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Wettstreit der Zauberlehrlinge

Biologie. - Die synthetische Biologie ist nicht nur eine Disziplin, bei der es darum geht, Lebewesen aus Einzelteilen neu zusammen zu setzen. Sie ist eine regelrechte Bewegung geworden, der sich vor allem junge Molekularbiologen und Bioinformatiker anschließen. Nirgends wird das so deutlich wie beim jährlichen Wettbewerb der Biobastler in Boston, der so genannten Igem-Competition.

Von Michael Lange | 08.01.2010
    Der Studentenwettbewerb Igem am MIT in Boston hat sich zu einem Volksfest der Synthetischen Biologie entwickelt.

    "We made violet, green, red, orange and brown."

    Violett, grün, rot, orange und braun. Das sind Haarfarben der Sieger aus Cambridge in England - und die Farben der Bakterien, die sie aus Einzelteilen zusammengebaut haben.

    "Wir haben bunte Bakterien erzeugt, um sie dann in einem Umweltsensor einzusetzen, zum Nachweis giftiger Substanzen."

    Eine interessante Idee, meint Drew Endy, einer der Vordenker der Synthetischen Biologie. Im Schneidersitz sitzt er auf einer Bank und spinnt die Idee der Studenten weiter.

    "Wie wäre es, wenn in Zukunft bunte, künstliche Bakterien im Körper von Menschen leben. Und die Bakterien ändern ihre Farbe je nach Gesundheitszustand. Man schaut in den Badezimmerspiegel, und das Schimmern im Gesicht verrät, ob eine Krankheit im Anmarsch ist."

    Ein kreatives Spiel mit lebendigen Lego-Steinen, das immer beliebter wird. Diesen Erfolg habe vor fünf Jahren niemand erwartet, verrät Randy Rettberg, der Organisator der Meisterschaft.

    "Das klappt doch nie. Das ist doch nichts für ungeübte Studenten, sagten damals meine Kollegen. Viele hielten unsere Idee für Zeitverschwendung. Und jetzt suchen Geldgeber hier nach Ideen für Firmengründungen. Da hat sich viel getan."

    Das Basteln mit biologischen Teilen ist heute nicht mehr das Privileg weniger Spezialisten. Tausende Studenten haben die Techniken der synthetischen Biologie erlernt und bei den jährlichen Meisterschaften unter Beweis gestellt. Viele vergleichen die Entwicklung bereits mit den 70er-Jahren, als Computer- und Softwareschmieden in Garagen und Hinterhöfen entstanden. Das war der Beginn der IT-Revolution, und etwas ähnliches könnte nun in der Biotechnologie bevorstehen. Der Quellcode des Lebens ist für jedermann zugänglich geworden, auch für potentielle Biohacker, warnt Markus Schmidt von der Organisation für internationalen Dialog und Konfliktmanagement in Wien.
    "Auch eine Frage ist, wer kontrolliert diese Hacker, die Biohacker. Die Idee des Biohackertums oder der Amateurbiologen ist ja die, dass sie ohne Aufsicht und ohne Autoritäten arbeiten. Das ist ja das Ethos der Hacker, und das widerspricht der Idee der Regulierung."

    Das amerikanische FBI hat die Gefahr bereits erkannt und ist beim Jahrmarkt der Biobaumeister vor Ort - mit Informationsmaterial. Die Biohacker jedoch würden sich lieber selbst kontrollieren, nach einem Vorbild aus Deutschland: Dem Chaos Computerclub, so Vordenker Drew Endy.

    "Das sind Leute, die sich selbst als Hacker bezeichnen. Sie sind heute zum Teil der Kultur in Deutschland geworden. Sie geben sogar der Regierung Hinweise, wo Gefahren durch Hacker lauern könnten. Der Chaos Computer-Club dient mit seinen Ideen der Gesellschaft."

    Die große Mehrheit der guten Bio-Hacker soll also dafür sorgen, dass die wenigen bösen kein Unheil anrichten.

    Der Beitrag ist Teil des Themenschwerpunkts Synthetische Biologie Leben aus dem Labor
    Der Gentechnik-Wettbewerb IGEM ist vor allem studentisch geprägt.
    Der Gentechnik-Wettbewerb IGEM ist vor allem studentisch geprägt. (Michael Lange)
    Studenten der Universität Freiburg konstruieren Biomoleküle.
    Studenten der Universität Freiburg konstruieren Biomoleküle. (Michael Lange)