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Wiederbelebung

"Hyperlocal news" heißt ein neuer journalistischer Schlachtruf in den Vereinigten Staaten. Dabei gilt: je lokaler, desto besser. Unter anderem berichten Webblogs aus einzelnen Stadtbezirken. Auch in Deutschland kommt der Trend des "Journalismus aus der Nachbarschaft" langsam an.

David Groeßmann | 08.01.2011
    "tanzapartment.de. Ja, das wär ..." - "Das machst du als Kulturtipp?"- "Das würde ich jetzt als Kulturtipp machen, bzw. mal anfragen, ob ich da vorbei kommen kann, ob man sich die Ausstellung mal anschauen kann."

    Ein kleiner Raum, ein großer Tisch, darauf verteilt Zeitungen und Computermonitore. Philipp Schwörbel geht mit Redakteurin Brigitte Preissler neue Ideen für die Website durch. Seit gut einem Monat sind die "Prenzlauer Berg Nachrichten" im Netz. Die Macher wollen maßgeschneiderte Informationen für den Berliner Stadtteil liefern. Schwörbel stieß in den USA auf den hyperlokalen Trend.

    "Dann ist mir aufgefallen, dass es in Berlin, anders als in anderen Städten, diesen klassischen Journalismus auf Bezirksebene gar nicht mehr so gibt. Und das fand ich schade. Denn ich glaube, dass Menschen miteinander reden müssen, um den richtigen guten Weg in die Zukunft zu finden. Das ist für einen Bezirk wie Prenzlauerberg von ganz besonderer Bedeutung, weil es hier viele Zugezogene gibt. Und die Debatten, die schon lange geführt werden über Gentrifizierung und über die Zugezogenen zeigt ja, dass die meisten aneinander vorbei sprechen. Ich habe diese beiden Stränge, dieses Miteinandersprechensollen und die Frage, wie Journalismus in Zukunft aussehen kann, zusammengetan und entdeckt, dass es eben eine Lücke gibt in der lokalen Berichterstattung, in der kommunalen Berichterstattung."

    Die Webseite der "Prenzlauer Berg Nachrichten" wirkt wie die einer klassischen Zeitung. Die Artikel sind journalistisch gearbeitet: Man findet ein Porträt über eine Comiczeichnerin, Debatten über den Umbau einer Szenestraße oder einen kritischer Artikel über das Ende eines Kindersportprojekts. Daneben gibt es Kurznachrichten und Kulturtipps. Und das alles hyperlokal.

    Klassischen Bürgerjournalismus wolle man allerdings nicht betreiben, auch wenn schon mal ein Leserbrief als Artikel auf die Seite gestellt werde.

    "Wir sind eine Mischung. Wir haben einen Kern aus Redakteuren, die Journalisten sind und darum soll sich ein Autorenblog, ein Multi-Autorenblog gliedern. Diese Autoren können auch Experten sein, können auch Bürger sein. Können aber auch Journalisten sein. Das eine ist nicht besser als das andere. Es ergänzt sich. Es braucht da die Kombination. Zwischen der Blogosphäre und der journalistischen Sphäre."

    Die Finanzierung soll in Zukunft über Anzeigen stattfinden. Der Diplomwirt Schwörbel ist optimistisch, dass lokale Geschäfte die neue Plattform nutzen werden.

    Andere hyperlokale Projekte in Deutschland zeigen, dass es funktionieren kann. Zum Beispiel Jenapolis. Dort setzt man auf kommunale Nachrichten aus Jena. Und das sehr erfolgreich. Oder der Heddesheim-Blog, der für vier Gemeinden und Städte rund um Mannheim berichtet.

    Während Einzelkämpfer im Netz das Lokale mit Leidenschaft und Kritik wiederbeleben, dünnen Zeitungen ihre Lokalberichterstattung aus. Redaktionen wurden zusammengekürzt oder geschlossen. Das hatte auch Auswirkungen auf die Qualität.

    Hyperlokal-Blogger Hardy Prothmann vom Heddesheimblog spricht gar von "Bratwurstjournalismus". Lokale Redaktionen verköstigten ihre Lesen zu oft mit Billigware.

    Hans Joachim Fuhrmann vom Bundesverband deutscher Zeitungsverleger:

    "Das ist natürlich etwas überzogen, eine solche Kritik. Aber Tatsache ist natürlich, dass nichts, das weiß jeder Verlag, dass nichts so gut ist, als dass man es nicht noch besser machen könnte. Durch das Internet gibt es viele neue Anbieter gerade auch im lokalen Raum, Blogger, engagierte junge Leute, die Nachrichten-Sites machen. Und wenn ich gut bin und wenn ich gute Informationen habe, wenn ich ein journalistisches Geschick habe, wenn ich Menschen begeistern kann, dann kann ich sie auf meine Seite ziehen. Und damit müssen wir uns auseinandersetzen."

    Manche Verlage hätten schon hyperlokale Projekte initiiert, sagt Fuhrmann. Sie arbeiteten wie die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine in Kassel mit Regio-Wikis, ließen Bürger ihre Stadtgeschichten erzählen, starteten Kooperationen mit Vereinen. Das sei ein mühevoller Prozess und koste erst einmal auch Geld. Wobei hyperlokaler Journalismus gleichzeitig ungenutzte lokale Anzeigenmärkte erschließen helfe.

    "Wenn ich in der Redaktion mit meinen Einsparmaßnahmen soweit gehe, und das gilt vor allem für den Lokaljournalismus, dass meine Qualität nicht nur nicht besser wird sondern vielleicht sogar abnimmt, dann kann ich dieses Spiel, dass jetzt gespielt wird in einer neuen digitalen Medienkultur nicht mehr gewinnen. Die Verlage müssen in guten Journalismus investieren. Wer diesen Weg nicht mitgehen kann, der wird ein Problem bekommen."