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Wiedereröffnung der Sixtinischen Kapelle vor 25 Jahren
Michelangelos Fresken als wären sie gestern gemalt

Das künstlerische Herzstück der Sixtinischen Kapelle sind die Deckenfresken und das Altarbild von Michelangelo. Eine Restaurierung der Fresken zwischen 1980 und 1994 brachte Erstaunliches zutage. Manche Wissenschaftler waren schockiert.

Von Henning Klüver | 08.04.2019
    Die sixtinische Kapelle in Rom mit dem Deckenfresko "Die Erschaffung Adams" von Michelangelo Buonarroti, aufgenommen am 01.09.2016
    Die dramatische Szene von der Erschaffung Adams durch den Zeigefinger Gottes gilt heute als eine der populärsten Darstellungen aus der Zeit der Renaissance. (dpa / Uli Deck)
    Papst Sixtus IV. rief in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Eilte der italienischen Renaissancemaler nach Rom, um die Seitenwände einer unter ihm im Vatikan errichteten Kapelle ausmalen zu lassen. Darunter waren Künstler wie Perugino, Botticelli oder Ghirlandaio.
    Der Ruhm der Sixtinischen Kapelle gründete sich jedoch vor allem auf den Freskenschmuck der Decke und der Altarwand, zwei überdimensionale Arbeiten von Michelangelo Buonarroti aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Besucher halten meist Spiegel in der Hand, um Nackenschmerzen bei langen Blicken auf die Decke zu vermeiden.
    Michelangelo beschwerte sich über die mühsame Arbeit
    Darüber klagte in einem Gedicht der Künstler selbst, als er das 520 Quadratmeter große Stichkappengewölbe von 1508 bis 1512 auf Wunsch von Papst Julius II. ausmalte.
    "Den Bart reck‘ ich gen Himmel, mit dem Nacken Rückwärts gelehnt, und mit Harpyien-Bauch, Derweil der Pinsel, immer über’m Aug‘, Ein schön Mosaiko kleckst auf die Backen."
    So entstand eine Bildfolge, die wie in einem überdimensionalen Comic-Strip die Schöpfungsgeschichte von der Lichtwerdung bis zur Trunkenheit Noahs erzählt, umrahmt von Propheten und Sybillen. Die dramatische Szene von der Erschaffung Adams durch den Zeigefinger Gottes gilt heute als eine der populärsten Darstellungen aus der Zeit der Renaissance.
    Giorgio Vasari, der Michelangelo noch kennengelernt hatte, jubelte in seinen Lebensbeschreibungen großer Künstler:
    "Als sein Werk enthüllt wurde, sah man alle Welt von überall her herbeiströmen, und es ließ alle Leute in höchster Verwunderung verstummen."
    Fresken waren von einer Fettschicht bedeckt
    Als der 1979 zum Chefrestaurator des Vatikans berufene Gianluigi Colalucci auf einem Gerüst Michelangelos Deckengemälde zum ersten Mal ganz nahe kam, bemerkte er eine Fettschicht, die bereits vor Jahrhunderten zum Schutz auch vor eindringendem Regenwasser aufgetragen worden war. Mehrere ungeschickte Restaurierungen hatten so die Ansicht der großartigen Fresken verändert. Denn Ruß von Kerzen und Fackeln, auch Staub und atmosphärische Ablagerungen hatten diese Schicht immer dunkler werden lassen. Ein Schleier hatte sich über die Farben Michelangelos gelegt. Der Kunsthistoriker Christoph Luitpold Frommel, damals Leiter der deutschen Bibliotheca Hertziana in Rom und wissenschaftlicher Beirat der Restaurierungsarbeiten, erinnert sich:
    "Wir haben eigentlich immer gedacht und gelernt und gesehen, dass Michelangelo kein Maler der Farbe war, sondern im Grunde auch nur Figuren gemalt hat, aber ohne große koloristische Effekte. Und das haben auch viele vertreten und kunsthistorisch unterbaut und theoretisiert."
    Das galt besonders für die Deckenfresken. Aber auch für die Altarwand, auf die Michelangelo dreißig Jahre später eine bewegte Darstellung des Jüngsten Gerichts malte, bei der die Körper der Verdammten wie der Geretteten um einen herrischen Christus kreisen. 1980 begann ein großangelegtes Restaurierungsprojekt, um die Schmutzschicht abzutragen. Erste Proben einer vorsichtigen Reinigung überraschten die Wissenschaftler:
    "Da hatten sie gerade ein Stück von dem Jesaia freigemacht, und da sah man plötzlich, Donnerwetter, ein echter Maler, ein großer Kolorist."
    Farbenfroher als gedacht
    Die Restauratoren benutzten zum Abtragen der Schmutzschicht ein in destilliertem Wasser gelöstes Ammoniumcarbonat.
    "Da das alles in fresco gemalt ist, also nicht mit Farben, die beim Restaurieren gefährdet sind, sondern die fest mit dem Putz verbunden sind, konnten die relativ schnell und einfach den Schmutz wegnehmen, der im Lauf von 500 Jahren sich daraufgelegt hatte."
    Die Restauratoren gingen mit großer Behutsamkeit vor. Immer wieder prüften sie im Labor die abgenommene Schicht. An den ganz wenigen Stellen, wo malerische Ergänzungen notwendig wurden, nahmen sie diese mit wieder abwaschbaren Aquarellfarben vor.
    Am 8. April 1994 war es dann so weit. Die Sixtinische Kapelle wurde mit einer feierlichen Messe von Papst Johannes Paul II. der Öffentlichkeit übergeben.
    "Das war natürlich da ganz frappant, diese überwältigende Schönheit, nicht nur der Farbe, sondern der Figuren als Ganzes so zu sehen, als ob sie gestern gemalt wären."