem Fall denkbar große Gegensätze. In DDR-Zeiten wurde das Stadtschloss gesprengt und stattdessen der Palast der Republik errichtet – ein Vorgang, der sich jetzt mit umgekehrten Vorzeichen wiederholt. Wofür steht das Schloss, das zurzeit wiederaufgebaut wird?
    Im Stadtschloss-Themenpark sind Soundcollagen mit historischen O-Tönen zu hören – Marschmusik und Ansprachen des Kaisers, aber auch Karl Liebknecht, der 1918 vom Balkon des Schlosses die Republik ausruft.
    "Es ist zum Beispiel die Frage, wenn er die sozialistische Republik ausruft vom Balkon des Berliner Schlosses: Wieso steht das Schloss nicht für den Sozialismus dann?"
    "Das ist das Gesamtkunstwerk Berlin. Mehr noch: Dieses Schloss ist Konzeptkunst 'at its best'. Seitdem es wächst und wächst, um die alte Größe zu erreichen, zumindest physisch, habe ich das Gefühl, endlich weiß diese Stadt wieder, welche Geschichte sie den Menschen erzählt."
    Asbest-Yoga und der Palast der Republik
    Copy & Waste ergreift nicht Partei für oder gegen das Schloss – die Gruppe versucht auf humorvolle Weise die Argumente zu bündeln. Hätte der Palast der Republik stehen bleiben können? Wer diese Frage stellt, sollte auch an den Asbest denken, der dort verbaut war…
    "Wir atmen zunächst tief ein und tief aus. Tief ein. Und tief aus."
    Die Zuschauer sind eingeladen, sich flach auf eine Matte zu legen und an den Palast der Republik zu denken. Die Übung heißt Asbest-Yoga:
    "Wir spüren schon, wie die kleinen Asbestkörperchen sich in unserer Lunge, in unser Bindegewebe einlagern … ahhh, Asbest."
    Ironie an der Grenze zur Albernheit. Dabei geht es Copy & Waste schon um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Das Asbest-Yoga ist, wie Steffen Klewar betont, nur eine Lockerungsübung:
    "Wenn man dabei unterhalten wird, dann fließen meiner Meinung nach die Gedanken besser und da findet man vielleicht doch irgendwie eine gemeinsame Basis zum Streiten. Es gibt auch Streit, der schon abseits von aller Kommunikation ist. Der ist nicht sehr produktiv. Aber es gibt den Streit, den wir durchaus auch gern provozieren wollen, bei dem der Gedankenaustausch funktioniert."
    Absurditäten werden nur am Rande gestreift
    Bleibt nur die Frage, ob die Produktion nicht etwas spät kommt. Das Schloss ist im Bau und auch über die Nutzung des Gebäudes wurde schon längst entschieden. Es werden öffentliche Archive und Museen einziehen. Doch zwischen den zukünftigen Nutzern gibt es Meinungsverschiedenheiten.
    "Die Leute, die dafür verantwortlich sind, reden ja offensichtlich selbst nicht mehr miteinander und die ethnologische Sammlung kommt jetzt rein, passt aber nicht rein. Das sind absurde Vorgänge."
    Doch genau diese Absurditäten werden in der Produktion nur am Rande gestreift. Den Hauptteil ihrer Energie verwenden die Schlossbusters darauf, eine Debatte von gestern zu führen.