Zu Besuch beim MaroVerlag

Ein O-Saft mit Charles Bukowski

Benno Käsmayr in den Räumen des MaroVerlags in Augsburg
Indie-Verleger Benno Käsmayr. Die Gründung seines Verlags verdankte sich einer Verkettung von Zufällen. © Andi Hörmann
Von Andi Hörmann · 01.08.2018
Charles Bukowski sicherte dem MaroVerlag das Überleben und begegnete dem Gründer Benno Käsmayr ganz anders als es seinem Bild in der Öffentlichkeit entspricht. Auf ihn gestoßen ist der Indie-Verleger, weil er immer auch Drucker war.
Benno Käsmayr, Gründer des MaroVerlags, erinnert sich an eine Begegnung mit dem US-Original Charles Bukowski:
"Bukowski hat ja mal über mich geschrieben: Der hat einen Besenstiel im Kreuz, der ist so steif. Und seine Frau hat gesagt: Ja, aber er kümmert sich ja unheimlich. Dann sagt er: Wer weiß, vielleicht frisst er nachts kleine Kinder."
Charles Bukowski 1978 in der französischen TV show "Apostrophes".
Der Schriftsteller Charles Bukowski bei einem Auftritt im Jahr 1978© imago / Zuma Press / Ulf Andersen
Wir sind in einem Industriegebiet, Augsburg-Oberhausen: Ein Lastenaufzug. Die Farbe blättert ab, wuchtig und grob, dieses metallene Ungetüm. Links Druckmaschinen, rechts Büroschreibtische. Im Hinterzimmer: Versandstation, Kaffeeküche, Bücherlager und Veröffentlichungsarchiv.

Eine Verkettung von Zufällen

Benno Käsmayr betreibt seit nunmehr fünf Jahrzehnten seinen Independent-Verlag, in dem er alle Produktionsabläufe einer Buchveröffentlichung selbst dirigiert und die Bücher auch druckt.
"Mein ganzes Leben besteht eigentlich aus einer Verkettung von Zufällen, die ergeben haben, dass ich jetzt schon so lange den Verlag machen kann."
Zufall Nummer eins: Benno Käsmayr, 1948 geboren, verbringt seine Schulzeit in einem Internat im schwäbischen Dillingen. Konservative Erziehung, krude Pädagogik. Die Literatur wird zu seiner Weltflucht.
Benno Käsmayr im Jahr 1971
Benno Käsmayr im Jahr 1971© privat
"Ich habe da alles gelesen, was es gab. Und das war so meine Art, mich da rauszuziehen aus diesem üblichen Seminaralltag."
Zufall Nummer zwei: Neben dem Studium der Kommunikations-Soziologie jobbt er in einer Druckerei, nimmt erste eigene Druckaufträge an und macht sich selbständig. Das, so Käsmayr, habe sich rumgesprochen.
"Ah, der Käsmayr hat Zugang zu günstigen Produktionsmitteln, weil ich dann natürlich in dieser Druckerei für andere Verlage Jobs angenommen habe, und konnte dann über den Chef die so ein bisschen billiger anbieten."

"Das können wir auch!"

In Jeans und blau-weiß gestreiftem Hemd, leger über der Hose getragen, steht Benno Käsmayr in seinen hellen Verlagsräumen. Kecker Lockenkopf, wach der Blick durch sein ovales Brillengestell. Er erzählt wie es losging mit dem Verlag, als er mit seinem Schulfreund 1968 die Buchmesse besuchte. Seine Anekdoten packt Käsmayr gerne in die direkte Rede.
"Und am Abend saßen wir ziemlich müde, weil wir so viel rum gelaufen sind in einer Frankfurter Kneipe und haben so den Tag passieren lassen. Da sag ich: 'Mensch, was die da machen, diese Kleinverlage, das können wir eigentlich auch'."

