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Wiefelspütz: Bundestag darf Entscheidung zum NPD-Verbot nicht vor sich herschieben

Beim NPD-Verbot könne man nicht Dinge aussitzen oder gar nichts tun, sagt Dieter Wiefelspütz. Auch bei einem Scheitern des SPD-Vorstoßes gehe es darum, dass der Bundestag als wichtigstes Verfassungsorgan eine Entscheidung treffe, so der Innenexperte der SPD weiter.

Dieter Wiefelspütz im Gespräch mit Christiane Kaess | 25.04.2013
    Christiane Kaess: Mitte Dezember hatte der Bundesrat beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht ein NPD-Verbot zu beantragen. Das Bundeskabinett entschied sich dann im März gegen einen eigenen Verbotsantrag und heute stimmt der Bundestag über einen eigenen Antrag ab.
    Am Telefon ist jetzt Dieter Wiefelspütz, Innenexperte der SPD. Guten Tag, Herr Wiefelspütz!

    Dieter Wiefelspütz: Guten Tag.

    Kaess: Herr Wiefelspütz, der Vorstoß der SPD, ist das jetzt mit dem Kopf durch die Wand?

    Wiefelspütz: Nein, nicht durch die Wand, aber es ist schon ein Vorstoß mit Kopf. Ja, es ist eine klare Überlegung. Es ist doch so, dass hier in Berlin seit Monaten in dieser sehr wichtigen Frage, Antrag NPD-Verbot ja oder nein, herumgeeiert wird. Anders kann man das ja gar nicht sagen.

    Kaess: Aber Sie wissen ja, dass Sie mit dem Antrag heute scheitern werden.

    Wiefelspütz: Ja und? Die Dinge müssen doch mal auf den Punkt gebracht werden. Es muss doch mal endlich entschieden werden. Die Bundesregierung selber - auch die Bundeskanzlerin hatte sich ja eingemischt und hatte lange Zeit zu erkennen gegeben, dass man wohl einen Antrag stellen werde -, die Bundesregierung hat auch Monate lang gebraucht, nicht um irgendwas zu prüfen, sondern um sich zu verständigen innerhalb von Schwarz und Gelb, von CDU/CSU und FDP. Und das Ergebnis war dann hinterher: Man macht es eben halt nicht.
    Der Bundestag als unser wichtigstes Verfassungsorgan, dem liegt das Material des Verfassungsschutzes seit Monaten vor, über tausend Seiten Akten. Dazu haben wir unsere eigenen Erfahrungen. Was passiert hier? – Nichts! Und das muss man doch mal auf den Punkt bringen.

    Kaess: Es gibt ja offensichtlich zu viele Zweifel genau eben an diesem Material. Aber schauen wir noch mal auf den Antrag heute. Die Kritik ist ja, mit dem Antrag werfe die SPD dem Bundesrat Knüppel zwischen die Beine. Stärken werden Sie ja das Bemühen der Länder nicht gerade?

    Wiefelspütz: Ich denke, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu wissen, wie der Deutsche Bundestag, unser wichtigstes Verfassungsorgan, zu diesem sehr wichtigen Punkt, NPD-Verbotsantrag ja oder nein, steht. Und das ist eine demokratische Entscheidung. Ich habe doch auch …

    Kaess: Und da fürchten Sie das Signal, das negative Signal, das von einem Nein ausgeht, weniger?

    Wiefelspütz: Es geht darum, dass der Deutsche Bundestag eine Entscheidung trifft, und die werden wir auch als SPD, wie immer sie ausgeht, natürlich respektieren. Was gar nicht geht, ist, dass man so etwas auf die lange Bank schiebt und gar nicht entscheidet. Das ist doch der entscheidende Punkt. Wir sind doch nicht dazu da, hier Dinge einfach nur vor uns herzuschieben. Wir müssen eine Position einnehmen. Die kann pro, die kann kontra sein. Es gibt durchaus respektable Gründe, auch gegen einen Verbotsantrag zu sein. Aber was gar nicht geht, ist, die Dinge aussitzen zu lassen und einfach gar nichts zu tun. Das ist doch der entscheidende Punkt.

    Kaess: Jetzt wirft Ihnen sogar Ihr möglicher Koalitionspartner die Grünen vor, Sie würden unüberlegt vorpreschen. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast spricht von einem Show-Antrag.

    Wiefelspütz: Frau Künast ist für ihre Äußerungen selber verantwortlich. Die Grünen sind eine eigenständige Fraktion und Partei. Die tun das, was sie für richtig halten. Und die SPD ist in dieser Position seit Langem eine sehr einmütig handelnde Partei. In der Grünen-Partei gibt es sehr unterschiedliche Positionen, das will ich jetzt gar nicht kritisieren. Aber die Tatsache, dass Frau Künast keine geschlossene Fraktionsmeinung hinbekommt, ist doch nicht hinreichend ein Grund, um uns zu beschimpfen.

    Kaess: Aber die Kritik kam von mehreren bei den Grünen. – Wie finden Sie das, dass ein möglicher Koalitionspartner sich so gegen die SPD stellt?

