Freitag, 19. April 2024

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Wiederwahl von Roland Jahn
Chef der Stasi-Unterlagenbehörde will deren Horizont erweitern

Roland Jahn soll erneut für fünf Jahre zum Chef der Stasi-Unterlagenbehörde gewählt werden. Der DDR-Bürgerrechtler forderte, sich mehr mit der SED-Diktatur insgesamt auseinanderzusetzen und auch die Vielfalt des Lebens in der DDR nicht außer Acht zu lassen. Jahn stellt sich heute im Bundestag zur Wiederwahl.

Von Claudia van Laak | 09.06.2016
    Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU).
    Roland Jahn fordert, dass die Stasi-Akten vielen Menschen zugänglich bleiben. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Wiederwählen, nicht wiederwählen, kommissarisch wiederwählen. Es war ein ziemliches Hin- und Her um die Person Roland Jahn und die Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde. Doch nun hat sich die Große Koalition zusammengerauft: Der DDR-Bürgerrechtler und Fernsehjournalist Roland Jahn wird weitere fünf Jahre lang die Stasi-Unterlagenbehörde leiten – er bleibt Chef von 1.600 Mitarbeitern und Herr über 111 Kilometer Akten.
    "Das ist ja das Wichtige, dass wir die Akten insgesamt nutzen, dass wir sie bereitstellen für viele, viele Menschen. Es geht ja nicht darum, dass jemand eine Deutungshoheit über diese Akten hat. Sondern die Akten stehen der Gesellschaft zur Verfügung nach rechtsstaatlichen Regeln. Und das ist das, was als Errungenschaft gilt, was wichtig ist. Dass die Menschen, die Informationen, die die Stasi für sie gesammelt hat, zur Verfügung bekommen, dass sie ein Stück ihres gestohlenen Lebens zurückbekommen."
    Veränderung der Behörde und Aufarbeitung SED-Diktatur
    Im April hat eine vom Bundestag eingesetzte Kommission Empfehlungen zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde vorgelegt. Sie schlägt unter anderem vor, die Behörde in der jetzigen Form aufzulösen. Der Kommissionsvorsitzende Wolfgang Böhmer, ehemaliger CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt:
    "Wir schlagen vor, dass die Unterlagen unter noch zu nennenden Bedingungen bis zum Ende der nächsten Wahlperiode in das Bundesarchiv integriert werden."
    Weitere Empfehlungen: Die Zahl der Außenstellen soll reduziert werden, eine noch zu gründende Stiftung könnte die Arbeit des Bereichs Bildung und Forschung weiterführen – und – ganz wichtig – die Kommission wünscht sich einen Bundesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Letzteres ist ganz im Sinne von Roland Jahn.
    "Was sinnvoll ist, dass der Horizont erweitert wird. Die Arbeit in der Vergangenheit hat eine deutliche Fixierung auf das Thema Stasi mit sich gebracht und der Kommission ist es wichtig, den Horizont zu erweitern. Wir müssen ja insgesamt wegkommen von dieser Fixierung auf die Stasi, weil man damit nicht die SED-Diktatur nicht insgesamt erfassen kann und vor allem die Vielfalt des Lebens in der DDR außer Acht lässt."
    Kritik von Opferverbänden und der Linken
    Doch sämtliche Empfehlungen der Kommission werden jetzt in der Schublade verschwinden, der Umbau der Stasi-Unterlagenbehörde ist für diese Legislaturperiode vom Tisch. Ein Grund dafür ist die Kritik von Stasi-Opferverbänden. Betroffene fühlten sich nicht mitgenommen in diesem Reformprozess, sie befürchteten, man wolle einen Schlussstrich unter die DDR-Aufarbeitung ziehen.
    Die Opposition konstatiert deshalb: Die Regierungsfraktionen haben schlecht gearbeitet. Stefan Liebich von der Linken, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Stasi-Unterlagenbehörde, kritisiert:
    "Dass man sich da nicht rangetraut hat. Es gab immer mal Andeutungen, ich glaube in der vorletzten Wahlperiode war das erste Mal davon die Rede, man wolle eine Expertenkommission einrichten. Dann hat man das nicht gemacht. Dann blieb es eine ganze Wahlperiode auf Eis liegen, jetzt hat man die eingerichtet. Da sind wirklich fleißige Leute von allen Fraktionen benannt, die gearbeitet haben, jetzt liegt ein Ergebnis vor, und man macht damit nichts. Das finde ich schon ein Armutszeugnis."
    In einem heute zu beschließenden Antrag von CDU und SPD werden die Stasi-Unterlagenbehörde und das Bundesarchiv aufgefordert, ein – Zitat – gemeinsames, belastbares Konzept für die dauerhafte Sicherung der Stasiakten zu erarbeiten.
    Wolfgang Böhmer gibt sich indes gelassen. Es sei nicht das erste Mal, dass Vorschläge von Kommissionen in der Schublade verschwänden, sagte der CDU-Politiker.