Bret Easton Ellis ist zurück

Jemand, der alle Menschen gleich hasst

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Der amerikanische Autor Bret Easton Ellis
Der amerikanische Autor Bret Easton Ellis © imago stock&people
Jenni Zylka im Gespräch mit Shanli Anwar · 25.04.2019
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Mit "American Psycho" schuf er Bleibendes, schockte alle und sorgte für Debatten um die Parallelgesellschaft der Yuppies. Zuletzt sorgte Bret Easton Ellis mit Tweets für Streit. Mit seinem neuen Werk "Weiß" präsentiert er sich nun erneut sehr politisch, meint Kritikerin Jenni Zylka.
Der amerikanische Schriftsteller Bret Easton Ellis war zum Ende der 80er Jahre eine Art Wunderkind der amerikanischen Literatur, der mit seinem ersten Roman, entstanden zu Teilen in einem seiner ersten Creative Writing Kurse, zu einem wichtigen Vertreter einer ganzen Generation von Autoren aufstieg, des sogenannten "literary Brat Pack" - unter ihnen auch Tama Janowitz und Jay McInerney -, also einer Gruppe von Autoren, die mit ihrem Schreiben und ihrem Lebensstil eine Art Partygeneration repräsentierten.
Wenige Jahre später, 1991, wurde Ellis dann mit seinem Roman "American Psycho", in dem die Helden - etablierte Yuppies - Sex, Gewalt und Drogen frönen können in einer Art Parallelgesellschaft ohne Sorge vor Verfolgung, zu einem literarischen Superstar. Dann aber wurde es ruhig um Ellis und er eckte vor allem an mit seinen Äußerungen und oft beleidigenden Tweets.
Diese provokante Haltung, seine Sucht zu streiten und zu provozieren, sei nun auch in seinem neuen und erstmals nichtfiktionalen Buch "Weiß" deutlich zu spüren, sagt Deutschlandfunk-Kultur-Rezensentin Jenni Zylka: "Er ist auch in diesem Buch gewohnt provokant, will anecken, will nicht gefallen, er möchte nicht politisch korrekt sein, er kritisiert political correctness und die Selbstviktimisierung verschiedenster Gruppen, egal ob das Frauen, oder Schwule oder nicht-weiße Menschen sind und er lässt sich lange darüber aus, dass seiner Ansicht nach ätzender Humor alle und jeden angreifen darf."

Gleichbehandlung mit ätzendem Humor

In "Weiß" erzählt Ellis von seiner Kindheit und seinen Teenagerjahren, beschreibt sein Verhältnis zu Filmen, zu Schauspielern, zu Sexualität, zu den sozialen Medien und zu Donald Trump.
Eine der Stärken dieses neuen Werks von Ellis ist nach Einschätzung von Jenni Zylka seine Reflektion über Humor, Ironie und Kunst: "Er lässt sich lange darüber aus, dass seiner Meinung nach ätzender Humor ja alles und jeden angreifen darf, weil nur so eine wahre Gleichbehandlung aller Menschen stattfindet." Und diese Kommentare seien sehr gut durchdacht und scharfsinnig, allerdings durchaus auch "beleidigend". Mit diesem Buch sei Ellis eine sehr genaue Darstellung seiner Haltung und seines Lebens etwa als offen schwul lebender Autor gelungen. "Das Buch zeigt ziemlich viele Facetten von ihm, einem ziemlich kaputten, narzisstisch gestörten, aber denoch interessanten Menschen", so die Kritikerin. So beschreibe Ellis genau, was er wolle etwa mit seinem vieldiskutierten Tweet über Kathrin Bigelow. "Er wollte provozieren, er will provozieren", sagt Jenni Zylka.
"Ich glaube, dass dahinter bei ihm tatsächlich die Lust danach steht, irgendjemanden beleidigen und provozieren zu wollen, aber dabei gar nicht eine spezielle Gruppe von Menschen prinzipiell abzulehnen oder etwa davon auszugehen: 'Frauen können das und das nicht!' Das ist wirklich eher ein Menschenhass."

Keine Entschuldigung, aber eine Einordnung

Auch führe Ellis aus, dass Tweets überbewertet würden und viele - und eben er auch - gar keine Chance hätten etwas zu äußern, ohne dafür grundsätzlich abgestempelt zu werden. Dies sei keine Entschuldigung für seine beleidigenden Tweets, aber eine Einordnung oder Erklärung. Ellis mache hier ein Generationenproblem aus, also dass die Millenials zwar sehr besessen auf Urteile, vor allem gute Urteile - etwa in den Sozialen Medien - seien, gleichzeitig aber kaum mit Kritik oder abweichenden Urteilen umgehen könnten.
Jenni Zylka sagt über Ellis: "Er ist jemand, der alle Menschen gleich hasst." Doch gleichzeitig sei Ellis in gewisser Weise auch tolerant, weil er jedem seinen Tadel lasse. "Ich finde, dass eine demokratische Gesellschaft auch solch einen Menschen aushalten muss."

Bret Easton Ellis: "Weiß"
Kiepenheuer und Witsch, Köln 2019
320 Seiten, 20 Euro

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