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Whistleblowing-Studie
Mehr Transparenz an deutschen Hochschulen

Geldverschwendung, Geschacher um Posten und Vorteilsnahme: Nicht nur in Wirtschaft und Politik ist Transparenz wichtig. Whistleblowing kann dabei ein wichtiger Helfer sein. Inwieweit Whistleblowing auch im Hochschulbereich sinnvoll sein kann, haben nun Kommunikationsforscher der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster untersucht.

Von Nicole Albers | 23.12.2014
    Studenten in einem Hörsaal
    Studie: Mehr Transparenz bei der Gremienarbeit und den Finanzplanung der Hochschulen erforderlich. (Jan Woitas, dpa)
    Mehrere Jahre lang haben Andres Friedrichsmeier und seine Kollegen Aussagen von rund 2.000 Universitätsangehörigen aus ganz Deutschland gesammelt, mit 60 Hochschulentscheidern, Dekanen und Professoren ausführliche Interviews geführt, um herauszufinden, inwieweit die Öffentlichkeit bei Meinungsverschiedenheiten eine Rolle spielt.
    Whistleblowing, so das Fazit der Studie, spielt nur selten eine Rolle, kommt aber vor. Ein Beispiel ist die Universität Rostock. Dort verfolgt der Fachbereich Philosophie nach wie vor das Ziel, Edward Snowden die Ehrendoktorwürde zu verleihen.
    Der Fachbereich hat nach Eindruck einiger Beteiligten sich relativ lange mit dem Thema rumgeschlagen, ohne voranzukommen und jemand aus dem Fachbereich hat das Thema an die Öffentlichkeit gegeben.
    Es hat dann einen Bericht in lokalen Zeitungen gegeben und hat dann quasi den gesamten Fachbereich unter Druck gesetzt, jetzt dieses Vorhaben weiter zu verfolgen.
    Ausnahme in der Unilandschaft
    Eine Entscheidung in diesem Fall ist bislang noch nicht gefallen, dennoch ist durch die Öffentlichkeit deutlich Bewegung in die Sache gekommen. Dieses Beispiel bezeichnet Kommunikationsforscher Friedrichsmeier jedoch als Ausnahme.
    "Wir haben Wissenschaftler, die ganz klar sagen, wir hatten die Empfindung, da hätte mal etwas an die Öffentlichkeit getragen werden müssen, das hätten alle wissen müssen, aber ich bin dazu loyal und hab das nicht getan."
    Das deckt sich mit Nachfragen an der Uni Münster. Mehrere Hochschulangehörige verschiedenster Ebenen und Fachbereiche geben die einhellige Antwort, dass Probleme zunächst intern geregelt würden. Einhelligkeit herrschte jedoch auch darüber, dass man bei diesem Thema lieber anonym bleiben will.
    Auch in der Studie wurde deutlich, dass die Loyalität gegenüber dem eigenen Fachbereich und den Kollegen meist wichtiger sei, als Probleme öffentlich zu machen.
    "In vielen Fällen ist die Autonomie ein zentrales Argument, warum Wissenschaftler nicht an die Öffentlichkeit gehen, selbst, wenn sie unzufrieden sind."
    Bandenspiel
    Stattdessen werde eher quasi über Bande gespielt, indem Studierende instrumentalisiert würden. Selma Güney vom Asta der Uni Münster wurde selbst schon häufig von Dozenten beiseite genommen. Ein anderer Rahmen für die indirekte Veröffentlichung von Missständen seien Senatssitzungen, vor allem, wenn Journalisten anwesend sind.
    "Dann weiß man, dass man zitiert werden könnte. Dementsprechend spricht man vorsichtig oder absichtlich unvorsichtig.
    Besonders beim Hochschulzukunftsgesetzt hat man erlebt, dass die allgemeine Empörung sehr stark ausgedrückt wurde und natürlich hat man das gemacht, weil man wusste, dass die Presse auch mitschreibt. "
    Insgesamt erlebt die AStA-Vertreterin das Klima an der Uni Münster als sehr offen, Themen würden breit diskutiert, wenn auch nicht immer öffentlich. Was allerdings sehr offensiv nach außen getragen werde, so ein weiteres Ergebnis der Studie von Andres Friedrichsmeier, sei Kritik gegenüber Personen, die nicht dem eigenen Fachbereich angehören.
    "Dass, wenn jemand aus den Fächern die eigene Hochschulleitung kritisieren will, ne geringere Tabuisierung vorliegt und dass auch der Ebene von Hochschule zum Ministerium die Hinderungsgründe die geringsten sind."
    Nachholbedarf
    Deutlichen Nachholbedarf sieht der Kommunikationswissenschaftler aber in zwei Bereichen: Gremienarbeit und Finanzen, denn hier gelte immer noch das längst überholte Diktat der Geheimhaltung.
    "Wir haben eine Veränderung von Steuerung der Hochschulen, Finanzzuweisungen sind politischer geworden und ich denke, da haben wir ne Diskrepanz, da muss man Geheimhaltungsvorgaben aufweichen. "
    Wenig Bedarf für mehr Whistleblowing
    Dennoch sieht er nur wenig Bedarf für mehr Whistleblower an Hochschulen. Das sei in seinen Augen eher kontraproduktiv.
    "Wenn jetzt alle Fragen an die Öffentlichkeit gebracht werden, dann hätten wir Verlust von Funktionsfähigkeit der Hochschule. Also, so einem generellen Votum mehr Whistleblower würde ich mich auf keinen Fall anschließen."