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Wie sich Griechenland finanziert
An den Statuten vorbei

Ob Griechenland mit den 900 Millionen Euro an Notkrediten, die die EZB gestern bewilligte, zeitweise für Normalität an den Geldautomaten sorgen kann, ist fraglich, meinen Experten. Zur Not soll der EFSM angezapft werden, ein Geldtopf, der eigentlich für Krisen der EU und nicht allein der Eurozone eingerichtet wurde – aber das wäre nicht die einzige Ausnahme, die man machen würde.

Von Michael Braun | 17.07.2015
    Es fügt sich. Auf dem Weg zum dritten Rettungspaket für Griechenland wurden weitere Hürden übersprungen, die Zustimmung im Berliner Bundestag und im Wiener Nationalrat etwa. Der Gouverneursrat des Rettungsfonds ESM teilte nach seiner Telefonkonferenz am Nachmittag mit, er werde Finanzhilfe leisten, sofern die Programmauflagen erfüllt würden.
    Zurzeit haben sich die Finanzminister der Eurogruppe zusammengeschaltet. Die griechischen Banken sollen am Montag wieder öffnen. Mehr als 60 Euro pro Tag werden Kunden aber nicht abheben dürfen. Ob die 900 Millionen Euro neuer Nothilfen, die die EZB gestern genehmigte, für diese schmale Normalisierung genügen, hält Stefan Mitropoulos von der Landesbank Hessen-Thüringen noch für fraglich:
    "Sollten die 900 Millionen mehr an Liquidität nicht ausreichen, dürfte die EZB entsprechend den Rahmen noch mal ausweiten."
    Vielleicht wartet die EZB damit, bis die 3,5 Milliarden Euro auslaufender griechischer Staatsanleihen in ihrem Besitz wirklich am Montag mit einer entsprechenden Zahlung aus Athen abgelöst werden. Gestern hatte sich EZB-Präsident Mario Draghi sicher gezeigt, das Geld zu bekommen. Diese Frage sei vom Tisch.
    "We will be repayed. That is off the table."
    Dafür sorgt das Geld aus der sogenannten Brückenfinanzierung. Das wird aus dem ersten europäischen Rettungsfonds genommen, dem Europäischen Finanzstabilisierungs-Mechanismus EFSM aus dem Jahr 2010. Da lagen noch 13,2 Milliarden Euro drin. Der EFSM soll zwar Krisen in der EU, nicht nur im Euroraum abdecken. Aber wo ein Wille, da ein Weg an den Statuten vorbei. Geldgeber für den EFSM, die der EU, aber nicht dem Euro angehören, Großbritannien etwa, wurden von Risiken aus der Brückenfinanzierung befreit. Dafür werden unter anderem Gewinne eingesetzt, die die EZB zum Beispiel mit griechischen Staatsanleihen gemacht hat: Wenn sie sie etwa mit Abschlägen von 20 Prozent, also zum Kurs von 80 gekauft hat, nun aber mit 100 Prozent zurückbezahlt bekommt.
    Die Gelder für das dritte Hilfspaket stellt vor allem der Rettungsfonds ESM. Dessen Chef, Klaus Regling, rechnet damit, von den geplanten 85 Milliarden Euro nur 50 Milliarden beisteuern zu müssen. Er sagte im ARD-Morgenmagazin:
    "Denn an dem Rettungspaket beteiligt ist auch der Internationale Währungsfonds. Es werden Privatisierungserlöse auch Teil dieses Pakets sein. Und ich erwarte auch, dass in diesem Drei-Jahres-Zeitraum – dieses dritte Paket soll ja über drei Jahre laufen – dass im Rahmen dieser drei Jahre auch Zugang zu den Märkten wieder gelingt für Griechenland, wenn die Reformen umgesetzt werden."
    Das hatte im vorigen Jahr auch geklappt, als Folge des zweiten Rettungspakets. Doch nach dem Antritt der Regierung Tsipras war die Bereitschaft, Geld an Athen zu verleihen bei privaten Investoren erloschen. Dass ein drittes Hilfspaket auch politische Stabilität brauche, habe Spanien mit Erfolg gezeigt, meint Helaba-Volkswirt Mitropoulos, aber die fehle in Athen:
    "Zunächst mal haben wir ja gar keine stabile Regierung mehr in Griechenland. Die Regierungskoalition hat keine eigene Mehrheit mehr. Es wird auch schon über Neuwahlen gegebenenfalls im Herbst gesprochen."
    Das schaffe weitere Unsicherheit in Griechenland.