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"Widerspricht allem, was ich ökonomisch für richtig halte"

Ein Fass ohne Boden ist Griechenland für den CDU-Bundestagabgeordneten Klaus-Peter Willsch. Das Mitglied des Haushaltsausschusses will daher gegen das Griechenlandpaket II und seine Parteilinie stimmen – und plädiert für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Gerd Breker | 27.02.2012
    Gerd Breker: Hin und wieder hält man noch inne und wundert sich, mit welcher Gelassenheit man über Milliarden-Summen spricht. Der Bundestag hat heute über das zweite Hilfspaket für Griechenland abzustimmen, es geht um die schlappe Summe von 130 Milliarden Euro. Und noch bevor die Volksvertreter sich in namentlicher Abstimmung dafür ausgesprochen haben, lässt Finanzminister Wolfgang Schäuble schon durchblicken, dass auch dieses zweite Paket nicht die letzte Hilfe für Griechenland sein wird. Angesichts dessen wird verständlich, warum der eine oder andere beginnt, sich für Plan B zu erwärmen. Innenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU überlegt laut und deutlich, ob es nicht mehr Sinn machen würde, Griechenland Anreize zu geben – Anreize ist in dem Fall die Übersetzung von Milliarden-Summen –, damit Griechenland sich vom Euro lossagt. So ganz überzeugt scheint die schwarz-gelbe Koalition in Berlin vom zweiten Hilfspaket nicht zu sein.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Unions-Abgeordneten Klaus-Peter Willsch, er ist auch Mitglied im Haushaltsausschuss. Guten Tag, Herr Willsch.

    Klaus-Peter Willsch: Guten Tag, Herr Breker!

    Breker: Ist Griechenland nicht ein Fass ohne Boden?

    Willsch: Doch, das ist es. Deshalb werde ich auch wie schon beim ersten Griechenland-Paket auch jetzt nicht zustimmen, weil es keinen Sinn macht, dem schlechten Geld noch gutes hinterherzuwerfen.

    Breker: Sie gehen davon aus, das zweite Hilfspaket wird auch nicht reichen, es braucht ein drittes?

    Willsch: Ja die Ansage war ja schon recht deutlich und wenn man sich anschaut, wie jetzt, sagen wir mal, dass erreicht worden ist, dass man auf etwa 120 Prozent Neuverschuldung im Jahre 2020 kommt bei günstigen Annahmen über wirtschaftliche Entwicklung und, und, und, dann sind wir dann bei 120, was doppelt so viel ist, wie nach Maastricht-Vertrag zulässig ist, und das wird dann eben auch noch nicht gehen.

    Breker: Herr Willsch, Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte eine neue Idee: Er findet, man solle doch Anreize für Griechenland schaffen, um aus der Euro-Zone auszutreten. Wären die 130 Milliarden, die jetzt im zweiten Hilfspaket in etwa zusammengeschustert werden, wären die so vielleicht nicht besser angewandt?

    Willsch: Ich glaube, dass man nicht mal so viel bräuchte dafür. Auf jeden Fall wäre es klüger, den Griechen auf dem Weg aus dem Euro zu helfen, denn diese Währung ist für Griechenland angesichts seiner Wettbewerbsfähigkeit zu stark. Sie können damit keine Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Sie brauchen die Möglichkeit, per Abwertung, per externer Abwertung, also Währungsabwertung, eine Wettbewerbsfähigkeit und damit eine Grundlage für eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung zu beginnen, und der Weg wird noch schwer genug werden. Aber das, was jetzt weiterverfolgt wird mit dem Paket Griechenland II, führt dazu, dass Griechenland auf Dauer alimentiert wird von der Euro-Gruppe, und das ist genau die Schuldenunion, die wir nicht haben wollten.

    Breker: Ein Argument, Herr Willsch, wurde ja immer wieder genannt, nämlich der Zeitgewinn. Das war schon beim ersten Griechenland-Hilfspaket so. Man wolle Zeit gewinnen. Nun beim Zweiten ist es auch wieder ein Zeitgewinn. Aber wozu dient diese Zeit, Griechenland wirklich zu helfen, oder ist es nicht vielmehr so, dass wir da eine Brandmauer für unsere eigenen Banken schaffen?

    Willsch: Wir haben ja bei uns in der nationalen Gesetzgebung durch Reaktivierung des Soffin, dieses Bankenrettungsinstrumentes, auf jeden Fall die Möglichkeit geschaffen, wenn Banken in Bedrängnis kommen sollten, was im Falle Griechenlands nicht der Fall wäre, was aber vielleicht wegen Ausstrahlung auf andere Länder dann in Betracht käme, die notwendigen Maßnahmen ergreifen zu können. Das müssen im Zweifelsfalle andere Länder auch machen. Aber nach 20 Monaten mir anzuhören, man müsse jetzt noch mal weiter Zeit kaufen, kann ich eigentlich nicht akzeptieren. Es wird seit 20 Monaten darüber diskutiert und spekuliert und in der Fachwelt ist es eine ausgemachte Sache, dass die Insolvenz Griechenlands nur noch wirklich offenbar wird und nicht weiter verschleppt wird, und man hatte diese Zeit, um sich darauf vorzubereiten, das ist ausreichend.

