Freitag, 19. April 2024

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Fußball in Island
"Wir müssen aufpassen, die nächste Generation guter Spieler zu finden"

Der isländische Fußball war noch nie so stark wie derzeit. Im Juni tritt das Team in Russland erstmalig bei einer Weltmeisterschaft an. Im Dlf-Interview sagte Guðni Bergsson, der Präsident des isländischen Fußballverbandes KSÍ, wie er dafür sorgen möchte, dass dieser Erfolg nicht nur ein kurzzeitiges Phänomen bleibt.

Guðni Bergsson im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 29.04.2018
    Guðni Bergsson steht mit verschränkten Armen vor einem Plakat des Verbandes KSÍ, er lächelt und trägt ein weißes Hemd und einen schwarzen Strickpulli
    Der Präsident des isländischenFußballverbandes KSÍ (Jessica Sturmberg)
    Der derzeitige Erfolg sei nur zu halten, wenn bei der Sichtung der Talente genau hingeschaut wird. Die jetzige goldene Generation brauche weiter guten Nachwuchs, aber die Motivation sei durch die Erfolge groß, sagte Guðni Bergsson, der Präsident des Isländischen Fußballverbandes KSÍ, im Dlf-Interview: "Der Fokus ist auf den Nachwuchsmannschaften und auf den Ligaclubs und überhaupt allen, die im Land am Fußball beteiligt sind. Wir wollen alles dafür tun, um der Welt zeigen, dass wir eine ernstzunehmenden Fußballnation bleiben, trotz der geringen Bevölkerungszahl."
    Immer ein Blick auf die U21
    Bergsson sieht darüber hinaus in der aktuellen isländischen U21-Fußballmannschaft die Basis für ein erfolgreiches sportliches Auftreten in der Zukunft. Auch jetzt bestünde der Kern der Mannschaft aus ehemaligen U21-Spielern. "Man muss immer aufpassen, die nächste Generation guter Spieler zu finden."
    Positiver gesellschaftlicher Einfluss
    Der Fußball habe schließlich nicht nur sportlichen Einfluss auf Island: "Der Erfolg bei der EM 2016 hatte einen weitreichenden positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft. Wir haben gespürt, was man mit Entschlossenheit und einer gemeinsamer Anstrengung bewirken kann. Die Fans haben uns auf eine fantastische Art unterstützt." Auch volkswirtschaftlich habe der Fußball einiges bewirkt: "Und ich glaube, das hat auch einen großen Einfluss auf das Erscheinungsbild von Island im Ausland und hat damit zu beitragen, dass so viele Touristen jetzt nach Island reisen. So hat es auch der isländischen Volkswirtschaft etwas gebracht."
    Das gesamte Interview:
    Sturmberg: Der isländische Fußball war noch nie so stark wie derzeit. Wie nachhaltig ist dieser Erfolg?
    Bergsson: Das ist eine gute Frage, die ich mir in diesen Tagen auch schon oft gestellt habe. So wichtig es auch ist, den Augenblick und den Erfolg zu genießen, so müssen wir auch dafür sorgen, dass wir so weit wie möglich kommen und es so gut machen, wie in der WM-Qualifikation für Russland. Das gilt auch für die Frauen, die bisher sehr erfolgreich in ihrer WM-Qualifikation sind und zum Beispiel die sehr starke deutsche Mannschaft auswärts geschlagen haben, woran wir uns gerne erinnern.
    Aber es ist wichtig den Blick nach vorne richten, damit wir, dieses kleine Volk von 330.000 Seelen, diesen Erfolg beibehalten. Daran arbeite ich, wie auch alle meine Kollegen hier im Verband. Der Fokus ist auf den Nachwuchsmannschaften und die Liga-Klubs und überhaupt alle, die im Land am Fussball beteiligt sind, sie mit dem Ziel dafür zu sorgen dass dieser Erfolg nicht nur ein kurzweiliges Phänomen bleibt sondern, dass wir imstande bleiben auch in Zukunft uns international geltend zu machen. Wir wollen alles dafür tun, um der Welt zu zeigen dass wir eine ernstzunehmende Fussballnation bleiben, trotz der geringen Bevölkerungszahl.
    Nachwuchsförderung als Basis des Erfolgs
    Sturmberg: Wenn wir über den Nachwuchs sprechen, die U21 der vergangenen Jahre war sehr gut aufgestellt, wie sehen Sie die Leistung der gegenwärtigen U21?
    Bergsson: Ja, da gibt es einige gute Spieler und es ist tatsächlich so, die U21 Mannschaft, die es in die Schlussrunde der EM in Dänemark 2011 geschafft hat, bildet den Kern der heutigen Nationalmannschaft, die so erfolgreich ist. Wir müssen deshalb immer aufpassen, die nächste Generation guter Spieler zu finden. In unserer jetzigen U21 sind einige starke Spieler und sie schlägt sich ziemlich gut. In der EM-Qualifikation treffen die Jungs aber jetzt auf sehr starke Mannschaften, wie Spanien, so dass es nicht sicher ist, dass sie es in die Schlussrunde schafft. Aber wir haben eine gute Basis und da gibt es einige Spieler, auf die wir sehr gespannt schauen und wir gehen davon aus, dass sie unsere Mannschaft zukünftig stärken werden.
    Sturmberg: Die Männer-Nationalmannschaft hat so viel internationale Aufmerksamkeit bekommen. Welchen Einfluss hat sie auf die isländische Gesellschaft?
