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Wie glücklich sind die Dänen?
Reise in ein zerrissenes Land

Terroranschläge, rechtsnationale Parteien gewinnen Stimmen dazu und Dänemark hat die Einreisebedingungen wieder verschärft: Auch in den Wohlfahrtsstaaten ist nicht alles eitel Sonnenschein. Dennoch stehen Staaten wie Norwegen und Dänemark an der Spitze des Glücks-Reports. Und das hat seinen Grund.

Von Simonetta Dibbern | 24.03.2017
    Wohnhäuser und Turm auf den Dünen, Lokken, Kommune Hjorring, Nordjylland Nordjütland.
    Dänemark ist kein Sozial-, sondern ein Wohlfahrtsstaat. Die Bürger müssen erst einmal keine Leistungen erbringen, um versorgt zu werden. (imago stock&people)
    Den Schweinen geht es gut, sagt Mogen Høeg Hørning. In Gummistiefeln und Overall steht er im Stall und überprüft die Futteranlage. Zweieinhalb Tonnen Gerste, Weizen und Soja verfüttert er pro Tag an seine Tiere, damit sie das richtige Gewicht haben, wenn er sie zum Schlachthof bringt.
    "Wir sind sehr abhängig vom Markt. Im Moment ist es ganz gut, wir bekommen 10 Kronen pro Kilo. Damit können wir keine großen Sprünge machen, aber es reicht für die laufenden Kosten."
    Futter. Futteranlage. Landmaschinen für den Getreideanbau. Und Steuern. Wie bei allen Dänen geht etwa die Hälfte von Mogans Einkünften an den Staat. Doch er beklagt sich nicht.
    Ein Land, in dem die Bürger gerne Steuern zahlen
    "Natürlich. Ich bezahle meine Steuern. Dafür brauche ich nichts zu zahlen, beim Arzt oder im Krankenhaus, beim Zahnarzt nur die Hälfte. Auch nicht dafür, dass ich die Straßen benutze. Also ich finde, dass es uns gut geht im Wohlfahrtsstaat."
    Dänemark ist, so wie Norwegen und Schweden, kein Sozial-, sondern ein Wohlfahrtsstaat. Das bedeutet: Die Bürger müssen erst einmal keine Leistungen erbringen, um versorgt zu werden. Kostenlose Bildung, kostenlose medizinische Versorgung, Arbeitslosengeld, Rente. Dafür liegt der Steuersatz im Durchschnitt bei 50 Prozent. Interessant ist, dass neun von zehn Dänen gern Steuern zahlen, sagt Meik Wiking. Er leitet das Happiness Research Institut in Kopenhagen.
    "Es funktioniert nur wenn du Vertrauen in die Politiker hast. In einem korrupten System zahlst du 100 Euro an die Gemeinschaft, kriegst aber nur einen Gegenwert von 40 Euro zurück. Es geht also nicht nur um hohe Steuern, sondern auch um eine gute Regierung. Ein hohes Maß an Vertrauen, damit du dich sicher fühlen kannst, auch ein hohes Maß an Gleichberechtigung, überall in Skandinavien können Mädchen davon träumen, Premierminister zu werden, gleiche Chancen für alle, sexuelle Toleranz, eine ziemlich gut funktionierende Gesellschaft . Die nordischen Länder sind nicht perfekt, sie sind kein Utopia, es gibt auch Menschen, die unglücklich sind."
    "Ganz lange hat man es geschafft, diese Gleichheit und diese Wohlfahrtsgesellschaft so zu bauen, dass jeder seinen Platz drin gefunden hat. Oder zumindest sehr sehr viele."
    Der Schauspieler und Regisseur Jonas Littauer thematisiert in seinen Stücken die Risse, die durch die dänische Gesellschaft gehen.
    "Und wenn das wegbricht, dann ist für viele auch die Lebensphilosophie weg. Und deswegen schließt man die Augen davor, weil man einfach nicht sehen will, wie die eigene Schwester oder Tochter oder Bruder oder Freund gerade arbeitslos ist und sehr schlechte Voraussetzungen hat. Und das sorgt natürlich auch für sehr viele Konflikte, obwohl sie nicht so rausbrechen, und das ist natürlich auch etwas, was vielleicht noch so ne Rechtsströmung mit sich trägt. Also dass die dänische Volkspartei noch mehr Stimmen bekommen hat. Wie auch andere Parteien, mehr Protestparteien, die dann ans Licht gekommen sind."
    In Dänemark arbeitslos zu sein ist schwieriger, als in einem Land mit einer höheren Arbeitslosenquote
    Die dänische Gesellschaft funktioniert nach strengen Regeln, sagt Jonas Littauer, die soziale Kontrolle ist so eng wie in einem Dorf. Nur wer sich an diese Regeln hält, kann teilhaben am sprichwörtlichen Hygge-Hype, an dem Gefühl von Heimeligkeit und Gemütlichkeit, das im letzten Jahr zur dänischen Glücksformel avancierte. Doch wer sich dieser Kontrolle entziehen will oder auch, wer von außen kommt, als Flüchtling oder als Grönländer zum Beispiel - der hat wenig Chancen, am allgemeinen Glück teilzuhaben. Und es gibt auch immer mehr Dänen, die aus dem Paradies herausfallen, mit fatalen Folgen, meint der Glücksforscher Meik Wiking.
    "Das Schlimmste ist, seinen Job zu verlieren. Denn das bedeutet nicht nur weniger Einkommen: Wir verlieren auch unsere Identität. Unser soziales Netz. Wenn alle Freunde und Nachbarn auch arbeitslos sind, ist das für den einzelnen nicht so gravierend, dann liegt es an den ökonomischen Zwängen. Wenn du allerdings der Einzige bist, dann wächst das soziale Stigma und auch die Selbstmordrate - selbst wenn es sogar leichter wäre, einen neuen Job zu finden. Also soziale Vergleiche sind entscheidend für Wohlbefinden und Zufriedenheit. Daher sind wir auch überzeugt, dass es zum Beispiel hier in Dänemark in einer glücklichen Gesellschaft sehr viel schwieriger ist für die, die unglücklich sind."