Fußball in China

Die Kommunistische Partei spielt mit

06:37 Minuten
Der chinesische Fußballspieler Wu Lei jubelt nach einem Tor
Nur einmal hat China an einer Fußball-WM teilgenommen. Das soll sich ändern. In einigen Jahren will China selbst eine veranstalten. © IMAGO / Xinhua
Von Ronny Blaschke · 18.07.2021
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China versucht seit Jahren, eine eigene Fußballkultur zu entwickeln. Unternehmen haben viel Geld in den Sport investiert - und auch verloren. Fußball ist zwar immer noch kein Breitensport, aber er wird instrumentalisiert für Handel und Nationalismus.
Es ist erst wenige Jahre her, da galt China als großer Zukunftsmarkt des Fußballs. Chinesische Unternehmen investierten hunderte Millionen Euro in Ablösesummen, Spielergehälter und Vereinsanteile. Der argentinische Stürmer Carlos Tévez soll 2017 bei seinem nur wenige Monate andauernden Gastspiel in Shanghai fast 40 Millionen Euro verdient haben.

Neuer Ansatz in der Fußball-Entwicklung

Die Unternehmen konnten ihre Ausgaben mit TV-Vermarktung, Ticketverkäufen oder Merchandising allerdings nicht refinanzieren. Corona erschwerte die Lage. Der politisch kontrollierte Fußballverband Chinas griff Anfang dieses Jahres durch: Elf Vereine aus den ersten drei Ligen erhielten wegen finanzieller Probleme keine Lizenz, fünf Klubs lösten sich auf. Auch der überschuldete Meister Jiangsu FC stellte seinen Betrieb ein.
Nun wolle der chinesische Verband eine nationale Fußballkultur langfristig entwickeln, sagt der britische Sportökonom Simon Chadwick: "Im Profifußball wurde eine Gehaltsobergrenze eingeführt. Zudem werden mehrere neue Stadien gebaut, das schafft Arbeitsplätze. An der Basis wurden in den vergangenen fünf Jahren mehr als 70.000 Fußballplätze gebaut. In den Schulen sollen Kinder und Jugendliche mindestens einmal pro Woche Fußball spielen."

Die Grenzen der Investoren

Auch international lässt Peking die schnelle Expansion zurückdrehen. Ob Hotelkette, Verpackungsindustrie oder Lampenhersteller: Seit 2014 investierten chinesische Unternehmen rund zwei Milliarden Euro in 20 europäische Klubs. So wollten sie für China auch den politischen Einfluss im Westen stützen.
Doch nach Aussage der Kommunistischen Partei haben viele europäische Vereine "die Großzügigkeit Chinas missbraucht". Die Zahl der Investoren in Europa hat sich inzwischen auf zehn halbiert und sie könnte weiter sinken. Der angeschlagene Handelsriese Suning will seinen Mehrheitsanteil bei Inter Mailand loswerden, obwohl der Verein gerade zum ersten Mal seit 2010 wieder italienischer Meister geworden ist.
Simon Chadwick sagt dazu: "Schon 2017 verschärfte Peking die Kontrolle der Geldflüsse. Es gab die Vermutung, dass Konzerne mit Hilfe des Fußballs zu viel Kapital ins Ausland schaffen." Grundsätzlich wolle die Regierung den gesellschaftlichen Einfluss von berühmten Unternehmern begrenzen. "Zahlreiche Klubs in China dürfen ihre Eigentümer nicht mehr im Vereinsnamen tragen. Kein Individuum soll größer als der Staat sein."
Chinesische Fußballfans jubeln im Stadion
Noch jubeln nicht genug Fans, um die Fußballstadien in China zu füllen.© IMAGO / Xinhua
Unter Präsident Xi Jinping nimmt der chinesische Nationalismus zu. Auch der Fußball dient als Plattform: Im Oktober 2018 versammelte der Verband fünfzig Jungprofis in einem Militärcamp. 2019 erhielten die chinesischen Fußballerinnen vor der WM Unterricht mit dem Titel "Mutterland in meinem Herzen", berichtet der österreichische Sportsoziologe Tobias Zuser, der in Hongkong forscht:
"Es wird von Nationalspielern erwartet, dass sie in der Vorbereitung für Turniere monatelang zur Verfügung stehen", erläutert Zuser. "Und dann hatten wir ja auch die große Diskussion über Tattoos: Dass Fußballspieler keine Tattoos haben sollten, dass man wieder ein traditionell maskulineres Bild fördern möchte – vor allem, um dann auch diesen kulturellen Einfluss aus Japan und Korea zu kontern."

Vier chinesische Sponsoren bei der EM

Noch gilt Fußball in China nicht als flächendeckender Breitensport und auch nicht als soziale Aufstiegsmöglichkeit. Stattdessen soll Fußball den internationalen Handel antreiben. Von den zwölf wichtigsten Sponsoren bei der diesjährigen Europameisterschaft kamen vier aus China.
Auch bei der Fifa und auf unteren Ebenen sind chinesische Unternehmen aktiv, bei einigen Nationalverbänden oder Spieleragenturen, sagt der Ostasienwissenschaftler Ilker Gündogan von der Ruhr-Universität Bochum: "Gerade nachdem Sepp Blatter abgetreten ist, nach diesen ganzen Korruptionsskandalen, ist Platz frei geworden für einige dieser Sponsorships." Es werde auch offen auf Webseiten von Unternehmen auf Chinesisch geschrieben, dass man das Sponsoring-System vorantreibe. "Gerade in die Fifa, um am Ende die Fifa-Weltmeisterschaft nach China zu holen."
Viele europäische Spitzenklubs wollen daran teilhaben und vermarkten sich mit eigenen Büros in China. Der FC Bayern reiste mit großen Delegationen nach Asien, so konnten auch seine Anteilseigner und Sponsoren Investitionen vereinbaren.

Zurückhaltung der westlichen Klubs bei Menschenrechtsfragen

Mit Kritik an Menschenrechtsverletzungen halten sich westliche Vereine zurück, und folgen damit dem Kurs von Fluglinien, Hotelketten oder Filmstudios, die Themen auf Druck von Peking ausklammern: die Unterdrückung der Uiguren oder den Konflikt mit Taiwan etwa.
Auch in Hongkong schwindet die Gegenwehr. Mehrfach hatten Fans im Stadtstaat bei Fußballspielen vor der Pandemie die chinesische Hymne ausgebuht. Nach Einführung eines neuen Gesetzes ist mit einem solchen Protest nicht mehr zu rechnen, sagt Ilker Gündogan: "Mittlerweile müssen sich die Leute fürchten, dass sie für lange Zeit einfach ins Gefängnis kommen für so eine Tat."
In Politik und Wirtschaft ist China ein globales Machtzentrum. Im Fußball wird es noch eine Weile dauern. Mindestens bis 2030 oder 2034. Dann will China zum ersten Mal die WM ausrichten.
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