Südstaatenromantik in den USA

Das Streben der Weißen nach Geschichtsdeutung

Weiße Aktivisten schwenken die Südstaatenfahne
Weiße Aktivisten schwenken die Südstaatenfahne © imago stock&people
Timo Grampes im Gespräch mit Simon Wendt · 14.08.2017
Die Verklärung der Bürgerkriegsgeschichte vor allem unter weißen Amerikanern in den Südstaaten sei eine der Ursachen für die Eskalation von Gewalt in Virginia, sagt der Nordamerikawissenschaftler Simon Wendt. Sklaverei und Rassendenken würden verharmlost.
Um die Fronten zu verstehen, die sich am Wochenende im Süden der USA, in Charlottesville, Virginia, auftaten, muss man zurückblicken in die Geschichte der USA, zurück zum Bürgerkrieg und zur Teilung in Nord und Süd. Und man muss sich erinnern an den Konflikt um die Abschaffung der Sklaverei. Am Wochenende war die Gewalt am Rande eine Aufmarschs der Ultrarechten, begleitet von Gegendemonstranten in der Stadt eskaliert: Ein Autofahrer fuhr in die friedlichen Gegendemonstranten, ein Mensch kam ums Leben, viele weitere wurden verletzt. Es folgten Unruhen und die Behörden sprechen von nunmehr drei Toten und Dutzenden Verletzten, viele von ihnen schwer verletzt. Anlass für diesen Aufmarsch der sogenannten Alt-Right-Bewegung war die geplante Entfernung eines Denkmals für einen Bürgerkriegsgeneral der vor dem Bürgerkrieg abgespaltenen, also konföderierten Südstaaten: Robert E. Lee.

Die Legende von der Familienehre

Nach Einschätzung des Nordamerikawissenschaftlers Simon Wendt geht es der vor allem von rechten weißen Südstaatlern dominierten Alt-Right-Bewegung mit ihrem Festhalten an dem Denkmal darum, die Hoheit über die Geschichtsdeutung zu bekommen, also diese zurück in die "Hände der weißen Bevölkerung" zu legen.
Viele weiße Südstaatler würden hier eine Art Legende bemühen, die sogenannte "Familienehre": Der Bürgerkrieg werde verklärt zum heroischen Kampf der weißen Generäle. "Vielen Südstaatlern geht es darum zu betonen, dass die Idee von Multikulturalismus und die Idee von einer offenen Gesellschaft nicht das Ideal ist, das sie anstreben."
Die Äußerung des rechten Ex-Klu-Klux-Klan-Chefs David Duke, man habe Donald Trump gewählt, damit er "uns unser Land zurück gibt" sei ein Beleg für die neue Hoffnung auf diese "Zurückeroberung", betonte Wendt. "Duke und andere Mitglieder der extremen Rechten waren sehr stark an den Rand gedrängt in den letzten acht Jahren und haben durch Trump letztendlich wieder das Selbstbewusstsein gewonnen, sich in den Vordergrund zu drängen." Dieses "Narrativ der Zürckeroberung Amerikas durch die weiße Bevölkerung" bekomme aber jetzt unter Trump immer mehr Auftrieb.

Trump-Kritik an Alt-Right ist kaum zu erwarten

Um seine Wähler nicht zu verärgern, werde Trump wohl auch künftig höchstens subtile Kritik am Vorgehen dieser Rechten äußern, sagte Wendt. "Das könnte durchaus noch mehr Gewalt bedeuten in der Zukunft."
Allerdings betont der Nordamerikawissenschaftler auch, dass es nicht nur diesen einen konservativen weißen Blick auf die Südstaatengeschichte gibt. Ja, da sei die "Vom Winde verweht"-Geschichte, in der von den Südstaaten als romantischer Region gesprochen werde, in der am Ende ja doch alle irgendwie miteinander klar kamen, weil ja die Sklavenhalter gar nicht so böse zu ihren Sklaven gewesen seien. "Der Bürgerkrieg als ganz großer Fehler - das ist die Erzählung, die man nach wie vor noch hört. Aber es gibt eben auch diese andere Erzählung, in der die extreme Gewalt und Unterdrückung, die die Afroamerikaner im Süden erfuhren, auch Teil der Erinnerung sein muss", sagte Wendt. Allerdings erfolge dieses Klarmachen der Gewalt als Folge von Rassentrennung oft eher in akademischen Kreisen. In der Populärkultur dagegen passiere das eher selten.
(str)
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