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Wie klingt die Krise?

Überall protestieren Menschen gegen die Macht der Banken und gegen die knallharten Folgen der Euro- und Schuldenkrise. Kritische Künstler aus europäischen Krisenländern gehen jedoch ganz unterschiedlich mit ihrer Wut, Enttäuschung und Hoffnung auf Veränderung um.

Von Sebastian Bargon | 25.02.2012
    Subtilität ist nicht die Sache der griechischen Politband Stavento. In dem Song "Politikandides", die Politisierer, nimmt Frontmann Michaelis Kuinelis kein Blatt vor den Mund und spricht laut aus, was viele Griechen über die große Krise denken.

    Songtext:

    Schuld an den Miesen hat wohl die Krise
    mehr Schuld liegt im Westen, der gab uns den Diesel
    der Motor säuft ab und wir stehn starr auf der Wiese.
    News von der Krise, Finanzanalyse
    Wer ist verantwortlich für diese Miesen?
    Du und ich sind es sicherlich nicht!


    Während die junge griechische Band Stavento in ihren Texten die Wut ihrer Landsleute ungefiltert transportiert, knüpft die galizische Band "Berrogüetto" eher an die harmonischen Klänge der amerikanischen Folktradition an. Von Harmonie kann in ihrer krisengebeutelten Heimat Spanien indes keine Rede sein. Denn vielen Spaniern geht es mittlerweile genauso schlecht wie den Griechen. Der vor Jahren gewählte Bandname Berrogüetto - galizisch für "Schrei der Unterdrückten" - wirkt da fast schon prophetisch. Anxo Pintos spielt bei Berrogüetto Gaita, Drehleier und Flöte.

    "Wir sind sehr besorgt über das, was derzeit passiert. Denn vor unserer Nase wird überall in Europa der Sozialstaat abgebaut, also Errungenschaften, die sehr viel Zeit gebraucht haben, bis sie erreicht waren. Wir entwickeln uns immer mehr in Richtung des angelsächsischen Modells, bei dem die Gewinne der Firmen und Aktionäre wichtiger sind als das, was die Gesellschaft braucht und verlangt. Zum Beispiel stabile Arbeitsverhältnisse, die den Menschen erlauben zu arbeiten, um zu leben und nicht umgekehrt. Das versuchen sie uns mit der rigorosen Sparpolitik zu verkaufen."

    Songtext:

    Das Boot des Poeten
    navigiert durch die Welt
    Mit einem Schrei im Koffer
    Verse ohne Horizont
    Leben am Ende des Mysteriums
    Unperfekte Träume
    Bewohner der Hirngespinste
    Unperfekte Träume
    Unvollständige Leben
    Auf der Suche nach
    neuen Tagen
    Und vollendetem Leben


    Wegen hoher Jugendarbeitslosigkeit sowie drastischen Kürzungen im Erziehungs-, Gesundheits- und Sozialbereich ist die Situation in Spanien besorgniserregend. Die andalusische Weltmusikerin Amparo Sánchez unterstützt die spanische Jugendbewegung "Los Indignados", zu Deutsch: die Empörten. Die hatte am 15.Mai 2011 unter dem Motto "Echte Demokratie jetzt" in Madrid und Barcelona zentrale Plätze besetzt und weitreichende Veränderungen des herrschenden Systems gefordert. Es war der furiose Startschuss für Platzbesetzungen im ganzen Land.

    "Der Kapitalismus, die Globalisierung und der Neoliberalismus haben zu mehr Ungleichheit geführt und zu einschneidenden Kürzungen im Sozialbereich. Es gibt immer mehr arme Menschen und wenige Reiche, die immer mehr Geld besitzen. Aber der Reichtum wird nicht gerecht verteilt, es gibt weiterhin Hunger und Kriege. So kann es nicht weitergehen. Irgendwann muss das endlich einmal aufhören!"

    Anzufangen ist schwer,
    aber wir gehen Schritt für Schritt
    in eine Zukunft,
    die unsere Kinder feiern können.


    Auch der aus Mailand stammende Cantautore/Liedermacher Fabrizio Consoli macht sich wegen der Krise und ihren Folgen große Sorgen.

    "Ehrlich gesagt: Ich fürchte, dass das Schlimmste erst noch kommt. Ich frage mich, wie lange die Menschen all das ertragen können, ohne vor Wut zu explodieren?"

    Fabrizio Consoli sieht sich als Poet. Insofern lehnt er es ab in seinen Liedern platte Aufrufe zu Widerstand und Auflehnung zu formulieren. In seinem Song "Sugar" heißt es: Selig ist derjenige, der weiß, dass er auf einem Vulkan lebt und es trotzdem schafft, dem Rand des Abgrunds ein Lächeln zu schenken.

    "Ich glaube, dass wir uns auf etwas Neues einstellen und andere Werte schaffen müssen als bisher. Das könnte auch eine neue Chance eröffnen. Unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen, scheint mir der einzige Ausweg. Dazu gehört zum Beispiel eine neue Art miteinander Geschäfte zu machen und zwar auf faire Art und Weise. Wenn das nicht funktioniert, hat die neue Generation keine Chance."

    Die Lieder von Fabrizio Consoli , Amparo Sánchez und Berroguetto mögen die Welt zwar nur langsam verändern, aber die Bewegung der Empörten hat ihren Soundtrack gefunden. Besonders Stavento hat mit engagierten, aufmüpfigen Texten derzeit großen Erfolg in Griechenland. Die Band ist nicht nur wütend, sondern auch sehr konkret in ihrer Kritik. So wurde die staatliche Stromgesellschaft im Herbst 2011 dazu verdonnert, die hohen Sondersteuern rückwirkend über die Stromrechnung einzuziehen, was viele Griechen an den Rand des Ruins treibt.

    Songtext:

    Warum soll ich die Rechnung jetzt zahlen, wenn Du mit den anderen
    Klugscheißern das Geld verschwendet hast? Jetzt sagst Du: Sozialschein! Wer hat denn behauptet, dass wir Rabattmarken wollen,
    und ein Tischlein-Deck-Dich und Arbeitslosenvergünstigung
    Behalt sie doch alle und stell Dich auch an. Mal sehn, wie lang Du in der Schlange stehst.
    Verpisst Euch, vre oust, Ihr Hunde haut ab!