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Rücktritt der britischen Innenministerin Rudd
Zielvorgaben für die Ausweisung illegaler Zuwanderer

Der Rücktritt der britischen Innenministerin Amber Rudd kommt für Premierministerin Theresa May höchst ungelegen. Zum einen galt Rudd als eine ihrer Vertrauten, zum anderen gerät dadurch auch die "Brexit-Balance" im Kabinett durcheinander. Gescheitert aber ist Rudd an der Zuwanderungspolitik.

Von Stephanie Pieper | 30.04.2018
    Die britische Innenministerin Amber Rudd bei der Enthüllung einer Statue der Suffragettenführerin Millicent Fawcett in London.
    Amber Rudd ist als Innenministerin Großbritanniens zurückgetreten (imago / Matt Crossick)
    In Westminster, dem Londoner Regierungsviertel, kann sich binnen 48 Stunden vieles ändern: Am Freitagabend noch erklärte 10 Downing Street, die Innenministerin habe die volle Rückendeckung der Tory-Premierministerin. Wohl auch, weil Amber Rudd als eine der wenigen Stützen und Vertrauten von Theresa May galt. Doch nach neuen Enthüllungen am Wochenende war der Druck auf Rudd immer größer geworden – und irgendwann zu groß.
    "Windrush" hieß eines jener Schiffe, mit denen nach dem Zweiten Weltkrieg Einwanderer aus der Karibik nach Großbritannien kamen. Nachdem sie Jahrzehnte lang hier gelebt haben, wird vielen von ihnen jetzt etwa die Behandlung im nationalen Gesundheitsdienst verweigert – oder gar mit Abschiebung gedroht, weil die Betroffenen ihren rechtlichen Status nicht durch Dokumente belegen können. Ans Tageslicht kam außerdem, dass das Innenministerium den zuständigen Behörden Zielvorgaben gemacht hat für die Ausweisung illegaler Zuwanderer. Genau das stritt Rudd vor einem Parlamentsausschuss allerdings zunächst ab.
    Eine "feindselige Umgebung" für illegale Einwanderer schaffen
    Kurz danach musste Rudd sich vor den Abgeordneten korrigieren: Es habe doch regionale Ziele für die Zahl der Abschiebungen gegeben, von denen sie aber nichts gewusst habe.
    Am Samstag dann veröffentlichte der "Guardian" ein Memo aus dem Innenministerium, wonach es nationale Vorgaben gab – über die Rudds Büro informiert gewesen war. Kritikern zufolge wollte das Ressort eine "feindselige Umgebung" für illegale Einwanderer schaffen – und zwar nicht erst unter Rudds Regie, sondern bereits unter der ihrer Vorgängerin im Amt: Theresa May. Daran erinnert die Hauptstadt-Korrespondentin der BBC, Laura Kuenssberg:
    "Labour hat der Regierungschefin in den vergangenen Tagen vorgeworfen, dass Rudd als eine Art menschlicher Schutzschild für sie diente. Jetzt dürfte die Opposition ihre Kritik verstärkt an die Premierministerin selbst adressieren."
    Brexit Balance gefährdet
    Rudds Rücktritt gefährdet auch die sorgfältig austarierte Brexit-Balance im Kabinett: Galt sie doch als pro-europäische Verfechterin eines weichen EU-Austritts, einer wirtschaftlich engen Anbindung – und war damit ein Gegenpol etwa zu Außenminister Boris Johnson. Vor einigen Tagen schien Rudd sogar anzudeuten, Großbritannien könnte womöglich in einer Zollunion mit der EU bleiben – was nicht die offizielle Regierungslinie ist. Nun könnte sie von den hinteren Parlamentsbänken aus für einen soften Brexit kämpfen, analysiert John Rentoul, der Chef-Kommentator des "Independent":
    "May hatte im Parlament bereits vorher Probleme mit dem von ihr gewollten Ausstieg aus der Zollunion – womöglich hat sie sogar in ihrer eigenen Fraktion keine Mehrheit dafür. Jetzt sind die Probleme für sie noch größer geworden."
    Bei den Tories galt Rudd als potenzielle Nachfolgerin Mays; jetzt liegt ihre politische Karriere auf Eis. Wer das Innen-Ressort übernimmt, ist noch offen. Der Abgang kommt für die konservative Minderheitsregierung zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn am Donnerstag finden in vielen Städten Englands Kommunalwahlen statt.