    Wiefelspütz: Die Grünen machen das, was sie für richtig halten. Ich habe damit überhaupt letztlich kein Problem. Ich bin ganz entschieden der Auffassung, dass der Deutsche Bundestag versagt, wenn er in dieser Frage keine Meinung hat.

    Kaess: Aber es geht ja ein bisschen um das Vorgehen. Der Vorwurf ist ja auch, der Antrag sei vorher mit den anderen Fraktionen nicht besprochen worden. Warum ist das nicht gemacht worden?

    Wiefelspütz: Wissen Sie, das Thema ist doch nicht vom Himmel gefallen. Ich bin Mitglied des Innenausschusses. Wir sind in dieser Angelegenheit im Grunde federführend. Wir haben den ständigen Kontakt zum Verfassungsschutz, zum Bundesinnenministerium und sind sozusagen die Leute, die Kraft unseres Themas besonders fachkundig sind an dieser Stelle.
    Uns liegt dieses Material seit einem halben Jahr vor. Jeder kann sich das anschauen, jeder kann eine Meinung entwickeln. Und wenn die SPD sich dann entschließt, nachdem wir auch lange Zeit gewartet haben, zu sagen, wir wollen die Dinge jetzt endlich mal auf den Punkt bringen, dann ist das unser gutes Recht. Und wenn da andere ihre Schwierigkeiten haben, dann bitte schön nicht bei uns ablagern, sondern die Schwierigkeiten sind dort, wo sie entstanden sind. Sie sind die Schwierigkeiten der Uneinigkeit in der Koalition aus Schwarz und Gelb und auch der Uneinigkeit in dieser Sachfrage bei den Bündnis-Grünen. Wir haben da eine einmütige Haltung und wir wollen, dass die heute im Parlament, wo sie hingehört, auch abgestimmt wird.

    Kaess: Was für ein Signal, glauben Sie, wird von der Tatsache ausgehen, dass die drei Verfassungsorgane in dieser Sache nicht geschlossen auftreten?

    Wiefelspütz: Das finde ich, wenn es so käme, ausgesprochen bedauerlich.

    Kaess: Warum verzichten Sie dann nicht auf den Antrag?

    Wiefelspütz: Warum sollten wir denn auf unsere Auffassung verzichten? Ich verstehe nicht, was Sie für ein Demokratieverständnis haben, gerade auch in dieser Frage. Der Deutsche Bundestag ist das wichtigste Verfassungsorgan in Deutschland und in Fragen von NPD-Verbot diskutieren wir das intern seit mehr als, oder seit Jahren im Grunde, mit neuem Material seit einem halben Jahr. Und wir haben keine Meinung dazu? Was ist denn das für ein Parlamentsverständnis?

    Kaess: Dann frage ich noch mal nach dem Signal, das davon ausgeht, dass diese Geschlossenheit nicht da ist.

    Wiefelspütz: Das Signal ist, dass wir jedenfalls als SPD in dieser Angelegenheit eine klare Auffassung haben, seit Monaten, seit Jahren, andere aus den verschiedensten Gründen eben halt nicht. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die NPD eine massiv verfassungsfeindliche Partei ist, aggressiv, verfassungsfeindlich, gewaltbereit, massiv antisemitisch. Sie gehört verboten. Das Verbot geht nur über den Antrag der Verfassungsorgane. Der Bundesrat hat diesen Antrag angekündigt und wird ihn stellen. Es wäre sehr zu wünschen, dass auch der Deutsche Bundestag einen solchen Antrag stellt.

    Kaess: Herr Wiefelspütz, Sie kennen das Material. Warum haben Sie so wenig Zweifel an den Erfolgsaussichten des Verbotsverfahrens, die ja andere ganz offensichtlich ganz stark haben?

    Wiefelspütz: Ich befasse mich mit dieser Fragestellung seit vielen, vielen Jahren. Man kann gerade auch in Fragen von Staatsrecht unterschiedlicher Auffassung sein. Ich bin selber Staatsrechtler, und wenn ich nicht das gute Gewissen und die Überzeugung hätte, dass dieser Verbotsantrag eine hohe Aussicht auf Erfolg hat, würde ich meiner Fraktion nicht raten, diesen Antrag zu stellen.

    Kaess: Woran machen Sie das fest? – Herr Wiefelspütz, können Sie uns noch hören?

    Wiefelspütz: Ich habe Sie gerade nicht gehört.

    Kaess: Woran machen Sie das fest, dass die Erfolgsaussichten so gut sind?

    Wiefelspütz: Das mache ich fest an dem Material aus offenen Quellen, auch die eigene Anschauung, die Beteiligung oder das Zuschauen zu vielen, vielen Aktivitäten der NPD. Es gibt aus offenen Quellen auch Dinge, die Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen gesammelt haben, die Journalisten, die Presse, hinreichend massives Material, in dem deutlich wird, dass diese Partei massiv und offensichtlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht nur ablehnt, sondern aggressiv bekämpft.

    Kaess: …, sagt Dieter Wiefelspütz, der Innenexperte der SPD, live heute bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, Herr Wiefelspütz.

    Wiefelspütz: Ich bedanke mich.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.