    Breker: Hat man die Zeit auch nutzen können, um den Dominoeffekt, dass nach Griechenland dann Spanien, vielleicht Portugal, am Ende möglicherweise auch Italien dran kommen und in Probleme geraten, ist das denn jetzt verhindert worden? War man da erfolgreich tätig?

    Willsch: Man hat, sagen wir mal, Irland und Portugal vollständig aus der Marktfinanzierung rausgenommen und sie unter den Rettungsschirm gestellt. Das ist ja das gleiche Modell, mit dem auch bei Griechenland vorgegangen wurde. Italien ist geholfen worden durch Aktionen der Europäischen Zentralbank, die mit ihrem geldpolitischen Auftrag eigentlich nichts zu tun haben. Es ist aber auf jeden Fall treffsicherer, statt diesen Weg weiter zu verfolgen, Länder vollständig aus der Marktfinanzierung herauszunehmen, eventuelle negative Auswirkungen auf systemwichtige Banken abzufedern und notfalls eben auch durch Rekapitalisierung oder Ähnliches zu vermeiden helfen, weil man dann die Länder nach wie vor der Mühe aussetzt, sich am Markt selbst Geld zu besorgen, und da darf man den Zinsmechanismus nicht ausschalten. Dieses Heruntersubventionieren der Zinsen ist der falsche Weg, denn das einzige Mittel gegen übermäßige Verschuldung sind hohe Zinsen.

    Breker: Herr Willsch, nun ist es ja so, dass wir noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sind. Die Stimmen mehren sich, die eine Aufstockung des Rettungsschirms fordern, und der Widerstand der Bundesregierung, von Finanzminister und Kanzlerin dagegen, der bröckelt.

    Willsch: Ja, das scheint mir auch so, aber auch das ist ja eine Bewegung, die wir in diesen letzten 20 Monaten leider beobachten mussten. Die Opposition, auf die ist da gar nicht zu setzen, die hat ja die ganze Zeit immer nur getrieben, wir würden zu wenig Geld geben und zu spät Geld geben. Also da wären wir schon längst bei Eurobonds und auch einer förmlichen Vergemeinschaftung der Schulden. Die Kanzlerin und der Finanzminister haben da schon ein bisschen gegengehalten. Aber unterm Strich ist natürlich festzuhalten: Wir kommen von 110 Milliarden Griechenland I über 750 Milliarden EFSF, dann noch mal aufgestockt, und jetzt zum ESM, der mit 500 Milliarden gestartet werden sollte und wo jetzt über 750 Milliarden oder auch eine Billion, einige rufen sogar zwei Billionen auf, geredet wird. Das Problem ist, dass ständig die ganze Zeit dieser falsche Weg weiterverfolgt wird, nämlich zu sagen, wir müssen so viel Geld auf die Straße bringen, dass wir Länder vollständig aus der Marktfinanzierung herausnehmen können. Dieser Weg ist falsch.

    Breker: Sie bleiben also dabei: Sie verweigern Ihrer Kanzlerin die Gefolgschaft. Wie kommt das in Ihrem Wahlkreis an, Herr Willsch?

    Willsch: Außerhalb von Berlin trifft man kaum Menschen, die glauben, dass die Griechen ihre Schulden zurückzahlen könnten, und insofern erfahre ich viel Zuspruch und Zustimmung dafür. Auch hier gibt es ja nicht mehr viele, die das wirklich glauben, dass das zurückgezahlt werden könnte. Dann muss man es auch deutlich so benennen.

    Breker: Fällt Ihnen Ihre Oppositionshaltung leicht, weil Sie wissen, die Mehrheit ist ja ohnehin gesichert durch die Opposition?

    Willsch: Nein, leicht fällt mir die nicht, weil ich normal schon dem Grundsatz folge, dass man in der Fraktion diskutiert und dann, wenn man dort unterliegt, der Mehrheit der Fraktion sich unterordnet. Aber in diesem Falle nehme ich für mich in Anspruch, das nicht zu können. Erstens widerspricht es allem, was ich ökonomisch für richtig halte, was ich mal gelernt habe in meinem Studium. Zweitens ist es das Gegenteil von dem, was wir versprochen haben den Menschen, als wir den Euro einführten und dafür die D-Mark aufgaben. Und drittens ist das Risiko für unsere kommenden Generationen nicht tragbar. Das ganze Geld, was wir da ins Schaufenster stellen, haben wir nur geliehen von unseren Kindern und Enkeln.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung des CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch. Herr Willsch, ich danke Ihnen dafür.

    Willsch: Ja gerne, Herr Breker.


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