    Bergsson: Ja, das hat auf jeden Fall einen Einfluss. Der Erfolg bei der EM 2016 hatte einen weitreichenden und positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft. Wir haben die Geschlossenheit und Freude gefühlt. Wir haben gespürt, was man mit Zusammenhalt und einer gemeinsamen Anstrengung bewirken kann. Die Fans haben uns auf eine fantastische Weise unterstützt. Es sind etwa 30.000 zum Turnier nach Frankreich gekommen, das sind fast 10 Prozent der Bevölkerung! Und ich glaube, das hat auch einen großen Einfluss auf das Erscheinungsbild von Island im Ausland und mit dazu beigetragen, dass so viele Touristen jetzt nach Island reisen. So hat es auch der isländischen Volkswirtschaft was gebracht.
    Sturmberg: Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach diese Außenwirkung, die der isländische Fußball ausstrahlt, der ja schon so etwas wie eine Trendmarke ist?
    Frauen bekommen das gleiche Geld wie die Männer
    Bergsson: Das gibt ein bestimmtes Bild von unserem Land, was mit dem Auftreten der Nationalmannschaft verbunden wird. Es kommen nicht nur Männer, um uns zu unterstützen, es kommen ganze Familien. Und das nicht nur bei den Männern, das ist auch bei der Frauen-Nationalmannschaft so. Das konnte man gut beobachten bei der Europameisterschaft in den Niederlanden letzten Sommer. Der Erfolg der Nationalmannschaften hat die junge Generation inspiriert. Es ist überhaupt die gesellschaftlich wichtige Funktion des Sports, die jungen Leute anzutreiben. Den Erfolg der Nationalmannschaften kann man auch auf die gute Arbeit in den Klubs zurückführen, im ganzen Land, die Infrastruktur, die wir aufgebaut haben.
    Sturmberg: Die Frauenfußball-Nationalmannschaft erhält seit diesem Jahr die gleichen Zahlungen wie die Männer, ist das wegen des neuen Lohngleichheits-Gesetzes in Island?
    Bergsson: Wir haben das hier in der KSÍ-Führung schon vorher entschieden, dass die Frauen die gleichen Konditionen haben sollen. Dass sie die gleichen Bonuszahlungen etc. wie die Männer erhalten. Sie haben den gleichen Aufwand, sie sollen die gleichen Bedingungen haben. Das ist die Botschaft, die wir damit aussenden wollen. Ich weiß, da gibt es gerade viel Diskussion darum im europäischen Fußball. Wir wollen da ganz progressiv sein. Und wir können uns das leisten, der Verband ist gerade in einer starken finanziellen Situation, und wir wollen die Frauen damit auch bestärken. Wir wollen eine starke Frauenmannschaft.
    Genießen Freude und Zusammenhalt in der Gesellschaft
    Sturmberg: Wie kommt es, dass die Unterstützung der Nationalmannschaft so enorm geworden ist? Vor zehn Jahren war ja das noch nicht so... Warum jetzt?
    Bergsson: Wir haben früher nicht so gut gespielt, und waren auch eher zurückhaltend. Mit zunehmendem Erfolg – die Frauen sind ja schon länger so erfolgreich - hat sich eine Fankultur gebildet, hier in Island verfolgen viele auch die anderen Ligen, z.B. die Premier League und wir haben das für uns entdeckt. Maßgeblich daran beteiligt war die Fangruppe "tólfan" - 12. Mann - , die mit Fangesängen und dem "Húh" Stimmung in die Stadien gebracht und alle anderen nach und nach angesteckt haben. Das ist wie wie eine positive Spirale nach oben. Die sorgen für Atmosphäre und beflügeln unser Team und die gute Leistung wiederum sorgt für tolle Stimmung. Und wir genießen das augenblicklich diesen Zusammenhalt.
    Wir rechnen damit, dass uns auch andere unterstützen
    Sturmberg: Ist die Hoffnung groß, dass viele Isländer nach Russland fahren?
    Bergsson: Ja wir spüren ein grosses Interesse, insbesondere für das erste Spiel gegen Argentinien. Die Nachfrage scheint ein wenig geringer zu sein für die darauffolgenden Spiele, gegen Nigeria und Kroatien. Aber wir werden es natürlich in die nächste Runde schaffen, und dann wollen alle Tickets haben.
    Die Isländer kennen sich in Russland nicht so aus wie in Frankreich. Die großen Entfernungen zwischen den Austragungsorten usw. mögen dazu führen dass es nicht so viele Fans in den WM-Stadien in Russland sein werden wie bei der EM in Frankreich. Aber es werden auf jeden Fall Tausende sein bei jedem Spiel, und wir rechnen ehrlich gesagt auch damit, dass ein Teil anderer Zuschauer, Russen und andere, unsere Mannschaft auch unterstützen werden.
    Sturmberg: Argentinien ist ein schwieriger Gegner gleich zu Beginn. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Mannschaft das Achtelfinale erreicht?
    Bergsson: Wir sind schon in einer schweren Gruppe gelandet, aber so war es auch in der EM, und wir haben die Gruppe damals gewonnen! Die Mannschaft, die ganze Vorbereitung zielt darauf hin, es ins Achtelfinale zu schaffen. Und ich bin zuversichtlich, dass das auch klappen wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.