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Gründung vor 150 Jahren
Deutsche Bank: Schwieriger Start, rasanter Aufstieg

Die Anfänge des weltweit bekanntesten deutschen Kreditinstituts sind eng mit der Reichsgründung von 1870/71 verknüpft. Der rasante Aufstieg der Deutschen Bank hatte aber nicht nur mit guten Kontakten in Berliner Regierungskreise zu tun, sondern auch mit der unternehmerischen Weitsicht der ersten Chefs.

Von Bert-Oliver Manig | 22.01.2020
    Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main
    Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main (dpa)
    Die Gründung des Deutschen Reiches fiel mit einem nie gekannten Aufschwung von Handel und Industrie zusammen. Der rückständige Bankensektor war den neuen Anforderungen nicht gewachsen, wie der Bankdirektor Hermann Wallich sich später erinnerte: "Bis 1870 konnte kein Ballen Baumwolle nach Deutschland eingeführt werden, der nicht durch englische Vermittlung finanziert wurde. Ähnlich ging es mit allen übrigen Rohprodukten, die zur Alimentierung der deutschen Industrie dienten. Auch der deutsche Export fand seinen Hauptweg nur über England."
    Am 22. Januar 1870 versammelten sich auf Initiative des Bankiers Adelbert Delbrück und des liberalen Politikers Ludwig Bamberger in Berlin 67 Persönlichkeiten und beschlossen die Gründung der "Deutsche Bank AG", die sich auf das riskante Exportgeschäft konzentrieren sollte. Die Anfänge des von den Geldgebern kurz gehaltenen Instituts waren denkbar bescheiden:
    "Die äußeren Verhältnisse waren deprimierend. Die Geschäftsräume befanden sich in einer Etage eines alten, baufälligen Hauses in der Französischen Straße Nr. 21, dessen dunkler und nahezu lebensgefährlicher Treppenaufgang nach allen Schilderungen geradezu abschreckend gewirkt haben muss",
    berichtet Karl Helfferich, der Biograph des ersten Direktors der Bank, Georg Siemens.
    Siemens, der aus einer Juristen- und Industriellenfamilie stammte und über keinerlei Ausbildung im Bankfach verfügte, arbeitete sich in einem düsteren Zimmer in sein Tätigkeitsfeld ein und kokettierte mit seiner Unerfahrenheit: "Von dem amerikanischen und indischen Bankgeschäft verstehe ich zwar wenig, ich tue indessen sehr gelehrt und schlage zu Hause heimlich das Konversationslexikon oder ‚Die Kunst in 24 Stunden Bankier zu werden‘ auf, wenn ich ein mir unverständliches Wort höre. Den Unterschied zwischen Geld und Brief habe ich denn auch schon annähernd erfasst."
    Siemens und Wallich das perfekte Paar
    Die Berufung des charismatischen Außenseiters Siemens sollte sich als Glücksgriff erweisen. Zudem wurde ihm mit Hermann Wallich ein erfahrener Ko-Direktor an die Seite gestellt, der zuvor für eine Pariser Bank das Geschäft in Shanghai geleitet hatte. Siemens gute Kontakte in höchste Regierungskreise und Wallichs Expertise kamen beim ersten großen Coup der Bank zusammen: Nach der Einführung des Goldstandards verkauften sie im Auftrag der Reichsregierung die überflüssigen Silberbestände in Ostasien und wichen so dem Preisverfall am europäischen Silbermarkt geschickt aus.
    Den Stellenwert für die Bank beschrieb Hermann Wallich in seinen Erinnerungen so: "Der Gewinn aus diesen Operationen legte den Grundstein zu den großen internationalen Positionen auf dem Wechselmarkt, die unsere Bank heute noch hat. Um nicht die Eifersucht der Konkurrenz zu wecken, genossen wir unseren Triumph im Stillen."
    Dennoch machte sich die Bank Feinde, nicht nur unter antisemitischen Publizisten, für die kosmopolitische Finanzfachleute wie Bamberger und Wallich ein ideales Feindbild darstellten. Neid erregte nicht zuletzt, dass die Deutsche Bank gestärkt aus dem Börsenkrach von 1873 hervorging: Siemens und Wallich hatten der Versuchung widerstanden, sich am damals heiß laufenden Aktienemissionsgeschäft zu beteiligen, auch wenn dies auf die Dividende drückte. Nach der Gründerkrise war die Bank gesund und stark genug, angeschlagene Bankgesellschaften zu übernehmen und ihre Aufnahme in das Bankenkonsortium zu erzwingen, das sich das lukrative Geschäft der Emission von Staatsanleihen teilte.
    Nicht mehr nur Geldverleiher
    Das eigentliche Erfolgsrezept der Deutschen Bank aber war das bis dahin weitgehend unbekannte Depositen- und Kontokorrentgeschäft. Vor 1870 waren Banken nur als Geldverleiher aufgetreten. Die Deutsche Bank bot der Industrie nun auch die kurzfristige Anlage überschüssiger Mittel und die Kontenführung an. Das verschaffte der Bank nicht nur Liquidität und stabile Provisionen, sondern auch genaueste Kenntnisse über die Geschäftslage ihrer Kundschaft, was wiederum dem Kreditgeschäft zugutekam.
    So stieg die Bank rasch zur führenden Bank des Deutschen Reiches auf, mit investitionshungrigen Unternehmen wie BASF, AEG oder Mannesmann unterhielt sie engste Beziehungen. International mischte sie am Eisenbahnbau im Orient wie in den USA mit. 30 Jahre nach ihrer Gründung zog Hermann Wallich stolz Bilanz:
    "Heute steht die Deutsche Bank an der Spitze des deutschen und namentlich des überseeischen Geschäfts. Ihre Unterschrift wird, ähnlich wie die deutsche Flagge, in allen Teilen des Erdballs wie keine andere respektiert."