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"Wie Schumacher. Nur nett."

Nach der Lektüre von "Pole Position" kennt man den Protagonist Sebastian Vettel nicht hautnah. Die Biographie ist dennoch ein nüchterner und unterhaltsamer Rückblick auf die großen Momente der Formel 1.

Von Jonas Reese | 03.11.2012
    "Wie Schumacher. Nur nett." So charakterisierte die britische Zeitung "The Times" einmal Sebastian Vettel. Und daraus wird schon deutlich, dass auch die erste Biographie über ihn nicht an diesem Vergleich vorbeikommt.

    Sebastian Vettels Laufbahn beginnt in der Provinz. Einmal nimmt ihn sein Vater mit an den Hockenheimring. Es wird ein ernüchterndes Erlebnis. Es regnet. Die Naturbühne, auf der die beiden stehen, ist matschig. Gelegentlich taucht ein Auto aus der Gischt auf, schießt blitzschnell vorbei und verschwindet wieder mit heulendem Motor. Es ist bloß Training. Und es hat wenig von Glanz und Glamour. Es einmal so weit bringen zu können, in diesem Kreis mitzumischen, ist damals noch kein Thema. Sebastian Vettel startet seine Reise ohne Ziel. Bei Michael Schumacher war das ähnlich.

    Die Herkunft aus einfachen Verhältnissen, die frühen Kart-Erfolge, die hingebungsvolle fast der Selbstaufgabe gleichende, elterliche Unterstützung, das sind die äußeren Parallelen zwischen Schumacher und Vettel. Charakterlich verbindet sie vor allem der Perfektionismus, schreibt René Hofmann.

    Und doch: Bei allen Gemeinsamkeiten, sind es gerade die Unterschiede, die ein Gefühl für die Person Vettel entstehen lassen . Und da nähert sich Buchautor Hofmann, im Hauptberuf stellvertretender Ressortleiter Sport bei der Süddeutschen Zeitung, der eingangs zitierten Bewertung der britischen "Times".

    "Michael Schumacher war so fokussiert, dass es mitunter verbissen wirkte, und genau das hat man bei dem Sebastian Vettel eigentlich nie beobachten können. Der ist auch ehrgeizig und fokussiert, aber der schafft es das Ganze mit so einem Spitzbubenscharm zu kaschieren, zu bemänteln, dass es eigentlich nicht auffällt. Und das führt dann auch dazu, dass er so ein bisschen als everybodies darling rüberkommt, dass ihm auch auf der Rennstrecke nicht wirklich eine Feindschaft erwachsen ist."

    Und so lässt Hofmann die Ereignisse für sich sprechen und über Vettel sprechen. Zum Beispiel Suzuka 2011. Saisonfinale. Vettel liegt kurz vor Schluss auf Platz drei hinter seinem direkten Konkurrenten Fernando Alonso im Ferrari. Sein Vorsprung im WM-Klassement ist so groß, dass er noch zig Autos vorbeilassen könnte und trotzdem seinen Weltmeister-Titel verteidigen würde.

    "Sieben Runden lang bleibt Sebastian Vettel unerbittlich. Sieben Runden lang sitzt er Alsonso im Nacken. Wie entschlossen Sebastian Vettel ist, ihm den Platz abzujagen, der für seine Titelambitionen alles andere als entscheidend ist, ist zu sehen, als die beiden in Runde 45 auf den überrundeten Jerome D’Ambrosio auflaufen. Der Belgier, der ein unterlegenes Auto des Teams Marussia-Virgin bewegt, bekommt von den Streckenposten zwar blaue Flaggen gezeigt, aber als Sebastian Vettel auf ihn trifft, dauert es einen Moment, bis D’Ambrosio reagiert. Sebastian Vettel entbietet daraufhin einen eindeutigen Gruß: die zur Faust geballte linke Hand."

    Die bloße Aufreihung von verschiedenen Momenten in Vettels Karriere schafft Stück für Stück einen zweiten Blick auf den jüngsten Formel-Eins-Weltmeister aller Zeiten. Einen Blick der etwas hinter dem glatten "everybodies darling" vermuten lässt. Einen Blick auf einen Ausnahmekönner, der auch ein Produkt der riesigen Nachwuchs-Maschinerie ist, die im Zuge der Erfolgswelle Michael Schumachers entstanden ist.

    BMW, Red Bull. Vettels Karriere ist eng mit diesen Firmen verwoben - ohne sie vielleicht gar nicht denkbar. Auch diesen Zusammenhang knüpft die Biographie konsequenterweise und erzählt in zahlreichen Episoden über den eigentlichen Kampf in der Formel 1. Den Kampf abseits der Strecke: um Geld und Aufmerksamkeit für die Sponsoren. Ein Spiel, in dem sich die österreichische Getränkefirma besonders gut auskennt und weshalb sie für ihr Engagement im Sport kritisch zu hinterfragen ist.

    Auch das macht Hofmann in seinem Buch, auch wenn er mittlerweile keinen großen Unterschied mehr zu den anderen großen Geldgebern in der Formel 1 sieht.

    "Am Anfang war dieses Auftreten von Red Bull schon sehr anmaßend. Man hat Parties gefeiert, man hat schöne Frauen durchs Fahrerlager auf und abmaschieren lassen. Man hat eigentlich mit dem Geld relativ protzig um sich geworfen, einfach um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und inzwischen muss man sagen, ist Red Bull vom Auftreten, von der Anmutung von der Herangehensweise ein ganz normales Formel-1-Team geworden. Eines ist klar, jeder der sich in der Formel eins tummelt, als Team, hat etwas zu verkaufen."

    "Pole Position" ist keine hautnahe Biographie, nach deren Verzehr man glaubt den Protagonisten viel besser zu kennen. Es ist aber ein nüchterner, unterhaltsamer Rückblick auf die großen Momente der Formel 1 und ein gewinnbringender Einblick in die Reize und Regeln des hochkomplexen Sports.

    Noch scheint sich Sebastian Vettel nahezu mühelos darin zu bewegen. Auch ein Grund warum der Biographie die dunklen Kapitel, die Krisen und Abgründe fehlen, nach denen ein Beobachter nunmal lechzt. Es ist ein Buch über Sebastian Vettel und nicht mit ihm. Es lebt von den Beobachtungen Dritter. Und da stammt die vielsagendste von Peter Sauber, dem Gründer des gleichnamigen Rennstalls.

    "Sebastian Vettel hat eine Leichtigkeit, mit der er alles macht, es wirkt so als würde er tanzen. Und ich finde dieses Bild bisher das treffendste Bild bislang, für den beruflichen Werdegang von Sebastian Vettel."