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Gepanzerter Mensch im All

„Ad Astra – Zu den Sternen“ erzählt von einem Raumfahrer, der am Rand des Sonnensystems seinen Vater sucht. „Downton Abbey“, die britische Erfolgsserie wird zum Kinofilm. Und die Dokumentation „Das innere Leuchten“ beschreibt den Alltag von Bewohnern eines Heims für Demenzkranke.

Von Hartwig Tegeler | 18.09.2019
Großaufnahme von Brad Pitt mit einem Astronautenhelm.
Brad Pitt sucht in "Ad Astra" seinen Vater, der vor 30 Jahren während einer Expedition ins All verschollen ist. (20th Century Fox of Germany)
"Wir zählen darauf, dass Sie rausfinden, was da draußen vor sich geht!"
Geht es wirklich um das "Draußen" in James Grays Science-Fiction-Film "Ad Astra - Zu den Sternen"? Oder geht es bei der Reise, die Astronaut Roy McBride unternimmt, nicht vielmehr um eine Reise in sein Inneres? Immerhin sagt Roy – gespielt von Brad Pitt: "Ich tue, was ich tue, wegen meines Vaters. Er war ein Held. Er gab sein Leben für die Suche nach neuem Wissen."
Solch Verherrlichung und Idealisierung eines Vaters, der nie da war, ist ein Problem, nicht nur psychologisch. Was Wunder, das Roy McBride ein gepanzerter Mann ist.
Psychoanalytische Science-Fiction
"Bitte beschreiben Sie Ihren derzeitigen emotionalen Zustand. - Ich bin stabil, ruhig und bereit, meinen Job bestmöglich zu erledigen."
Hier spricht eine menschliche Maschine, die keinen Kontakt zu anderen Menschen herzustellen kann. Und nun kommt der Auftrag: Den Vater finden – Tommy Lee Jones spielt ihn - , der vor 20 Jahren zu einer Weltraummission Richtung Neptun aufbrach, und nicht, wie Roy annahm, verstorben ist, sondern dort in der Unendlichkeit des Raums ein gefährliches Experiment mit der Antimaterie betreibt.
Roy macht sich also auf die Reise, und die Frage nach dem Reiseziel, "Draußen" oder "Drinnen" - Roys Innerem - , überlagert sich, während der Astronaut in die Tiefe des Alls vordringt. "Ad Astra" ist kein philosophischer Science-Fiction-Film à la "2001 – Odyssee im Weltraum", sondern ein psychoanalytischer, indem es um die Suche nach dem verlorenen Vater geht und darum, ihn am Ende loszulassen. Natürlich schwingt im Filmtitel "Ad Astra – Zu den Sternen" das alte lateinische Sprichwort "per aspera ad astra" mit. Übersetzung: "Durch das Raue zu den Sternen". Was Motto jedes psychotherapeutischen Settings sein könnte, nämlich: Es ist ein mühseliger Weg zur Befreiung.
"Ad Astra – Zu den Sternen" von James Gray – empfehlenswert.
Großer Besuch kündigt sich an auf Downton Abbey im Jahr 1927: "Oh Himmel! - Was ist denn? - Der König und die Königin erweisen uns die Ehre. - Was? - Na großartig."
Der schnippische Kommentar "Na großartig" der Mutter des Earl of Grantham – gespielt von Maggie Smith – ändert nichts daran, dass die Adelsfamilie von "Downton Abbey" und ihr Personal alle Probleme, die mit dem Besuch der Royals anstehen, gemeinsam lösen werden. Klassenübergreifend. Wenn man "Downton Abbey" - den Spielfilm - anschaut, dann muss man sich fragen, wie überhaupt irgendjemand etwas gegen eine aristokratische Klassengesellschaft einzuwenden hat. Die Herrschaften oben und die Bediensteten unten: Ziehen sie nicht am Ende alle am gleichen Strang?
"Oh, ist mein neues Ballkleid geschickt worden? - Noch nicht"
Es ist eine gut geölte Maschine, in der alle ihren angestammten Platz haben. Seit ewigen Zeiten, gaukelt uns diese Erzählung jedenfalls vor. "Es besteht keinerlei Veranlassung für einen Streit. Ich streite mich generell nicht. Ich erkläre!"
Es ist eben eine schöne alte Welt, die dieser von Julian Fellowes geschriebene Kosmos bejubelt. Um allerdings die Kosten eines solch starren gesellschaftlichen Klassensystems ermessen zu können, sollte man sich lieber Anthony Hopkins und Emma Thompson in James Ivorys "Was vom Tage übrig blieb" von 1993 anschauen. In "Downton Abbey" - dem Spielfilm jetzt auch - gibt es dagegen nur die süße adelige Vergangenheitssoße.
"Downton Abbey" von Michael Engler – ärgerlich.
Manfred Volz wischt in der Doku "Das innere Leuchten" mit einem Schwamm eine Tischplatte sauber, immer wieder in die Ecken, aber gleichzeitig schleift Manfred Volz, der einmal Tischler war, mit imaginärem Schleifpapier die Holzfläche, so scheint es. Vergangenheit und Gegenwart begegnen sich in den Handbewegungen dieses alten, an Demenz erkrankten Herren.
Innere Welt und äußere Welt treffen hier aufeinander, und Filmemacher Stefan Sick kann in dieser Szenen eine Ahnung vermitteln, warum sich Menschen mit Demenz so verhalten, wie sie es tun. "Das innere Leuchten" ist ein beobachtender Dokumentarfilm über den Alltag im Stuttgarter Gradmann Haus, einem Pflegeheim für Demenzkranke. Also Menschen mit der Krankheit, die instinktiv Angst und Abwehr bei uns auslöst: Wann sind unsere Eltern soweit? Wann wir vielleicht? Fragen, die immer mitschwingen.
Der Kern eines Menschen bleibt unzerstörbar
Doch Stefan Sick gelingt in seiner Doku das Kunststück, den alten Herrschaften ihre Würde zu lassen, auch wenn es nicht einfach für uns ist, Menschen zuzuschauen, die geistig nicht mehr in dieser Welt sind, wenn sie essen, trinken, tanzen, summen, ewig unverständliche Worte murmeln, über einen Flur des Heimes schlurfen oder in einem Stuhl sitzend immer wieder wegdösen.
Stefan Sick sagt zum Titel seiner Doku "Das innere Leuchten": "Dieser innerste Kern von einem Menschen, der ist nicht zerstörbar. Durch gar nichts. Und der kommt meiner Meinung nach noch stärker heraus. Und da hatte ich so das Gefühl, dass man so ein Stück weit in die Seele der Menschen schauen kann. Das war für mich so ein Leuchten. Der innere Kern eines Menschen verschwindet nicht."
"Das innere Leuchten" von Stefan Sick – herausragend.