Bukowski mit frisch gepressten O-Saft

Zufall Nummer drei: Der legendäre Charles Bukowski. Benno Käsmayr druckt für die hessische Literaturzeitschrift "Gasoline 23", in der er zum ersten mal Gedichte des amerikanischen Beat-Literaten liest, und schreibt den Autor und Verleger Carl Weissner an:
"Könnten wir nicht mal beim MaroVerlag etwas von diesem Bukowski machen? Und dann war er erst etwas zögerlich: Ja, er hat das größeren Verlagen angeboten. Und dann kam das Go: Besser ein Buch in einem kleinen Verlag als gar kein Buch – weil alle anderen, größeren Verlage haben das abgelehnt."
Linda Bukowski, Charles Bukowski und Benno Käsmayr in Mannheim, aus dem Buch "Die Ochsentour" © MaroVerlag
Linda Bukowski, Charles Bukowski und Benno Käsmayr in Mannheim © Michael Montfort, aus dem Buch "Die Ochsentour" © MaroVerlag
Bukowski beleuchtet in seinen Texten die Schattenseiten des amerikanischen Traums: Der Anti-Held als lotternder Loser, der sich mit Schmuddel-Image und Alkoholexzessen als Haudegen durch pornographische Abenteuer laviert. Rock´n`Roll-Lifestyle mit der Schreibmaschine.
Damals hat Benno Käsmayr Bukowski in Kalifornien besucht. Die Erinnerungen sind lebendig: Das Klischee in der Öffentlichkeit entspricht so gar nicht dem persönlichen Kennenlernen. Dichtung und Wahrheit.
"Er war nie betrunken, als wir da waren. Seine Frau hat ihm in der Früh so frisch gepressten Obstsaft gemacht und er nahm seine Vitamintabletten. Und abends war mal kurz Fernsehen angesagt, wir saßen dann und unterhielten uns über alles mögliche… Ja, so war das mit Bukowski."

Die Tochter wird die Nachfolgerin

Ja, so war das! Und nun also: Buch-Business dank Charles Bukowski. Benno Käsmayr hat ihm den Erfolg seines kleinen Verlags zu verdanken. 50 Jahre im Buchgeschäft, ein echter Überlebenskünstler der Literaturbranche. Gut 300 Titel im Backkatalog, ein halbes Dutzend Veröffentlichungen pro Jahr.
Neben Bukowski erschienen auch andere, im weitesten Sinne Beat-Autoren im Verlag: Jack Kerouac, William S. Burroughs und Jim Morrison; vereinzelt publizierte Käsmayr auch Titel deutscher Avantgarde-Literaten wie Jörg Fauser und Lydia Daher.
Der MaroVerlag in Augsburg ist ein Ein-Mann-Betrieb mit Unterstützung einer Lektorin und der Tochter von Benno Käsmayr. Sie wird den Betrieb auch mal übernehmen. Bis dahin kümmert sich der sympathische Gründer weiterhin um alle Produktionsabläufe: Die Maschinen dazu stehen in den Verlagsräumen. Käsmayr erklärt die Abläufe:
"Das wird auf die Buchdicke eingestellt. Das ist jetzt der Umschlag. Das liegt da. Dann kommt hier die Fräse. Jetzt ist der Bindevorgang schon fertig."

200 Bücher pro Stunde

200 Bücher entstehen so in einer Stunde. Vergriffen ist im Verlagsprogramm kaum etwas. Solange die Lizenz noch da ist, werden immer wieder mal 50 Stück nachgedruckt.
Erst im letzten Jahr wurde der MaroVerlag mit dem Preis "für einen Kleinverlag in Bayern" und dem Förderpreis für "junge Buchgestaltung" der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.
Ganz aktuell erschienen im MaroVerlag: "Dante Baby, das Inferno ist da! - 94 unzensierte Gedichte". Der erste posthume Gedichtband von Charles Bukowski, der nicht zensiert wurde!
Bei der Verabschiedung stehen wir draußen auf der Laderampe des Industriegebäudes: Benno Käsmayr raucht eine Filterzigarette und macht einen zufrieden Eindruck in dieser betongrauen Gegend.
"Fünf, sechs mal am Tag sitze ich da draußen und schaue in die Landschaft."
(leicht überarbeitete Onlineversion, mf)
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