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Wieder ein offenes Land werden

Dänemark hat eine neue Regierung: Das Mitte-Links-Bündnis hat die Parlamentswahl für sich entschieden, Helle Thorning-Schmidt wird voraussichtlich neue Ministerpräsidentin. Einen radikalen Politikwechsel wird dieses Ergebnis nicht mit sich bringen, aber ein paar Neuerungen der bisherigen Regierung werden die Sozialdemokraten wohl rückgängig machen, wie die auf Druck der Rechtspopulisten eingeführten Grenzkontrollen.

Von Marc-Christoph Wagner | 16.09.2011
    Erst nach Mitternacht stand es fest: Helle Thorning-Schmidt hatte es geschafft und wird erste Ministerpräsidentin Dänemarks.

    "Heute ist der Tag des Wandels in Dänemark.

    Die Sozialdemokraten stellen sich dieser Verantwortung.

    Heute Abend haben wir Sozialdemokraten gezeigt, dass wir nach wie vor eine große und tragende Kraft in Dänemark sind."

    Verloren und doch gewonnen. Die Sozialdemokraten erzielen mit weniger als 25 Prozent das schlechteste Ergebnis der letzten 100 Jahre, aber erobern die Regierungsmacht nach zehn Jahren in der Opposition zurück. Dennoch liegt ein schwieriger Weg vor Helle Thorning-Schmidt, denn die Parteien, die ihr die Mehrheit sichern, sind in vielen Fragen tief zerstritten. Wohl auch deshalb wirbt die nun erste Regierungschefin Dänemarks für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit im Parlament.

    "Ich sage den Menschen in diesem Land ganz deutlich: Die Mehrheit, die ich anführe, ist eine Mehrheit für ganz Dänemark. Vorbei sind die Zeiten, in denen die eine Hälfte von uns fühlt, sie sei vergessen worden. Bei uns werden alle das Gefühl haben, dass wir ihnen zuhören. Und das bedeutet auch, dass wir uns verpflichten, mit der Opposition zusammenzuarbeiten."

    Gewonnen und doch verloren. Die rechtsliberale Partei von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen wird überraschend stärkste Kraft, kehrt nach zehn Jahren an der Macht aber zurück in die Opposition, weil der konservative Regierungspartner zu starke Einbußen erleidet. Rasmussen aber will die Führung der Opposition übernehmen und gibt sich kampfeslustig:

    "Es ist ein gutes Dänemark, das wir hinterlassen. Ich übergebe die Schlüssel für den Regierungssitz, aber Helle, pass gut auf sie auf, sie sind nur geliehen."

    Noch immer drittstärkste politische Kraft, aber fortan wohl isoliert ist die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die im Wahlkampf weder mit Stimmungsmache gegen Ausländer oder Europa punkten konnte, obwohl sie gerade in den letzten Tagen einmal mehr gegen Brüssel polterte:

    "Die EU-Kommission wird jetzt vorschlagen, dass sie bei den Grenzkontrollen das letzte Wort hat - und sie weiß, dass diese Entscheidung bei uns Dänen nicht populär ist - ein so tiefer Eingriff in unsere Selbstständigkeit und Souveränität. Und natürlich ist es kühle Kalkulation, dass man die Bekanntgabe einer solchen Entscheidung verschiebt auf den Tag nach der Wahl in Dänemark."

    Neue Zeiten also brechen an in Dänemark, wenn man von einer massiven Wechselstimmung bei einer so knappen Mehrheit für die neue Regierung wohl nicht sprechen kann. Und dennoch scheinen viele Dänen froh, dass ihr Land nun ein neues Gesicht trägt - vor allem, was die Wahrnehmung von außen und insbesondere seitens der europäischen Nachbarn betrifft:

    "Wir müssen der Welt ein neues Bild von uns vermitteln. Unsere Ausländerpolitik hat uns ein schlechtes Image verschafft. Da gibt es viel zu tun."

    "Anstatt uns abzugrenzen, müssen wir wieder ein offenes Land werden - wie wir es einst waren. Das ist überfällig."