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Wiederaufbau von Palmyra
"Den Willen der Menschen in Syrien hören"

Die syrische Armee hat die Oasenstadt mit dem Weltkulturerbe nach eigener Darstellung vom IS zurückerobert. Markus Hilgert vom Vorderasiatischen Museum Berlin sagte im DLF, nun müsse man das Ausmaß der Zerstörung ermitteln. Mit Hilfe von Drohnen könne man ein 3-D-Modell von Palmyra erstellen. Für den Wiederbau müsse man auf die Menschen hören, "die mit dem Kulturerbe gelitten" hätten, die Syrer.

Markus Hilgert im Gespräch mit Michael Köhler | 27.03.2016
    Das antike Weltkulturerbe von Palmyra am 26. März 2016
    Das antike Weltkulturerbe von Palmyra am 26. März 2016 (picture alliance / dpa / Valery Sharifulin)
    Michael Köhler: Anfang letzten Jahres, da haben wir hier über die Zerstörung des Weltkulturerbes in Mossul, Ninive und Nimrud gesprochen. Im August sprachen wir über den zerstörten Baal-Schamin-Tempel in Palmyra. Grabtürme und Triumphbogen, sie waren vom IS gesprengt worden, die multikulturellen Spuren der altorientalischen Kultur ausgelöscht. Jetzt - knapp ein Jahr später - haben Regimetruppen die islamistischen Fanatiker aus dem UNESCO-Weltkulturerbe vertrieben. Zurück bleiben Ruinen. Die Rückeroberungsgefechte waren - militärisch - erfolgreich. Ich habe darüber mit dem Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin gesprochen, Markus Hilgert, und ihn zuerst gefragt: Was sind aus Sicht des Archäologen nun die ersten wichtigen Schritte?
    Markus Hilgert: Die Altertumswissenschaft wird vor allen Dingen danach trachten, einen genauen Überblick über die tatsächlich entstandenen Schäden zu bekommen, denn es ist ja so, dass wir aufgrund der politischen Situation in den letzten Monaten keinen Zugang hatten zur Ruinenstätte, auch keine verlässliche Information. Und insofern wird es jetzt zunächst einmal wichtig sein, unabhängig von dem, was medial inszeniert worden ist, vor Ort zu recherchieren, was tatsächlich zerstört worden ist, wie umfangreich die Zerstörung ist, auch wie umfangreich die Zerstörung an den beiden Tempeln, am Triumphbogen, an den Gräbern ist.
    Und dann muss man sicher sehr genau im Detail schauen, was vielleicht auch noch unter der Erde an Raubgrabungen stattgefunden hat. Es gab ja immer wieder Hinweise darauf, dass Grabskulpturen aus Palmyra in den illegalen Handel mit Kulturgütern gekommen sind. Das heißt, es deutet darauf hin, dass der Schaden möglicherweise sehr viel ausgedehnter ist, als wir das auf den ersten Blick vermuten mögen.
    "Mit der UNESCO einen Plan erarbeiten"
    Köhler: Wir hatten ja zum Teil nur zweifelhafte Filmchen auf YouTube und da wussten wir nicht, handelt es sich um Reproduktionen, worum geht es da. Die UNESCO will die Kriegsschäden untersuchen. Sie haben selber gerade davon gesprochen, freien Zugang zu bekommen, ist jetzt erst mal wichtig. Was wissen Sie über deren Vorgehen, die nächsten Schritte? Werden Sie dabei sein?
    Hilgert: In den nächsten Tagen wird es wohl vor allen Dingen darum gehen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die in Syrien verantwortlich sind für die Ruinenstätten, aber auch die Museen, sich ein Bild von der Lage in Palmyra machen. Das werden sie tatsächlich auch tun schon in den nächsten Stunden. Und dann wird es sicher darum gehen, gemeinsam mit diesen Kolleginnen und Kollegen, aber auch sicher mit der Unterstützung der UNESCO einen großen Plan zu erarbeiten, wie in Palmyra geholfen werden kann. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass das, was an kultureller Katastrophe zu beobachten ist, ja nur ein Teil der humanitären Katastrophe ist. Es sind auch in den letzten Stunden viele Menschen gestorben, um Palmyra zu befreien.
    Die Bevölkerung ist vermutlich traumatisiert aufgrund dessen, was in den letzten Monaten dort geschehen ist. Das heißt, es wird jetzt vor allen Dingen darum gehen zu überlegen, wie man langfristig helfen kann, wie man die Städte auch nach Möglichkeit schützen kann und wie Palmyra als Weltkulturerbe der UNESCO dann auch wieder für die Menschen in Syrien zugänglich gemacht werden kann und möglicherweise dann eines Tages auch als touristische Stätte wieder genutzt werden kann. Und ich hoffe sehr, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Vorderasiatische Museum mit den Ressourcen, den Kapazitäten, aber auch mit dem Wissen, das wir haben, einen kleinen Teil dazu beitragen können, dass das geschieht.
    "Systematische 3D-Vermessung der Ruinenstätte"
    Köhler: Ich greife drei Dinge auf, die Sie gerade genannt haben. Sie haben Recht: Wir erinnern uns, dass auch der 81jährige Chefarchäologe Khaled Assad hingerichtet wurde vor einiger Zeit. Sie sprachen von langfristig und zugänglich. Lassen Sie uns mal über den Tag hinaus vielleicht einen Wunsch äußern. Was könnte am Ende stehen, buchstäblich ein Wiederaufbau?
    Hilgert: Ich denke, es ist wichtig, dass zunächst einmal der Wille der Menschen in Syrien gehört wird, auch der Verantwortlichen für die Altertümer. Ich glaube, diese Menschen, die mit dem Kulturerbe gelitten haben, haben jetzt auch das erste Recht zu sagen, was damit geschehen soll. Maamoun Abdelkarim, der Chef der syrischen Antikenverwaltung, hat sich ja gestern dazu geäußert. Ich glaube schon, dass man darüber nachdenken wird, inwieweit man die großen zerstörten Bauwerke in verantwortungsvoller Weise wiederaufbauen kann. Ich glaube, dass das jenseits möglicher wissenschaftlicher Kritik an einem solchen Vorgehen aber dringend geboten ist, um die soziale, um die, wenn Sie so wollen, historische Bedeutung auch der Ruinenstätte zu berücksichtigen. Und darüber hinaus muss man, glaube ich, verschiedenes tun.
    Es geht zum einen sicher darum, noch mal erst einen guten Überblick zu erhalten über das, was da zerstört worden ist. Das wird man durch Vorortbegehungen machen, das wird man aber vielleicht auch durch ein 3D-Modell machen können, das durch einen Drohnenflug entsteht, also eine systematische 3D-Vermessung der Ruinenstätte, die dann auch sehr genau Auskunft geben kann über entstandene Schäden. Und längerfristig wird man sich sicher darüber Gedanken machen müssen, wie man die Infrastruktur des Ortes wieder so erschließt, dass sie auch von Touristen genutzt werden kann, denn wir sollten nicht vergessen, dass eine solche Ruinenstätte auch eine touristische Bedeutung hat für die Menschen, die dort leben.
    Köhler: Der IS ist aus dem Weltkulturerbe, dem syrischen Palmyra vertrieben worden - Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin, war das zu den ersten nun erforderlichen Schritten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.