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Wiener Akademikerball
Burschenschafter als "bessere Deutsche"

Burschenschafter in Österreich sehen sich als Bollwerk gegen Überfremdung und als bessere Deutsche. Ihr politischer Einfluss über die rechtspopulistische FPÖ ist groß. Gegen ihren jährlichen Akademikerball in der Wiener Hofburg, neben der Hitler 1938 den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland verkündete, formiert sich auch heute Abend lautstarker Protest, der in den vergangenen Jahren nicht immer gewaltfrei war.

Von Karla Engelhard | 30.01.2015
    Hunderte Demonstranten bei Nacht vor der erleuchteten Wiener Hofburg.
    Schon 2013 protestierten Hunderte gegen den Akademikerball der FPÖ in der Wiener Hofburg. (picture alliance / dpa / Herbert P. Oczeret)
    Rund 4000 Männer sind in Österreich in akademischen Burschenschaften organisiert. Wo die jungen Männer und "alten Herren" mit ihren bunten Kopfbedeckungen, den schmalen, dreifarbigen Schärpen und ihren Narben im Gesicht auftauchen, polarisieren sie. Ihre Grundsätze "Ehre, Freiheit, Vaterland" sind in ihrem Selbstverständnis ein fast 200 Jahre alter Dreiklang von Wertvorstellungen.
    Für ihre Kritiker und Gegner sind die Burschenschaften neonazistische, rassistische und antisemitische Männerbünde. Der junge Wiener Politikwissenschaftler Bernhard Weidinger schrieb ein Standardwerk über "Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945" und verglich sie auch mit den deutschen Burschenschaften:
    "Man kann durchaus sagen, dass die Burschenschaften in Österreich im Durchschnitt weiter rechts stehen als in Deutschland, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass es in Österreich kaum Heterogenität gibt, in politisch-ideologischer Hinsicht, das heißt hier herrscht ein sehr hohes Maß an Geschlossenheit in den weltanschaulichen Fragen, während es in Deutschland ein breites Band von Positionen gibt, die von Liberalismus bis in den Rechtsextremismus reichen."
    FPÖ ist die politische Heimat der Burschenschaften
    Vor allem haben die österreichischen Burschenschaften eine politische Heimat: die Freiheitliche Partei Österreichs, kurz FPÖ. In Deutschland gibt es keine vergleichbare Partei. Der FPÖ dienen die Korporierten, junge wie alte Mitglieder von Burschenschaften, als akademisch gebildetes Personalreservoir. Die Burschenschafter Jörg Haider und Heinz-Christian Strache kamen so an die FPÖ-Spitze.
    Um Wahlen zu gewinnen, verschwand unter FPÖ-Chef Haider Mitte der 1990-er Jahre der Begriff "deutsche Kulturgemeinschaft" aus dem Programm der Freiheitlichen. Der ist mittlerweile wieder drin, aber auf Parteitransparenten ist heute eher die vage Formel "Österreich ist meine Heimat, Deutschland mein Vaterland" zu finden. Politologe Bernhard Weidinger meint zu dieser Entwicklung:
    "Das, was jetzt in der Strache-FPÖ passiert, ist ein Oszillieren zwischen einerseits dem nach außen ganz offensiv vertretenen Österreichpatriotismus, wo man ganz stark auf Rot-Weiß-Rot setzt, und gleichzeitig immer wieder eingestreuten Signalen an diesen personellen Kernbestand aussendet, dass man nach wie vor dem Deutschnationalismus verbunden ist. Nur sagt man das eben nicht mehr, weil man weiß, dass das in der Wahrnehmung einer breiten Bevölkerung eher schädlich ist."
    Protest gegen Akademikerball
    Mittlerweile ist die rechtspopulistische FPÖ im österreichischen Parlament etabliert und in allen neun Landtagen der Alpenrepublik angekommen. Den Anteil "alter Herren" schätzt Weidingen auf rund 30 Prozent.
    Seit Jahrzehnten veranstaltete der Wiener Korporationsring, der Zusammenschluss der akademisch nationalliberalen Burschenschaften, kurz WKR, seinen eigenen Ball in Wien. Vor zwei Jahren wurde daraus der Wiener Akademikerball, Hauptorganisator nun: die FPÖ. Seit 2008 gehen regelmäßig recht unterschiedliche Gruppen dagegen in Wien auf die Straße:
    "Ich denke, die Demonstrationen sind vor allem symbolische Kämpfe um Raum. Da geht es ja nicht um ein Verbot der Burschenschaften, sondern darum, welche Räume man bereit ist, eben solchen Vereinigungen zu Verfügung zu stellen. Gerade im Fall des Wiener Korporationsballs, der in der Wiener Hofburg mit dem angrenzenden Heldenplatz, also auch einem geschichtspolitisch eminent wichtigen Platz, geht es vor allem um Symbolpolitik."
    Auf eben jenem Wiener Heldenplatz hat 1938 Hitler den Anschluss der "Ostmark" an Großdeutschland verkündet.
    Die Demonstrationen gegen den Wiener Akademikerball der FPÖ waren nicht ohne Erfolg: Seinen Stellenwert als Netzwerktreffen der europäischen Rechten hat der Ball verloren. Die Zahl der Ballbesucher nimmt kontinuierlich ab, dafür kommen immer mehr Demonstranten, auch aus Deutschland.