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Wieder freie Fahrt für CO2-Schleudern

Beim Umweltschutz ist Kalifornien meist weiter als die meisten anderen Bundesstaaten der USA. So hat es seit zwei Jahren ein Gesetz, dass den Schadstoffausstoß vom Autos begrenzt. Dagegen lief die Benzinbranche Sturm - mit Erfolg: Ein Gericht hat das Gesetz außer Kraft gesetzt.

Von Heike Wipperfürth | 05.01.2012
    Kalifornien gilt als Vorbild in der US-Umweltpolitik. Erst vor zwei Jahren hat die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt den Low-Carbon-Fuel-Standard eingeführt, der den CO2-Ausstoß von Kraftstoffen bis 2020 um zehn Prozent senken soll. Doch die Ölbranche und Ethanolhersteller aus anderen US-Bundesstaaten haben eine Klage wegen Benachteiligung eingereicht - und waren hocherfreut, als sich ein kalifornisches Gericht in der vergangenen Woche auf ihre Seite stellte und entschied, das Gesetz außer Kraft zu setzen.

    Weil die Berechnung des CO2-Ausstoßes der Kraftstoffe auch die Transportkosten beinhalte, hätten Firmen in Kalifornien einen Heimvorteil gegenüber der Konkurrenz aus anderen Bundesstaaten, begründete der Richter seine Entscheidung. Damit verstoße Kalifornien gegen die Commerce Clause, eine Klausel, die es US-Bundesstaaten nicht gestatte, zwischen Unternehmen innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen zu diskriminieren. Um die Erderwärmung zu bekämpfen, müsse Kalifornien andere Wege finden. Die US-Verfassung will das so, sagt auch Joseph Vadapalas, ein Energieexperte in New York - und Kritiker der Low-Carbon-Fuel-Richtlinien:

    "Hier ist der Grund für die Gerichtsentscheidung. Die Regeln in Kalifornien beeinflussen das Verhalten von Energiefirmen in anderen Bundesstaaten. Es ist so schlimm, dass es am besten für sie wäre, wenn sie beispielsweise aus Nebraska nach Kalifornien ziehen würden, um die Beförderungskosten in einen anderen Bundesstaat zu sparen."

    Jetzt hat Kalifornien nur ein Ziel: Eine Berufung einzulegen. Und das Gesetz so schnell wie möglich wieder in Kraft treten zu lassen. Bis es soweit ist, brauchen Treibstofflieferanten den Anteil an weniger CO2-intensivem Biosprit nicht zu erhöhen - und keine CO2-Guthaben von anderen Unternehmen zu kaufen. Eine Situation, die ihnen gut gefällt.

    Während die Gegner des Gesetzes ihren Sieg feiern, warnen Befürworter vor dem Verlust der Führungsrolle, die Kalifornien seit der Einführung des Clean Air Acts, der Luftschadstoffe reguliert, übernommen hat. Seitdem konnte es höhere Richtlinien festlegen, als national gefragt waren. Diese Rolle weiter zu spielen ist gerade jetzt sehr gefragt, sagt Edward Lloyd, Juraprofessor an der Columbia University.

    "Das wird Folgen nach sich ziehen. Kalifornien war beim Umweltschutz immer Vorreiter. Wenn bundesweite Gesetze Kalifornien diese Rolle nicht mehr erlauben, dann können andere US-Bundesstaaten nicht nachziehen, um ähnliche Regeln einzuführen."
    Selbst Kalifornien fällt der Umweltschutz immer schwerer. Eine öffentliche Abstimmung sollte Teile der Low-Carbon-Fuel-Richtlinien schon vor der Gerichtsentscheidung außer Kraft setzen, bis sich die Arbeitslosenquote in Kalifornien halbiert hat - wurde aber von den Wählern abgelehnt. Aus gutem Grund. Das Gesetz werde überfällige Innovationen anschieben, von denen auch die Verlierer profitieren könnten - wenn sie nur wollen. Davon ist Edward Lloyd fest überzeugt:

    "Natürlich hat das Auswirkungen auf Ethanolfirmen, die viel Kraftstoff verbrauchen. Aber viele dieser Firmen schaffen es ja auch, ihre CO2-Emissionen zu verringern. Das öffnet einen Markt für grünen Sprit und diese Firmen könnten davon profitieren."

    Vor allem in Kalifornien, dem einzigen Ort Amerikas, der sich noch wirklich für den Umweltschutz einzusetzen scheint. Der Low-Carbon-Fuel-Standard ist nur eine von mehreren Regeln Kaliforniens, die auf Umweltschutz und Energieeinsparung pochen. Doch der Gerichtsentscheid konfrontiert Umweltschützer mit der unangenehmen Frage, was passiert, wenn die Spitzenposition Kaliforniens einfach übergangen wird.